Kapitel 27

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Als meine Augen das nächste Mal etwas erkennen konnten, erwartete mich erstmal Schwärze. Doch dann schaltete jemand das Licht an und ich fand mich in einem Kellerraum wieder. Alles um mich herum war verstaubt und in gefühlt jeder Ecke hingen mehrere Spinnenweben. Glücklicherweise hatte ich noch nie Angst vor Spinnen gehabt, sodass mir diese Umgebung zwar etwas zusetzte, mich aber nicht vollständg verschreckte.
"Was soll ich hier und warum hast du mich nur hierher geführt?"
Nun wo ich nicht nur ein paar Sekunden lang hier war, bemerkte ich, dass ich zwar keine Angst vor Spinnen hatte, aber die Spinnenweben mich regelrecht anwiederten. Wenn ich wirklich ehrlich war, würde ich es eindeutig bevorzugen möglichst schnell aus diesem Kellerraum zu verschwinden zu können.
"Ich wollte dir wie gesagt etwas zeigen." er führte mich also etwas weiter durch den nächsten Durchgang.
Dahinter fanden wir uns in einem weiteren Raum, wecher nicht mehr ganz so nach Kellerraum aussah, nur standen und saßen in diesem Raum noch weiterere Menschen. Sie waren allesamt Kinder und ein paar Frauen. Ihre Kleider waren zerrissen und sofort fragte ich mich, wie es dazu kam, dass irgendjemand in dieser Stadt sowas mitansehen  und nichts dagegen tun wollen konnte. Mein Leben lang wurde von mir erwartet wieder und wieder wegzuschauen. Mir wurde eingetrichtert, dass jeder Mensch seines eigenes Glückes Schmied war. Daraus hatte ich mit meinem steigenden Alters geschlossen, dass man selbst an seinem Leid Schuld war und es die eigene Rechnung  des eigenes Versagen war, wenn man mit sowas wie Hunger und Geldsorgen zu kämpfen hat.
Doch diese Kinder hatten noch gar keine Zeit gehabt Fehler zu machen, selbst zu versagen und somit durften sie auch nicht bestraft werden.
Es tat mir im Herzen weh und ich empfand nun meine Ansicht zu diesen Dingen als unmöglich.
"Wer sind all' diese Leute hier?"
"Das sind alles Waisenkinder, welche früher mit ihren Eltern im Nordviertel gelebt haben, doch dann ihre Eltern verloren haben. Im Nordviertel bedeutet dies das Schlimmste", er machte eine kurze Pause, "Diese Kinder hier sind der Beweis dafür, doch sie haben es noch besser getroffen, als es die meisten Anderen haben, denn diese Frauen hier sind zwar nicht die Reichsten der Stadt, aber sie versuchen so vielen Kindern wie möglich zu helfen."
Doch wenn diese Kinder es noch gut hatten, wie schwer war es für die Kleinen, die nicht hier waren und wie viele waren es. Warum lebten sie noch immer im Nordviertel? So wie ich es sah, war es so, dass die Kinder von Unwürdigen nur im Nordviertel lebten, weil es unmenschlich war, Kinder von ihren Eltern zu trennen. Aber sollten sie nicht das Recht haben, in das offizielle Waisenhaus zu kommen,  in das auch alle anderen Waisen kamen. Scheinbar war dem nicht so.
Warum galten nicht für alle Neugeborenen der Welt beziehungsweise der Stadt die gleichen Regeln?
Denn niemand konnte in diesem Alter etwas falsch gemacht haben, außer nicht die selben Eltern zu haben, wie so manch anderer. Doch dies war kein Fehler sondern eine Tatsache. Niemand konnte etwas für seine Familie.
"Warum hast du mir dies gezeigt?"
"Weil ich fand, dass du es wissen solltest. Es ist einfach so über mich gekommen." er zuckte mit seinen Schultern.
Da schrie ein kleines Mädchen laut auf und rannte auf ihn zu. "Miles! Was machst du hier?"
"Darf ich vorstellen, das ist Amy, meine Cousine. Amy, das ist Cyana, eine Freundin von mir."
Seine Cousine? Deswegen zeigte er mir dieses 'Waisenhaus'. Weil er selbst Teil dieses Problemes war, wollte er mich darüber informieren.
"Was hast du denn dort in der Hand?"
"Mein Kuschelbär. Er heißt Ted." bemerkte sie strahlend.
Mal wieder bemerkte ich dieses besondere Strahlen in den Augen eines Menschens, welcher viel zu viel schreckliches erlebt hatte. Die ganze Nacht verbrachten wir an diesem Ort und am nächsten Morgen brachte er mich nach Hause.
Auch wenn ich selbst übermüdet war und nur noch in mein Bett wollte, war mir klar, dass ich erst heute Abend schlafen gehen können würde. Denn ich hatte gerade mal Zeit mich gleich zu duschen, danach würde ich mit meinen Eltern frühstücken und schleßlich würde ich zum Laden rennen, damit ich mehr Menschen ein Lächeln aufs Gesicht zaubern konnte.
Genau so war es dann auch. Nur dass ich nicht wie geplant, direkt nach meiner Heimkehr am Abend in mein Bett fallen konnte. Meine Eltern zwangen mich dazu mit ihnen zu Essen. Doch dieses Essen brachte mir die Gelegenheit eine Antwort zu einer Frage zu bekommen, die mich schon den ganzen Tag plagte.
"Vater, was passiert mit den Waisenkindern des Nordviertels?"
"Was glaubst du denn, mein Kind? Sie kommen zu den anderen Waisen der Stadt." er lächelte ich an und doch erkannte ich das falsche Lächeln, das es nun einmal war.
"Warum konnte mir dann heute keines der Waisen sagen, dass sie aus dem Nordviertel kamen."
Nun gefror sein Lächeln ein und er wurde still. Meine Mutter verfolgte unser Gespräch mit zusammen gezogenen Augenbrauen. Das ich heute im Waisenhaus war, stimmte zwar nicht, aber ausnahmsweise interessierte es mich nicht, ob ich gerade gelogen hatte oder nicht. Das einzige, was sich in meinen Gedanken festgesetzt hatte, war der Blick meines Vaters.
"Dann ist ja alles dazu gesagt. Das Essen war vorzüglich, ich bin müde und deswegen gehe ich nun ins Bett." laut ließ ich mein Besteck auf den Tisch fallen und stand lautstark auf.
Mein Abgang war zwar etwas sehr dramatisch, aber ich denke, dass er seinen Zweck erfüllt hatte. Zufrieden legte ich mich ins Bett und schlief mit dem Gedanken an die Gerechtigkeit ein. Ich würde die Geheimnisse der Stadt aufdecken und der Öffentlichkeit preisgeben, dies schwor ich mir, bevor ich mich der Müdigkeit übergab.

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