Kapitel 33

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Es war bereits der vierte Tag an dem wieder die selbe Glocke erklang, die ebenfalls die Nachruhe eingeläutete, und die Rekruten am Morgen weckte.
Gähnend streckte sich Nyria und stand anschließend langsam auf. Naur tat es ihr gleich und sie machten sich gemeinsam auf den Weg zum Speisesaal.
Nach dem Essen verabschiedeten sie sich voneinander und Nyria machte sich auf den Weg in die Bibliothek. Doch bevor sie überhaupt auf dem Innenhof des Gebäudekomplexes angekommen war, kam ein brauner Krieger auf sie zugetrabt.
"Nyria?", fragte er. Sie nickte und er fuhr fort.
"Serr Kojan bittet euch noch einmal die Krankenstation aufzusuchen."
"Natürlich.", antwortete Nyria und drehte wieder um. Ein wenig später an diesem Tag auf Scar Sayero zu treffen machte ihr keine großen Probleme. Außerdem freute sie sich auf Scar Kojan. Denn obwohl er doch recht seltsam war, wirkte er doch sympathisch auf Nyria.

Und so betrat sie das alte Haus und folgte dem Flur bis zu dem Krankenzimmer, in dem sie das erste mal schon behandelt wurde.
"Hallo.", begrüßte sie den alten Hengst, als sie den Raum betrat.
Er drehte sich ruckartig zu ihr um und schnaubte aufgebracht.
"Du kannst einen alten Hengst wie mich doch nicht so erschrecken! Aber nun gut... setz dich."
Daraufhin drehte er sich wieder um und sammelte seine Sachen zusammen.

Nyria setzte sich auf die Metallplatte und schaute Serr Kojan dabei zu, wie er sich ihrer Wunde zuwendete und vorsichtig ein kleines Rohr unter die Fäden führte. Dann ließ er wieder die selbe Flüssigkeit wie das letzte mal durch ihre Wunde fließen, um sie sauber zu spülen. Dieses mal war Nyria darauf vorbereitet und zuckte nicht mehr zusammen.

"Du bist ruhiger geworden. Hast den Schock vom Wald überwunden, hm?!", krächzte der Braune ohne den Blick von der Wunde zu nehmen. Die Stute legte den Kopf schräg und schaute ihn fragend an. Ohne sie überhaupt anzusehen, holte er zu einer Erklärung aus.
"Der Wald. Die Schattenwölfe. Die Toten. Blablabla... Du weißt ja was ich meine. Das setzt allen immer zu. Danach sind sie fahrig und ängstlich. Aber das legt sich meistens nach ein paar Tagen. Bei dir merkt man das alles auch... wenn auch nicht so stark."

Er spülte ihre Wunde weiter und schmierte ebenfalls noch einen unangenehm in den Nüstern stechenden Balsam auf die Naht.
"Ich denke die sollte helfen... habs noch nie ausprobiert, aber sie riecht schlimm, also muss es ja gut sein.", er schaute sie lächelnd an und zuckte mit den Schultern. Manchmal hatte er wirklich nicht alle Blätter am Baum.

"Kann ich euch etwas fragen?"
"Was immer du willst, Kindchen."
"Wisst ihr wie Scar Sayero verletzt wurde."
Serr Kojan zog scharf die Luft ein.
"So Was kannst du doch nicht fragen! Das ist sehr kompliziert... und sehr unhöflich sind dir.", warf er ihr vor. "Das tut auf jeden Fall nichts zur Sache. Wenn er unfreundlich ist. Also damit hat das nichts zu tun. Er hat... Er hat einfach viel erlebt. Guter Krieger. Ja. Wirklich hervorragende Kampfkunst."

Nyria kniff die Augen zusammen. Sie hatte das Gefühl das Scar Kojan etwas wusste, doch sie akzeptierte es das er es für sich behalten wollte. Nachzufragen hätte sowieso keinen Sinn. Also bedankte Nyria sich und begab sich nun endlich auf den Weg zur Bibliothek. Allerdings nahm sie nicht den Weg über den großen Platz, da dort das Kampftraining stattfand und sie keinen Wert darauf legte Ilano über den Weg zu laufen, der dort manchmal den Unterricht beaufsichtigte. Stattdessen lief sie durch den langen Flur, der durch alle Gebäude führte. Naur hatte ihr erzählt, das es ihnen wohl erlaubt war, hier herumzulaufen. Zu dieser Zeit war der Gang allerdings komplett leer, da alle mit dem Unterricht beschäftigt waren.

Doch als Nyria an einer der Türen vorbeiging schnappte sie einen leisen Gesprächsfetzen auf, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.
"...Sayero wird uns helfen ihn zu töten..."
Was!? Nyria blieb ruckartig stehen. Ihre Muskeln spannten sich an. Sie blickte zu der Türe hinter der sich den Stimmen zufolge nach zwei Hengste unterhielten.

"Ha! Wie soll uns dieser Krüppel denn helfen.", erwiderte der andere Hengst.
"Er ist bei der Versammlung anwesend.", antwortete der Erste.
"Wirklich?", der Zweite Klang überrascht, "weshalb laden sie einen Krüppel zur Versammlung?"
"Weil er mittlerweile ein Meister des Wissens ist du Laubkopf. Seit der Sache mit seinem Bein treibt er sich doch sonst nirgends mehr rum, als zwischen seinen Büchern."
"Mhh.", war das einzigeste was der andere dazu zu sagen hatte.
Nyria blickte von der Türe zum Gang und wieder zurück. Sie sollte wirklich zur Bibliothek. Was auch immer die zwei da redeten, sie zu belauschen würde ihr bestimmt nichts Gutes einbringen. Außerdem gingen sie die Angelegenheiten Sayeros nichts an. Doch wenn sie es richtig verstanden hatte, plante er einen Mord... Nein. Sie musste weiter. Also machte Nyria ein paar Schritte nach vorne. Allerdings war es vielleicht interessant zu wissen, was Scar Sayero vorhatte. Seinen Feinden immer einem Schritt voraus zu sein, hatte ihr Als Streuner oftmals geholfen. Und auch wenn Sayero nicht ihr Feind war, so konnte er sie dennoch offenkundig nicht leiden. Und was wusste Nyria schon, wie sich das entwickeln könnte, wenn er vielleicht sogar zu einem Mord fähig war. Wenn es stimmte was sie beiden Hengste sagten. Vielleicht konnte sie das, was sie hier erfahren würde als eine Art letzte Absicherung nehmen. Also atmete Nyria einmal zitternd tief durch und schlich leise in Richtung der Tür.

Zu ihren Glück stand die Türe einen Spalt weit offen, wodurch sie die beiden auch hatte hören können. Nyria streckte den Kopf so tief nach unten wie sie konnte. Wenn sie so tief durch den Spalt sah, war die Wahrscheinlichkeit, dass sie entdeckt wurde geringer, weil niemand so tief damit rechnete. Das war eines der Dinge, die sie während ihrer Kindheit auf der Straße gelernt hatte. Nie auffallen und nie erwischt werden waren das A und O gewesen...

Nun schob sie sich langsam nach vorne, bis sie durch den Spalt auf die zwei Pferde blicken konnte.
Ein stattlicher dunkelfuchs mit zwei Halbhohen Anzeichen an den Hinterbeinen stand mit dem Rücken zu ihr. Er sprach mit einem etwas kleineren recht hellen Falben mit einer Laterne und vier halbhohen Abzeichen an den Beinen.
"Auf jeden Fall.", fuhr der Dunkelfuchs fort, "Wenn er auf der Versammlung ist, wird er den Kopf des obersten Wächters mit einem Pfeil durchbohren."
"Haha! Das ist perfekt!", sein dreckiges Lachen ließ Nyria eine Gänsehaut bekommen. Das war überhaupt nicht gut. Der oberste Wächter war einer der Leiter der Garde und somit einer der wichtigsten Pferde im Königreich.
"Genau. Und sobald er Tod ist, wird unser Meister zum neuen Obersten Wächter ernannt und - "
"Und dann vollenden wir unseren Plan!", sein dreckiges Lachen hallte durch den ganzen Raum bis hinaus in den Gang und Nyria stockte der Atem. Wie konnte Scar Sayero so etwas nur unterstützen?
"Sei doch still!", zischte der Fuchs den Falben an und blickte prüfend zur Tür. Erschrocken zog Nyria ruckartig ihren Kopf zurück und ging so langsam sie konnte einige Schritte zurück, um ja kein Geräsch mit ihren Hufen zu erzeugen. Sie kniff die Augen zusammen und hielt den Atem an, denn hinter der Türe konnte sie wenige Schritte hören die sich kurz der Türe näherten und dann stehen blieben.
"Du sollst nicht so rumschreien! Es soll ja nicht jeder von unserem Plan erfahren...", sagte der Fuchs so leise, das Nyria es gerade so verstand. Sie atmete erleichtert auf und machte sich leise davon. Auf den Weg zu Sayeros Unterricht. Aber eine Sache war Nyria klar: Sie musste das was sie gehört hatte vergessen. Was auch immer ihr Plan war, wenn er den Mord am obersten Wächter beinhaltete, musste es sich um etwas großes handeln. Und wenn Nyria keine Schwierigkeiten wollte, musste sie sich da raus halten. Sie musste jetzt darauf achten, dass die nicht erfuhren, was die Stute wusste. Vor allem nicht Scar Sayero.

Nyria - Kriegerin der Garde Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt