Kapitel 12

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Nyria hetzte durch die engen Gassen der Stadt. Sie mied die größeren Straßen auf denen sich viele Pferde tummelten, um Essen zu kaufen oder um einfach nur aus ihren stickigen Häusern zukommen. Große Pferdemengen waren Nyria nicht sehr geheuer. Es brauchte nur ein Pferd um alle anzustacheln, aufzuhetzen gegen einen einzelnen Streuner.

Sie hatte das schon einmal erlebt. Ein Hengst mit einem krüppeligen Bein hatte auf einem der Marktplätze das Gleichgewicht verloren und war hingefallen. Er hatte den Kaufmann nur ganz leicht gestreift, aber er war so aggressiv gewesen... alle haben ihm geholfen.
Der Streuner ist nie wieder aufgestanden.

Nyria rann bei dem Gedanken daran ein Schauer über den Rücken. Sie kannte viel zu viele solcher Geschichten. Und jede einzelne lastete wie ein Stein auf ihrem Herzen.
Aber seit sie Ilano hatte, war es besser geworden. Er trug die Last ihres Lebens als Streuner mir ihr. Und dafür war sie ihm so unendlich dankbar, dass sie es nicht in Worte fassen konnte.

Sie wollten heute weitertrainieren, da Nyria in den letzen Wochen schon einige Vortschritte gemacht hatte. Ilano war ein guter Lehrer. Er hatte viel Geduld mit ihr, dennoch kamen sie schnell voran. Er hatte ihr alle Disziplinen der Prüfung schon einmal gezeigt, jetzt musste sie nur noch alle beherrschen. Nur. Es war schwerer als Nyria es sich vorgestellt hatte, dennoch hatte sie keine Zweifel an ihrem Plan. Sie und Ilano hatten es oft genug durchdacht und die Schwachstellen ausgemerzt. Es musste einfach funktionieren.

Da entdeckte sie ihn endlich. Ilano stand am Rand einer großen Straße und blickte abwesend auf die Pferde vor ihm, die sich zwischen den Ständen tummelten. Nyria atmete tief durch und hielt zügig trabend auf die Menge zu. Dann duckte sich. Geschickt tauchte sie unter Pferden hindurch und wich Hufen aus. Sie hatte genug Übung darin, anderen auszuweichen. Dennoch schlug ihr Herz unangenehm schnell. Es blieb trotzdem gefährlich.

Jetzt stand sie direkt vor Ilano. Er hatte die Wachen wie immer abgeschüttelt, keiner sollte die beiden zusammen sehen.
"Na komm!", forderte sie ihn auf und lief vorraus in eine kleine Gasse. Dann drehte sie sich lachend zu ihm um.
"Und was trainieren wir heute? Vielleicht Weitlauf? Oder wieder Nahkampf? Oh, lass uns bitte Nahkampf üben... Ilano?" Irgendwas war anders. ER war anders. Er lachte weder, noch schaute er ihr in die Augen.
"Verschwinde.", sagte er schließlich monoton.
"Was? Was ist denn?" Nyria wurde unsicher.
Jetzt schaute Ilano ihr direkt in die Augen. Mit einem Blick, der ihr das Mark in den Knochen gefrieren ließ. Einem Blick, der vor Verachtung zu tropfen schien.
"Ich sagte verschwinde, du elender Streuner! Was denkst du dir eigentlich mit dem Prinzen zu sprechen?! Ich könnte dich dafür Hinrichten lassen... also verschwinde lieber, bevor ich es mir anders überlege!"
Die Worte sickerten erst langsam in Nyrias Verstand. Mit jeder Sekunde die verstrich, taten sie mehr weh. Ihre ganze Welt brach in diesem einen Moment zusammen.
"Aber..." Ihre Stimme versagte. Sie war den Tränen nahe, aber sie durfte jetzt nicht weinen. Nicht vor ihm.
"Ich hab gesagt VERSCHWINDE!!! Ich will dich NIE wieder in meinem GANZEN LEBEN sehen!!! Hast du das VERSTANDEN!?!"
Sie zuckte zusammen und machte einen zögernden Schritt zurück. Ilano ging daraufhin entschlossen einen drängenden Schritt auf sie zu.

Das gab ihr den Rest.
Mit einem schmerzvollen Schluchzen drehte sie sich um und rannte so schnell sie konnte davon...

Nyria - Kriegerin der Garde Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt