Prolog

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"Ich kann das nicht tun."
"Du musst aber.", sagte die weiße Stute einfühlsam und senkte den Kopf, um auf gleicher Höhe wie der junge Hengst zu sein, der seinen Kopf enttäuscht hängen ließ.
"Aber du wirst dabei sterben!", rief er vorwurfsvoll während er den Kopf wieder nach oben riss. In seinem Blick lagen Schmerz und Angst.
"Ich weiß.", ihre Stimme war klar und ruhig, "aber das werde ich so oder so. Die Frage ist nur, wie viele noch ihr Leben lassen müssen."

Der braune Hengst seufzte.
"Selbst wenn ich es tun wollte... ich wäre nicht dazu in der Lage..."
"Nein, du kannst das. Ich habe gesehen was du geleistet hast, zu was du im Stande bist. Du bist mächtiger als du vielleicht denkst."
Sie sprach so sanft und beruhigend. Der junge Hengst bewunderte sie dafür. Sie hatte alles verloren, ihr Königreich stand in Flammen und die einzigeste Hoffnung, die es gab, war ihr Tod.

"Aber...", ein lautes Krachen schnitt ihm das Wort ab. Das Schloss über ihnen würde den angreifenden Armeen nicht mehr lange standhalten und dann wären die unterirdischen Gänge, in denen sie sich versteckt hatten, nicht mehr sicher. Sie hatten nicht mehr viel Zeit.

"Du musst es jetzt tun.", drängte ihn die Stute vorsichtig.
"Es muss einen anderen Weg geben...", suchte er erneut nach einem Ausweg.
"Wir haben lange genug darüber gesprochen. Es ist die einzige Möglichkeit."
Der junge Hengst wimmerte kurz.
"Aber ich kann dich nicht auch noch verlieren. Nicht nach allem was passiert ist!", seine Stimme überschlug sich fast.
Sie konnte ihn gut verstehen. Er hatte gesehen wie viele sterben mussten.

Viele Freunde. Und seine Familie.
"Es geht hier nicht um mich oder um dich. Es geht um alle. Alle die, die da draußen sind und kämpfen.", ihre Stimme klang kein bisschen vorwurfsvoll, "und es liegt an dir, sie alle zu retten." 
Er nickte traurig und blickte die Stute noch einmal voll ehrlichem Mitleid an, bevor er seine Augen schloss.

Behutsam sagte er die alten Worte vor sich her. Er hatte sie so verinnerlicht, wie als wären sie schon immer ein Teil von ihm gewesen.
Nun schloss auch die Stute ihre Augen und senkte den Kopf. Ihr strahlend weißes Fell war stellenweise von rotem Blut gefärbt. Blut, das nicht nur ihr gehörte. Erinnerungen an die letzten Stunden blitzten in ihrem Kopf auf. Bilder die sie bis in die Ewigkeit verfolgen würden.
Ihr Atem zitterte und ihr Fell stellte sich auf. Er musste es schaffen. Bald. Sie konnte über seinem Wispern die Schreie der Pferde hören, die das Schloss mit ihrem Leben verteidigten.

Mit jedem Tod wurden sie schwächer. Genauso wie der Hengst, der bereits fühlte wie die Kraft langsam aus seinem Körper wich. Der Zauber forderte seinen Tribut.
Er musste stark bleiben.

Die letzten Worte hallten durch die Stille und er öffnete die Augen. Die Königin stand vor ihm und blickte ihm tief in die Augen.
"Danke.", hauchte sie mit einem leichten Nicken.
Dann begann sich ihr Fell in blauem Licht aufzulösen. Ihr Blick wurde leer, während ihr ganzer Körper in diesem Leuchten zu verschwinden schien.
Als nur noch ein Schleier aus gleißend blauem Licht von ihr übrig geblieben war, zog der Stein, der zwischen ihnen lag, in einem Bruchteil von Sekunden alles in sich ein. Zurück blieb nur die Dunkelheit...

Nyria - Kriegerin der Garde Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt