Kapitel 15

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Langsam sickerte der modrige Geruch von totem Laub in Nyrias Verstand. Und damit auch die Errinnerungen an diesen Herbsttag. Sie spürte plötzlich wieder die eisige Kälte des Wassers, die sich quälend langsam in Richtung ihres Herzens schlich und wie sich die Panik in ihr ausbreitete. Ihre Muskeln verspannten sich und sie öffnete ruckartig die Augen.

Die Wirklichkeit sickerte zu ihr durch und sie realisierte wo sie war. Sie lag in einem Wald, inmitten 47 anderer Pferde, die gerade genauso wie sie aufwachten und keine Ahnung hatten, wo sie waren. Nyria versuchte aufzustehen, aber ihre Beine zitterten erst heftig und gaben dann ganz nach, wodurch sie wieder unsanft auf der harten Erde landete. Sie musste mit irgendetwas betäubt worden sein, aber es würde bestimmt nicht mehr lange anhalten.

Also schaute sie sich um, außer den anderen Pferden war nichts und niemand zu sehen. In diesem Wald war Nyria noch nie gewesen.

Die Rinde der mächtigen und gleichzeitig bedrohlich wirkenden Bäume, war fast pechschwarz, wodurch diese mehr tot als lebendig wirkten. Unterholz war fast gar nicht vorhanden, einzig und allein ein paar ausgedörrte Büsche zierten den ausgelaugten, schwarzen Boden. Nur die braunen Blätter an den Pflanzen zeugten davon, dass hier einstellen leben geherrscht hatte. Und doch zog diese Umgebung Nyria in ihren Bann. Sie war faszinierend, beinahe magisch. Und obwohl alles düster und trostlos wirkte, gab ihr irgendetwas das Gefühl, dass das Herz des Waldes noch nicht stehen geblieben war.

Die ersten Pferde standen nun wackelig auf ihren Beinen, also versuchte Nyria sich erneut aufzurappeln und blieb diesmal auch auf ihren vier Hufen stehen. Eine Flut von Fragen ging ihr durch den Kopf.
Was sollten sie hier?
Was war die Aufgabe?
Sollten sie zur Burg zurückfinden? Das würde nicht leicht werden. Durch das braune Laub der Bäume konnte man die Sonne nicht sehen, um die Richtung zu bestimmen, und durch die Dunkelheit konnte man nur maximal 10 Pferdelängen weit sehen. Sie mussten sich also irgendwie anders orientieren.

Nyria suchte den Wald noch einmal mit den Augen ab, aber es gab nichts außergewöhnliches, das eine Richtung vorgegeben hätte. Mittlerweile standen auch die Letzten wieder sicher auf den Beinen.

Plötzlich entdeckte Nyria zwei seltsame rote Punkte in einem Busch.  Vorsichtig machte sie ein paar zogerliche Schritte darauf zu.
Was war das?
Noch ein paar weitere Schritte... sie konnte sich nicht erklären, was es war, aber es war auf jeden Fall nicht normal.
Vielleicht war es der Hinweis?
Die machte noch ein paar Schritte und stand nun eine halbe Pferdelänge vor dem Gestrüpp.

Ein seltsamer Geruch hing hier in der Luft. Nach verwestem Fleisch und... nach Wolf.
Nyria zuckte zusammen, jeder ihrer Muskeln war gespannt. Das waren keine Punkte, das waren Augen! Der seltsame Wolf hatte sich gegen den Wind versteckt.

Panik ergriff Nyria. Sie machte kehrt und galoppierte los. Hinter ihr raschelte das Gestrüpp. Sie rannte so schnell sie konnte an den anderen Pferde vorbei.
"Rennt!!!", war alles was sie im Sprint hervorbrachte.
Nur weg.
In die Dunkelheit des Waldes, in der vielleicht noch mehr Wölfe lauerten... Hinter sich hörte Nyria nur noch das grauenvolle Geräusch von reißendem Fleisch und ein qualvoll verzerrtes Wiehern. 

Nyria - Kriegerin der Garde Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt