Meine Finger zitterten, als ich die Daten in meinen Gerätespeicher kopierte. Eigentlich sollte ich es nicht machen. Immerhin war dies wohl eindeutig das Privateigentum von Miles, zumindest von seiner Sicht aus. Theoretisch war es das Eigentum der Regierung, denn nicht umsonst befanden wir uns im Moment im Stadtarchiv.
Auch wenn sich meine Gedanken zu Zeit um diese neuen Informationen drehten, vergaß ich gleichzeitig nicht, dass der wahre Grund für den Aufenthalt hier nicht das Herausfinden von Miles Verbrechen, sondern das Aufdeckens der Lügen von der Stadt war. Somit musste ich mich mit dem Abspeichern zufrieden geben und den Stick danach wieder zurück in die Schublade sinken lassen.
Mit einem leichten Kraftaufwand schloss ich die Schublade der Kommode wieder und gab Miles Leben wieder in die gewohnte Dunkelheit zurück. Im Schatten übersah man die Lügen und Geheimnisse schnell. Es war eine Tatsache, dass sich noch viel mehr Geheimnisse in Miles' Schattenseite fanden, als die paar Sätze seiner Akte der Öffentlichkeit preisgaben. Doch jeder Mensch besaß eine dunkle Seite seines Selbst und man sollte niemanden deswegen verurteilen. Immerhin war man selbst bestimmt auch nicht besser.
Ganz hinten im Raum stand ein einzelnes Bücherregal. Ich erkannte es sofort. Jeden Tag hatte ich mir eine Zeit lang aus genau diesem Regal ein neues Buch ausgesucht. Es gehörte nicht hier her. Ein kleiner Laden im Nordviertel sollte mit diesem Möbelstück eingeräumt sein. Doch seit Wochen war er es nicht mehr, denn jemand hatte es hier hin gestellt. Vorsichtig, wie als würde ich über eine Feder streifen, fuhr ich über die Einbände, folgte den Schriftzügen und prägte mir die Namen ein. Wie eine Ewigkeit her, fühlte es sich nun schon für mich an, seitdem ich dies das letzte Mal gemacht hatte. Die Erinnerungen an den Tag, als ich Fabian kennen gelernt hatte, kamen wieder hoch und mit ihnen auch die an den Tag, der mir ihn genommen hatte.
Zumindest in seinem geschriebenen Wort konnte er für mich weiterleben, doch das war dennoch einfach nicht dasselbe. Der Verlust meines besten Freundes schmerzte noch immer sehr stark. Mal wieder spürte ich, wie sich meine Augen mit Tränen füllten.
Aber wie schon hunderte Male schaffte ich es sie wieder wegzublinzeln und den Kloß in meinem Hals wieder runter zu schlucken.
Die Bücher des Regales erkannte ich schnell wieder. Sie waren nicht verändert. Doch was machten sie hier? Es waren nämlich die Einzigen im ganzen Raum. Wenn man hier alle einkassierten Bücher finden würde, wäre diese Tatsache nur halb so verwunderlich.
Meine Finger umschlossen den Rücken des einzigen Buches, welches ich nie begonnen hatte zu lesen. Fabian hatte stets gesagt, dass ich noch nicht bereit war. Wofür sollte ich bereit sein?
Und obwohl er seit Wochen verschwunden, wahrscheinlich längst verstorben war, so konnte ich dennoch seine Stimme hören. Es wird Zeit für dich auch diese Geschichte zu verstehen.
Doch als ich das Buch öffnete, fand ich keine Wörte, Sätze oder gar Seiten.
Dieses Buch war kein Buch, es war eine Schatulle. Dazu war sie leer. Nur ein rotes Tuch befand sich im Inneren. Es schien vorher als Unterlage für einen Gegenstand gedient zu haben. Möglicherweise war es eine Brosche oder etwas ähnliches. Denn in der Mitte des Tuches befanden sich zwei kleine Löcher und dort war es auch irgendwie zu einer Kuhle verformt. Ganz so, als hätte vorher etwas seinen Platz dort gehabt.
Verwirrt hob ich meinen Blick an und dies gerade noch rechtzeitig. Genau in dem Moment kippten die Bücher, welche sich vorher neben der Schatulle fest standen, um. Meine Hand schnellte vor und fingen das Erste der Reihe auf.
Mit einem dumpfen Geräusch fiel die Schatulle auf den Boden. Aber ich kümmerte mich nicht darum, sondern stemmte meine rechte Hand so gegen das Buch, sodass es mit der Hilfe von etwas Kraft gleichzeitig mit den restlichen Büchern der Regalreihe wieder aufgestellt werden konnte.
Als ich mir sicher war, dass sie nicht noch einmal umfallen würden, zog ich meine Hand wieder zurück. Schnell hockte ich mich hin, um auch das letzte Stück des Regales wieder an seinen ursprünglichen Platz stellen zu können.
Kurz bevor ich dies dann auch tat, sah ich etwas Komisches hinter der entstandenen Lücke. Ein blaues kleines Licht leuchtete in der Dunkelheit hinter dem Regal auf.
Neugierde packte mich und innerhalb von Sekunden hatte ich weitere Bücher aus dem Regal gezogen. Doch kein Licht leuchtete mehr.
Entäuscht wollte ich meine Tat rückgängig machen, als ich es aus dem Augenwinkel wieder wahrnahm. Dieses Mal wartete ich länger und wirklich durch einen kleinen Schlitz im Regalrücken schimmerte etwas Blaues im Takt von ungefähr einer Minute hindurch. Unachtsam stopfte ich die Lektüren zurück.
Danach huschte ich an die Seite des Regales und stemmte mich mit meinem gesamten Körpergewicht dagegen. Doch leider war ich entweder nicht stark genug oder das Regal einfach zu schwer. Wahrscheinlich gehörte beides der Realität an. Nur selten hatte ich in meinem Leben etwas Schweres schleppten müssen. Somit war es auch wirklich kein Wunder, dass ich so gut wie keine Muskeln besaß.
Aufgeregt rief ich Miles zu mir. Dieser schien etwas erschreckt davon zu sein, dass ich ihn gerufen hatte. Panisch kam er angerannt und schüttelte auf meine Bitte hin schmunzelnt mit dem Kopf.
Mit vereinten Kräften schafften wir es dann das Regal von seinem Platz fort zu bewegen.
Ein Tastenfeld wurde sichtbar und auch das Leuchten strahlte nun eindeutig heller.
Sofort wusste ich, dass wir nur ganz kurz davor waren, unser Ziel zu ereichen. Wir hatten es fast geschafft.
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Paradise
Science FictionWie sieht das Paradies aus? Ich kann es euch sagen. Im Paradies gibt es genau fünf Regeln. Brichts du eine davon, dann verschwindest du aus unseren Reihen. Diese Regeln machen das Paradies aus. Sie machen es perfekt. Kein Ort der Welt ist so wie uns...