Kapitel 21

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Nyria ging um den zerstörten Brunnen herum und dann direkt auf den Lichtpunkt zu. Dabei wurde ihr schmerzlich bewusst, dass es ihrem Bein noch immer nicht besser ging. Die Wunde hatte zwar aufgehört zu bluten und war verkrustet, aber ihr Körper sehnte sich nach Ruhe. Doch Nyria konnte es sich zur Zeit schlicht und ergreifend nicht leisten, sich Sorgen darum zu machen, oder sogar auszuruhen. Also kniff Nyria die Augen zusammen und schüttelte den Kopf, um die Gedanken an den Schmerz zu beseitigen.

Nun stand sie direkt vor dem Fleck aus Licht, der so fremd und falsch in dieser unfreundlichen Umgebung wirkte.
Vorsichtig streckte sie den Kopf nach vorne, bis der Lichtpunkt vom Boden verschwand und auf ihren Nüstern auftauchte. Langsam wärmte er ihre Haut und in Nyria breitete sich eine starke Sehnsucht aus. Eine Sehnsucht nach den Wäldern, in denen sie früher gelebt hatte. Dort war immer irgendwo die Sonne durch das Blätterdach hindurchgedrungen und...

"Du hast Licht gefunden?", fragte Naur verständnislos.
Nyria zuckte zusammen und riss den Kopf nach oben.
"Erschreck mich nicht so! Und ja, das ist Licht. Aber im Gegensatz zu dir habe ich vielleicht einen Weg hier raus gefunden...", erklärte sie leicht aufgebracht, da er sie so unsanft aus ihren Gedanken geholt hatte. Aber Naur ignorierte ihr Ärgernis einfach:
"Wie soll uns ein Lichtpunkt den Weg aus diesem Wald zeigen?"
"Da hinten auf dem Brunnen ist auch so ein Lichtpunkt. Und jetzt schau mal ganz genau hin.", sagte sie triumphierend und nickte in die Dunkelheit.
Naurs Blick richtete sich in die Ferne, bis er ihn entdeckte. Einen weiteren Lichtpunkt.

"Und du glaubst wirklich, das die uns hier raus führen?", fragte er nun mit vollem Ernst.
"Wir haben nichts zu verlieren. Einen besseren Weg kennen wir nicht."
"Gut. Dann folgen wir dem Licht." Und mit diesen Worten bewegte sich Naur entschlossen in die Richtung des nächsten Lichtpunkts.
Die junge Stute atmete noch einmal tief durch und folgte ihm dann. Hoffentlich irrte sie sich nicht. Vielleicht führten diese Punkte auch nur ins Nichts oder waren sogar eine Falle.

Als sie dann direkt unter dem nächsten Lichtpunkt standen, konnten sie wieder in circa 10 Pferdelängen Entfernung den nächsten Sonnenstrahl sehen. Würde er nur ein wenig weiter entfernt auf den Boden treffen, würde die Dunkelheit ihn komplett verschlucken. Also folgten die Beiden den Lichtpunkten immer weiter und weiter. Die Zeit verging und es fühlte sich für Nyria an, als würden sie nur im Kreis laufen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit des umherirrens blieb Nyria einfach stehen. Sie seufzte und drehte den Kopf um ihre Wunde zu betrachten. Langsam machte ihr die Anstrengung wirklich zu schaffen.
"Es tut mir leid... ich glaube ich habe mich geirrt. Dieses Licht sagt uns rein gar nichts...", räumte sie enttäuscht und müde ein.
"Sag das nicht. Die Idee war gut und außerdem haben wir keine bessere Möglichkeit, wie du gesagt hast. Außer du ziehst es vor dich hier hinzulegen und dich von den Wölfen fressen zu lassen.", der Ernst in seiner Stimme erschreckte sie.
"Nein, ich habe nicht vor hier zu sterben! Ich denke das es vielleicht nur sinnvoller wäre immer geradeaus zu gehen, dann kommen wir wahrscheinlich eher an den Rand des Waldes, als wenn wir immer diesem Zickzack folgen."
"Ich bin..."  Weiter kam er nicht, da es ihm inmitten seines Satzes die Sprache verschlug.

Mit weit aufgerissenen Augen blickte er in die Dunkelheit hinter Nyria. Und dann konnte sie sehen, wie sich in seinen Augen 4 Paar rote Punkte spiegelten.
"Renn." sagte er monoton und gab ihr einen leichten stoß mit der Schulter. Nyria drehte ihren Kopf in sekundenschnelle und folgte seinem Blick, während sie sich in Bewegung setzte. Nun kamen die Wölfe im Laufschritt auf sie zu. Nyria trabte an. Ein stechender Schmerz zog durch ihr Bein, doch sie ignorierte es so gut es ging. Dann galoppierten beide Pferde an. Die Wölfe steigerten ebenfalls ihr Tempo.

In Nyria stieg die Panik hoch. Sie würde mit ihrer Wunde nicht schnell genug sein. Sie würde zurückfallen und dann... Trotzdem rannte sie, so schnell sie konnte und steuerte irgendwo in den Wald. Aber Naur folgte ihr nicht. Er bog in die Richtung ab, die die Lichtpunkte ihnen wiesen.
"Nyria! Folge dem Licht!" schrie er ihr hinterher. Sie blickte erst unsicher zu ihm und folgte ihm dann kurzentschlossen. Durch den Richtungswechsel verlor sie zwar einiges an Vorsprung, doch sie vertraute ihm. 

Nyria - Kriegerin der Garde Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt