Kapitel 13

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"Ha! Was bildest du dir eigentlich ein?! Sieh dich doch mal an! Du bist eine der dreckigsten Streuner, die unser schönes Königreich verschmutzten!" Seine Stimme triefte vor Spott.
Aber Nyria hatte nichts anderes erwartet, sie war darauf vorbereitet. Es war klar gewesen, dass er sich über ihr aussehen lustig machen würde.

Immerhin war sie selbst für einen Bay Roan nicht gerade einfarbig. Aber im Gegensatz zu den eintönigen Fellen der oberen Schichten wirkte sie erst recht wie ein bunter Hund. Angehörige der Königsfamilie waren die einzigsten reinen Rappen und Schimmel die es gab. Fürsten und hoch gestellte Krieger, wie Hauptmänner oder ehrenvolle Krieger, hatten braunes oder fuchsfarbenes Fell. Händler und Wohlhabende hatten fast alle Farben mit kleinen Abzeichen. Abzeichen "verunreinigten" das Fell, weshalb nur die unteren Schichten diese trugen. Unter den Bauern waren fast alle Farben mit größeren Abzeichen vertreten. Schecken und Roans waren den Streunern "vorbehalten". Aber es gab auch so gut wie alle anderen Farben. Denn Streuner waren alle die, die als solcher geboren wurden, oder die, die aus einer höheren Schicht abstiegen, da sie Wunden hatten, die nicht mehr heilten. Die oberen Schichten nannten diese aus Spott "Krüppel".

Nyria gehörte zu Ersterem. Ihre Eltern waren Streuner wie sie gewesen. Und das war auch schon das einzigste was sie von ihnen wusste. Sie hatten sie im Stich gelassen, da sie sich nicht um ihr eigenes Fohlen kümmern konnten. Sie hatten sich wahrscheinlich nicht einmal um sich selber kümmern können. Nyria hatte Glück gehabt, dass sie es geschafft hatte.
Wie auch immer sie das getan hatte.

Auf jeden Fall sah man ihr an, dass sie ein geborener Streuner war. Die stichelhaare auf ihrem Braunen Fell bildeten ein fleckiges Muster, auf der Stirn hatte sie einen kleinen Stern und am rechten Hinterbein ein fesselhohes Abzeichen.

"Ihr wisst es und ich weiß es, dass ich teilnehmen kann, egal wie ich aussehe.", Nyria versuchte ruhig zu bleiben. Sich aufzuregen würde es nur schlimmer machen.
"ICH weiß, dass es bald unangenehm für dich wird, wenn du nicht sofort VERSCHWINDEST!", knurrte er.
"In den Schriften steht, dass ALLE, und damit auch Streuner, an der Ausbildung zum Krieger teilnehmen dürfen. Und genau das werde ich tun."
"Wenn noch so ein unverschämtes Wort aus deinem dreckigen Mund kommt, wirst du diesen Ort nicht mehr lebendig verlassen. Hast du das verstanden?"

Seine Stimme war gefährlich leise geworden. Ein normaler Streuner wäre spätestens jetzt gegangen. Aber Nyria war fest entschlossen das hier durchzuziehen. Sie hatte zu lange darauf hingearbeitet. Es war genau wie damals ihre einzige Hoffnung, aus ihrem Leben als Streuner zu entkommen.
"Ich habe das Amulett. Das Amulett des Prinzen. Ich denke es wird alle sehr interessieren, dass er es einer dreckigen Streunerin geschenkt hat."

Plötzlich wurden die Augen des Hauptmanns groß. Er wusste davon. Doch er fasste sich sofort wieder.
"Das ich nicht lache! Das ist wirklich interessant! Du glaubst ernsthaft, dass ich dir das abkaufe?! Der Prinz und eine erbärmliche Streunerin! Haha! Und selbst wenn, dass würde dir sowieso niemand glauben. Vor allem wenn du nicht mehr lebst, um es jemandem mitzuteilen."
"Ich weiß, dass ihr es wisst. Ihr wisst, dass er es mit geschenkt hat. Und selbst wenn es nicht jeder glaubt, es säht missvertrauen unter dem Volk. Mein Tod würde dies nur bekräftigen. Denn falls ihr mich wirklich tötet, wird jemand anderes es allen zeigen, dafür habe ich gesorgt!"
Nyrias Stimme strotze vor Selbstvertrauen. Hoffentlich merkte er nicht, dass sie bluffte.

Sie hatte den Plan hunderte male durchdacht.
Sie hatte das Amulett.
Doch Nyria hatte nie einen richtigen Freund gehabt, dem sie diese Aufgabe hätte anvertrauen können. Da war nur so ein kleines nerviges Streunerkind, das ihr öfter mal nachlief... nicht abschweifen! Sie musste sich konzentrieren. Wenn sie jetzt nur einen Fehler machte, wäre alles umsonst gewesen.

Der Hauptmann kniff nun die Augen zusammen und musterte Nyria.
"Wenn ihr mich an der Ausbildung teilnehmen lasst, wird nie jemand von dem Amulett erfahren.", sagte sie.
"Mmhhh... Wegen mir. Du darfst teilnehmen, aber dafür will ich das Amulett."
"Nein. Ich weiß das ihr mich tötet sobald ihr es habt. Ihr müsst euch wohl auf mein Wort verlassen. "
"Nun gut. Mir bleibt wohl nichts anders übrig." sagte er grimmig und funkelte Nyria an.
Aber ihr war das egal.

Sie hatte es geschafft!
Sie würde an der Ausbildung teilnehmen.

"Besiegel es mit Blut."
Nyria nickte und nahm das Messer, das auf dem kleinen Tisch lag, zwischen die Zähne. Vorsichtig schnitt sie sich ins Bein und ließ ein paar Tropfen Blut auf ein Stück Pergament fallen. Dort glänzten bereits einige andere rote Flecken. Die Pferde die zuvor ihre Teilnahme besiegelt hatten.
"Und nun geh durch diese Tür. Warte dort auf die erste Prüfung."

Nyria - Kriegerin der Garde Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt