Kapitel 29

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Ein unerwartetes Geräusch riss Nyria aus dem Schlaf. Sie hatte keine Ahnung wie lange sie schon geschlafen hatte, da es stockdunkel war. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit und sie konnte schemenhaft die anderen Pferde entdecken. Sie schliefen alle tief und fest. Natürlich.

Sie war wegen ihrer Fohlenheit als Streuner viel schreckhafter als Bauern oder Händler. Damals hatte jedes Geräusch ein wütendes Pferd oder hungriges Raubtier sein können, aber hier? Hier war sie sicher, hier geb es soetwas nicht. Trotzdem drehte sie aufmerksam ihre Ohren und horchte, nur um sicher zu gehen, in die Dunkelheit.

Nichts. Über sich selbst den Kopf schüttelnd legte sie sich wieder hin und schloss die Augen.
"Hey", ein leises flüstern kam von der Tür und Nyria öffnete erschrocken wieder ihre Augen. Sie hatte sich doch nicht geirrt. Langsam und so leise wie möglich richtete sie sich auf. In der Tür stand ein Pferd, stattlich gebaut, mehr konnte sie nicht erkennen. Der Mond schien von hinten auf den, der stimme nach zu urteilen, Hengst und hüllte ihn in einen seltsam Schein.

"Nyria!", sie zuckte zusammen. Die Stimme war immer noch ein flüstern, aber diesmal klang es drängender. Der Atem der anderen Pferde ging weiter regelmäßig. Sie bekamen nichts davon mit. Aber warum kannte er ihren Namen!? Wer war das? Und was wollte er ausgerechnet von ihr? Wieder durchzog ein leichtes Gefühl von Angst ihren Körper.
Sie war sich immer noch nicht sicher, ob die Pferde hier sie nicht doch töten wollten. Immerhin wusste hier niemand von ihrer Drohung mit Ilanos Amulett.

"Jetzt komm endlich!", zischte die Stimme.
Zögernd stellte sich Nyria auf ihre Hufe und lief vorsichtig zur Tür. Mit jedem Schritt, den sie dem Pferd näher kam wurde sie sich sicherer.
Der Hengst der dort in der Türe stand, das war Ilano.

"Was bei allen Bäumen auf der Erde willst du hier??", zischte Nyria.
"Komm raus, sonst wachen die anderen doch noch auf.", sagte er beschwichtigend.
Schnaubend folgte sie ihm hinter die Baracke.
"Also.", Nyrias stimme war nun lauter, aber immer noch gedämpft.
"Du musst verschwinden.", entgegnete er knapp.
"Bitte, was?", nun war sie aufgebracht. Er kam einfach so, nach vier Jahren, mitten in der Nacht zu ihr, um ihr zu sagen sie solle verschwinden? Was zum Teufel hatte ihm bitte das Hirn weggefressen??

"Du musst gehen solange du noch kannst. Ab morgen gilt es als desatieren. Und darauf steht die Todesstrafe."
"Das kannst du vergessen.", sagte sie trotzig.
"Nyria, denk doch mal nach! Du hast keine Chance diese Ausbildung zu überleben! Du beherrscht die Disziplinen nicht und außerdem hasst dich die Hälfte der Teilnehmer, wegen dem was du bist! Also wenn du nicht bei den Prüfungen stirbst, werden sie das erledigen! Sieh dir doch nur deine Wunde an. Du wärst bereits fast gestorben!" Nun klang er wirklich wütend.

Nyria hielt einen Moment inne. Sie musste erst mal realisieren, was Ilano da eigentlich von sich gab. Ihre verdammte Existenz hing von dieser Ausbildung ab. Sie würde ganz bestimmt nicht wieder als Streuner nach hause zurück kriechen.
"Ah ja... und was interessiert dich das eigentlich, hm!? Immerhin hast du mich vor vier Jahren verraten. Und mich jetzt hier raus zu zwingen, nur weil du glaubst das ich es eh nicht schaffen kann...! Sowas hätte ich nicht einmal von dir erwartet.", schnaubte sie voll Spott.
Ilano schüttelte verzweifelt den Kopf. Das schwache Licht der Lampen spiegelte sich in seinen Augen und für einen kurzen Moment meinte Nyria einen Hauch von Sorge darin zu entdecken. Aber das war natürlich Unsinn.

Er seufzte und sprach weiter:
"Wenn morgen die Ansprache gehalten wird, will ich dich hier nicht mehr sehen. Das Tor steht offen.", seine Stimme war nun wieder ruhig. Er schaute Nyria direkt an, die einfach nur sprachlos vor ihm stand. Dann drehte er sich um und ging einfach davon. Ohne ein weiteres Wort.

Die Stute schnaubte empört und begab sich wieder in Richtung ihres Schlafplatzes, während langsam erste Regentropfen auf den Boden fielen. 'Du wirst die Ausbildung nicht überleben', hatte er gesagt. Pah! Sie würde es ihm zeigen!

_ _ _

"Du erinnerst dich doch bestimmt an das, was ich dir vor vier Jahren gesagt habe.", sagte der Schimmelhengst leise und eindringlich.
Er beobachtete den strömenden Regen durch das Fenster, als Ilano den Raum betrat.

Ohne sich umzudrehen, den Blick weiter stur nach vorne gerichtet fuhr er mit fester Stimme fort:
"Sie ist deiner Aufmerksamkeit nicht würdig. Hast du das verstanden?"
Ilano senkte leicht den Kopf.
"Ja, Vater."

Nyria - Kriegerin der Garde Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt