Auf unserem Weg nach draußen kamen wir durch einen langen Flur. An den beiden Wänden befanden sich immer wieder genau solche Türen, wie es sie auch zu dem Raum, welchen wir gerade eben verlassen hatte, gab. Auch hier war mal wieder alles Weiß. So langsam brachte mich diese Farbe zum Kotzen. Jeden schlechten Moment habe ich in einem weißgestalteten Raum verbracht. Kein Wunder also, dass mir die Farbe nicht mehr gefiel. Mein Onkel führte mich durch den Flur. Er sagte nicht ein Wort und doch gab es keine peinliche Ruhe zwischen uns. Natürlich herrschte Stille, aber diese baute mich auf. Mein Blick hielt ich starr auf den Rücken des Mannes vor mir gerichtet. Irgendwie hatte ich ds Gefühl, dass wir uns gerade in einem weiteren Mysterium der Stadt befanden.
Was war wohl hinter diesen Türen? Auch wenn ich langsam unendlich neugierig wurde, traute ich mich nicht diese Frage laut auszusprechen. Lieber hielt ich einfach meinen Mund und folgte Robert.
Er hatte mich schon hier raus befördert, da wollte ich ihm nicht noch mehr aufhalsen. Jahrelang hatte er sich mehr oder weniger versteckt für die Rechte der Unwürdigen eingesetzt. Nun tat er das selbe für mich und ich war mir sehr wohl bewusst, dass ich ihm diese Sache niemals zurückgeben konnte. Wortwörtlich rettete er mein jetztiges Leben. Denn ich glaubte langsam, dass mich diese Zelle verrückt werden ließ. Es war bestimmt nicht gut für einen Menschen so von der Außenwelt abgeschottet zu sein. Das konnte einfach nicht gesund sein.
Nach fünf Minuten kamen wir an eine Gabelung an. Vorher hatten wir uns schon mehrmals über Ecken durch das gesamte Gebäude bewegt. Diese zwei Möglichkeiten schienen Robert ein kleines Problem zu bereiten. Bisher schien er sich bestens hier auszukennen, doch nun musste er wohl überlegen, welcher Weg der Richtige war.
Ich ließ ihn allein bei dieser Entscheidnung. Immerhin hatte ich selbst nicht einmal den Hauch einer Ahnung, wo wir uns überhaupt geographisch in der Stadt befanden. Viel interessanter fand ich da schon die beiden Türen rechts und links von mir.
Beide sahen zu einhundert Prozent so aus, wie die zu meiner alten Zelle. Doch konnte ich mir nicht vorstellen, was sich hinter ihnen befinden könnte. Immer wieder wanderte mein Blick zwischen den beiden Türen hin und her. Ich versuchte mich zu entscheiden. Sollte ich es wirklich wagen oder war es das Risiko nicht wert? Mal wieder siegte meine Neugierde und vorsichtig machte ich zuerst einen Schritt auf die linke Tür zu.
Meine Augen zuckten zwischendurch immer mal wieder zu meinem Onkel, doch der war noch mit der Entscheidung beschäftigt. Ganz sachte drückte ich gegen die Tür und schob sie ohne ein Geräusch auf. Als erstes sah ich nur weiß. Die Wand gegenüber der Tür erstrahlte wie gefühlt jede Wand in diesem Ton und auch sonst schien nicht viel in dem Raum zu sein.
Insgesamt errinnerte er mich auch vom Inneren sehr stark an die vier Wände, in denen ich mich bis vor zehn Minuten noch befunden habe. Auch hier gab es eine Liege. Nur war ich nicht die Person auf dieser.
Gegen meiner Erwartung erkannte ich sie aber. Sein Haar war in den letzten Wochen noch ein bisschen grauer geworden und vor allem länger. Die untere Hälfte seines Gesichtes wurde von einem Bart verdeckt und fast hätte ich ihn wirklich nicht erkannt.
Dort vor meinen Augen lag mein bester Freund Fabian. Schnell stürzte ich in den Raum. Meinen Onkel hatte ich sofort bei Fabians Anblick vergessen. Sanft strich ich über seinen Haaransatz. Ganz friedlich lag er hier vor mir. Die Worte des Präsidenten kamen mir wieder in den Sinn. Normalerweise blieben die in Simulationen versetzten Menschen in dieser Art von Koma.
Auf einmal fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Häufiger hatte Fabian von den verschwundenen Menschen der Stadt gesprochen. Diese verschwanden wirklich, nur wurden sie gegen meiner Erwartung nicht getötet oder ähnliches. Man versetzte sie einfach in ein künstliches Koma und ließ sie in ihrem Traum. Dieses Verhalten erschien mir fast zu freundlich für unseren Präsidenten. Nachdem ich ihn nun kennen gelernt hatte, hasste ich ihn nur noch mehr als vorher. Er war verabscheuungswürdig.
Meine Finger wanderten weiter bis zu Fabians Hand. Ich wusste, dass er mich nicht fühlen oder hören konnte. Aber es war beruhigend zu wissen, dass er noch lebte.
Plötzlich bekam ich einen Stromschlag. Verwirrt schaute ich auf meine Hand hinab. Erst dachte ich, dass ich es mir nur eingebildet hatte, doch nach ein paar Sekunden bekam ich einen weiteren. Meine Augen waren auf Fabians Körper gerichtet. Geschockt sah ich wie sein Körper sich bei jedem Schlag verspannte und sein Gesicht sich vor Qual verzog. Wie gesagt, ein einfaches Koma schien dem Präsidenten doch zu lieb zu sein. Man quälte sie mit Strom. Aus dem Biounterricht wusste ich, dass diese Behandlung zwar Menschen reanimieren konnte, aber bei lebendigen schlecht für den Herzrhytmus war.
Meine Starre wurde von dem Ruf meines Onkels unterbrochen. Als ich hinter mich blickte, sah ich Robert dort stehen. Sein Blick sprach Bände. Wir mussten von hier verschwinden.
Ein letztes Mal schaute ich Fabians schlafenden Körper an und verabschiedete mich von ihm. Gleichzeitig gab ich ihm ein Versprechen, ich würde stark sein.
Auch wenn ich mich gar nicht so fühlte, so würde ich doch für ihn stark sein. Irgendwie würde ich meinen Freund retten.
Der restliche Weg zu dem Haus meines Onkels zog wie in einem Schleier an mir vorbei. Erst als er mich durch die Tür ins Innere schob, kam wieder etwas Leben in mich. Fabian lebte, allein diese Tatsache ließ mich etwas glücklicher werden. Gegen meiner Erwartung blieb Robert nicht stehen. Im Gegenteil er begann wie wild Sachen zusammen zu suchen und warf die ganzen Sachen in einen Rucksack. Verwirrt beobachtete ich ihn bei dieser Tätigkeit.
Nach einer viertel Stunden schien er zufrieden und drückte mir die Tasche in die Arme.
"Komm mit. Draußen wartet jemand auf dich." mit diesen Worten setzte er mich vor die Tür und mei Blick fiel auf diesen genannten Jemand.
Freudenstränen schossen mir in die Augen. Er war da.
Miles stand vor mir und schloss mich in seine Arme. Auch er lebte noch. Tief atmete ich seinen Geruch ein. Den Rucksack hatte ich schon längst auf den Boden fallen lassen. Seine Hände hielten mich fest und ein Gefühl der Geborgenheit erwärmte mich.
"Meine Kontakte erwarten euch." unterbrach uns mein Onkel Robert.
Fast hätte ich vergessen, dass er auch noch da war."
Schnell umarmte ich auch ihn. Irgendwie schien dies notwendig zu sein. Dann schob er mich von sich und schubste mich wieder zu Miles hin. Der nahm meine Hand in seine und wies mich an den Rucksack wieder aufzuheben. Schnell schulterte ich ihn und ließ mich dann von Miles mitziehen.
Mehrere Kilometer wanderten wir von der Natur weg. Unser Ziel kannte ich zu Beginn noch nicht. Dann erklärte Miles mir den Plan meines Onkels. Die Tatsache, dass mich mein Onkel mithilfe eines gefälschten gerichtlichen Beschluss aus der Institution heraus holen konnte, war von Miles geplant worden. Scheinbar kannte er meinen Onkel noch aus seiner Vergangenheit und, bevor wir uns zum Silbernen Turm aufgemacht hatten, hatte er sich mit ihm in Verbindung gesetzt. So wusste er von Anfang an Bescheid und hatte somit die Möglichekeit einen Rettungsplan zu gestalten.
Miles und ich wurden aus den Fängen des Präsidenten und der Wächter entrissen und nun würden wir uns auf den Weg ins Unbekannte machen. Meinem Onkel war wohl bewusst, dass wir hier in unserer Stadt nicht mehr sicher waren. Unsere einzige Möglichkeit war es zu fliehen. Wir würden über die Grenze treten und die Welt entdecken.
Irgendwann kamen wir genau dort an. Eine gewisse Angst beschlich mich. Was würde uns dort draußen erwarten? Wir konnten es nicht wissen.
Aber gleichzeitig war das auch das Aufregende an der gesamten Sache. Gleich würden wir das Paradies verlassen und uns in die Hölle wagen.
Lächelnd wannte ich mich zu meinem Begleiter um. Auch er ginste mich an. Dann trat er ein Schritt auf mich zu. Seine Hände schlossen sich um mein Gesicht und ich verlor mich in seinen Augen.
"Bereit die Welt mit mir zu entdecken?"
"Aber immer doch, mein Retter."
Dann schloss ich die kleine Lücke zwischen uns und küsste ihn. Es war der Neubeginn meines Leben und ich würde jede Sekunde mit ihm verbringen können.
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Paradise
Science FictionWie sieht das Paradies aus? Ich kann es euch sagen. Im Paradies gibt es genau fünf Regeln. Brichts du eine davon, dann verschwindest du aus unseren Reihen. Diese Regeln machen das Paradies aus. Sie machen es perfekt. Kein Ort der Welt ist so wie uns...