Kapitel 53

198 27 8
                                    

In fleisigem Tempo setzte Nyria einen Huf vor den Anderen. Außer den dumpfen Geräuschen die sie auf dem trockenen Erdboden hinterließen, war fast nichts zu hören. Nur hin und wieder durchbrach das Zirpen einer Grille die Ruhe, die dem aufgehenden Mond entgegenrief. Das lange grüne Gras streifte sanft an Nyrias Beinen entlang. Wie gerne würde sie anhalten und etwas essen. Doch auch wenn ihre Muskeln langsam müde wurden, und jeder Schritt ein klein wenig schwerer war als der vorherige, musste sie weiter. Immer weiter, einen schmalen Trampelpfand entlang, der sie über eine weite Wiese führte. Der sanfte Wind wehte durch ihre Mähne und ließ einzelne Haarsträhnen vorsichtig tanzen. Die Luft war angenehm kühl, gefüllt mit einem sommerlichen Geruch. Die letzten Strahlen der Sonne erloschen hinter dem Horizont, und mit ihrem Verschwinden erschienen die ersten Sterne am lila-blauen Himmel. Es war ein wunderschöner Abend, der zum anhalten lockte, den Moment zu genießen und Erholung zu finden.

Nur das unruhige Herz der Stute durchbrach diese Harmonie. Mit einem Mal wurde die Luft heißer, ein heller orangener Punkt erleuchtete die Grashalme in seiner Nähe. Leise knisterte das Feuer der Fackel, als Nyria daran vorbeitrabte. Kleine glühende Funken lösten sich von der Glut und stiegen wie Glühwürmchen in den Nachthimmel auf, bevor sie erloschen. 65. Nyria zählte die Fackeln um aufmerksam zu bleiben.
Die Stute atmete tief durch, als sie auf einen kleinen Hügel getrabt war, von dem aus sie schemenhaft einen Waldrand im Dunkeln erkennen konnte. Die nächste Fackel stand direkt davor und wies den Weg hinein. 66.

Unsicher begab Nyria sich zwischen die Bäume. Normalerweise fühlte sie sich in Wäldern wohl. Doch die Stute wusste, dass dieser Weg sie in den Toten Wald führen würde. Bevor sie diesen allerdings betrat würde sie schlafen müssen. Es war sowieso schon dunkel in diesem Wald, aber Nachts war er komplett schwarz. Außerdem war sie zu müde um noch weiter zu laufen, immerhin war sie nun schon den ganzen Tag auf den Beinen und lief die Strecke der Endprüfung. Mittlerweile hatten sich alle Pferde so weit verteilt, dass sie niemanden mehr sah. Sie war auf sich alleine gestellt. Bis jetzt war aber auch noch nichts weiter passiert. Der Weg hatte nur von Fort Mathar weggeführt und hielt nun auf den Toten Wald zu. In der Ferne konnte Nyria ein Feuer erkennen. Doch es war größer als eine Fackel. Als sie näher kam sah sie, dass es eine Feuerschale war. Daneben saßen zwei Hengste. Das Branzeichen im Fell der Krieger schimmerte im warmen Licht. Als einer der beiden sie bemerkte hob er den Kopf.
"Dein Name?"
"Nyria."
"Mhm.", machte er und schrieb kurz etwas auf ein Pergament, "du kannst weiter."
Nyria nickte und trabte weiter. Das war nun schon die zweite Zwischenstation gewesen. Sie schrieben die Namen der Auszubildenden nieder um sicher zu gehen, das alle die vorgegebene Strecke abliefen und nicht irgendwie abkürzten oder anders betrogen. Die nächsten Kriger warteten sicherlich im Toten Wald.

Die Stute schaute sich aufmerksam um, suchte nach einem geeigneten Platz zum schlafen, einen einigermaßen geschützten Ort, an dem sie sich in Ruhe niederlassen konnte. Doch im diesem Teil des Waldes gab es fast gar kein Unterholz. Keine Büsche, keine umgefallenen Bäume und keine Gräben. Also lief Nyria wohl oder übel noch ein Stück weiter, obwohl sich die Müdigkeit langsam tief in ihre Knochen bohrte. Bis der Wald endlich dichter wurde. Sie fand ein großes Gebüsch unter dem sie sich versteckte. Hier sollte sie einigermaßen geschützt sein. Ein herzhaftes Gähnen zog sich durch Nyrias Körper, bevor sie ihren Kopf erschöpft auf dem Boden ablegte und die Augen schloss. Ihr Herzschlag verlangsamte sich und die Muskeln entspannten such langsam. Mit einem tiefen Atemzug sog Nyria durch die Nüstern den wohligen Geruch des trockenen Laubes ein, das vor ihr lag.

Sie war schon fast eingeschlafen als ein Geräusch sie aus dem Halbschlaf riss. Erschrocken reckte sie den Kopf nach oben, versuchte mit weit aufgerissenen Augen krampfhaft etwas im Dunkeln zu erkennen. Sie drehte die Ohren hin und her, doch außer ihrem Herzen, das das Blut nun in rasendem Tempo durch ihre Adern schießen ließ, war nichts zu hören. Einmal tief durchatmen, um die Atmung wieder zu normalisieren und sich wieder zu beruhigen. Sie war einfach zu empfindlich. Als sie sich gerade mit einem Kopfschütteln wieder hinlegen wollte, drehte plötzlich der Wind. Mit einem mal zog sich ein unangenehmer Geruch nach verwestem Fleisch und Erbrochenem an Nyria vorbei. Sofort, ohne nur einen Moment zu überlegen oder zu warten, sprang die Stute panisch auf. Ohne ohne sich weiter umzusehen galoppierte sie halb blind drauflos. Ihre Muskeln brannten unter der plötzlichen Anstrengung, doch Nyria hatte nur eines im Kopf: Flucht.

Nyria - Kriegerin der Garde Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt