Kapitel 20

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Naur. Dieser Name hatte einen warmen Klang. Und irgendwie auch etwas Vertrautes.
"Ich heiße Nyria."
"Also Nyria," sagte er in ironisch feierlichem Ton, "würden sie mir die Ehre erweisen mich aus diesem unsäglichen Horrorwald zu begleiten?"
Nyria schnaubte belustigt. Quatschkopf. Sie hatte vor kurzem noch um ihr leben gekämpft und nun amüsierte sie sich mit diesem ihr eigentlich fremden Hengst. Es müsste sich falsch anfühlen, aber das tat es erstaunlicherweise nicht. Sie hatte keine Ahnung wieso, aber sie wusste, dass sie ihm vertrauen konnte. Irgendetwas tief in ihrem Verstand  sagte es ihr. Und das, obwohl sich die junge Stute sonst so schwer tat, Fremden zu vertrauen.

"Gut ok, Spaß bei Seite. Wir sollten wirklich langsam mal hier verschwinden.", nun war er wieder ernst, als hätte er ihre Gedanken gehört.
"Ja aber wie?", fragte Nyria entmutigt "wir irren nun schon die ganze Zeit hier herum und könnten genauso gut auch im Kreis gelaufen sein. Es gibt einfach keinen Anhaltspunkt an dem man sich orientieren könnte."
Naur nickte zustimmen, schien aber eher in seinen Gedanken verloren zu sein.

Nyria atmete tief durch und schaute sich um. Sie erwartete nicht irgendetwas hilfreiches zu entdecken, doch dann sah sie etwas. Ganz schwach könnte sie in der Dunkelheit die Ruinen eines Hauses entdecken.
"Hey Naur!" machte sie ihn auf sich aufmerksam und nickte in die Richtung der Ruine, als er sie ansah.
"Wer will denn bitte hier wohnen?", fragte er verwirrt.
"Das sind ja auch Ruinen. Lass uns hingehen."
Nyria hinkte voran und Naur folgte ihr. Sorgenvoll betrachtete er ihre Wunde, die mittlerweile zum Glück schon verkrustet war.

Als sie näher kamen kniff Nyria die Augen zusammen und versuchte angestrengt etwas in dieser Dunkelheit zu erkennen.
"Das ist nicht nur ein Haus... das war einmal ein ganzes Dorf!", stellte sie überrascht fest. Dann lief es ihr kalt den Rücken. Was war mit den Einwohnern passiert? Waren sie den Wölfen zum Opfer gefallen? Sie wollte sich eigentlich gar keine Gedanken darüber machen.

"Der Wald muss sich ausgebreitet haben." sagte Naur plötzlich. Als Nyria ihn verständnislos anschaute fügte er hinzu:
"Sie werden wohl nicht freiwillig in diesen Wald gezogen sein. Das heißt das der Wald früher noch nicht bis hier hin reichte oder noch gar nicht existierte."
Nyria nickte nur und wendete den Blick wieder den Häusern zu. Ob sie überrascht worden waren oder schon früher weggezogen waren, würde sie wohl nie erfahren.
Sie schüttelte sich.
Sie musste sich jetzt darauf konzentrieren, einen Weg aus diesem toten Wald zu finden. Sie suchte die einzelnen Häuser mit den Augen nach Auffälligkeiten ab. Aber Nichts hob sich vom Rest der verfallen Gebäude ab.

Naur war wohl genauso erfolgreich wie sie. Resigniert seufzte er und senkte den Kopf, während er mit dem Huf im Boden scharrte. Nyria blieb stehen und bemerkte erst jetzt, dass sie im Zentrum des ehemaligen Dorfes angekommen waren. Sie stand direkt vor einem zusammengefallen Brunnen, der die Mitte markierte.

Doch irgendwas ließ Nyria stutzig werden. Auf einem der alten, dreckigen Steine prangte ein heller Fleck. Sie machte einen Schritt darauf zu, doch er verschwand sofort. Erschrocken machte die Stute wieder einen Schritt zurück und der Punkt tauchte erneut auf. Nyria legte den Kopf schief und schaute zu den Ästen der riesigen Bäume hinauf. Ein kleines Loch im vertrockneten Blatterdach ließ einen schwachen Lichtstrahl durch, der direkt auf den Stein traf.

Misstrauisch richtete Nyria den Blick in die Dunkelheit hinter dem Brunnen. Dieser Wald ließ nirgends nur einen klein wenig Licht durch, außer hier. Direkt auf diesen Stein. Das musste doch etwas zu bedeuten haben...

Und dann stockte Nyria plötzlich der Atem. In der Ferne konnte sie einen zweiten Lichtstrahl sehen, der sich von den Schatten des restlichen Waldes abhob.

Nyria - Kriegerin der Garde Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt