Kapitel 68

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Zitternd sog Nyria die Luft ein. Obwohl sie atmen konnte fühlte es sich an, als würde sie ersticken. Die Stute starrte nach vorne auf das dunkle Gras, das sich unter dem schweren Regen nach unten bog. Sie wagte es nicht den Rappen anzusehen. Sie kniete direkt vor seinem ruhigen Körper. Und dennoch fühlte er sich so unglaublich weit weg an. Er... er...

Die Stute biss die Zähne zusammen. In einiger Entfernung konnte sie die Schreie der letzten Pferde hören, die diese Schlacht beendeten. Doch direkt um Nyria herum war es still. Das Einzige in ihrer Nähe war nur noch Blut und Tod. Sie war umgeben von den leblosen Körpern der Pferde, die in dieser Schlacht ihr Leben gelassen hatten. Die Gefallenen, die tapfer gekämpft hatten, aber nicht tapfer genug. Nyrias Blick blieb an einem jungen braunen Hengst hängen. Dunkel glänzte das Blut in seinem Fell. Mit schmerzhaft verzogenem Blick war er für die Ewigkeit versteinert. Noch immer hielt er krampfhaft sein Schwert zwischen den Zähnen, obwohl das Leben ihn schon lange verlassen hatte. Die Klinge war verbogen, zeugte von einem brutalen letzten Kampf, der der Hengst jedoch nicht unbedingt verloren haben musste. Direkt neben ihm lag ein zweiter, großer Fuchs mit dem Emblem Aarens auf der Rüstung. In seiner Flanke klaffte eine große, tödliche Wunde. Vielleicht hatte der Braune seinen Mörder selbst noch ermordet. Doch das was geschehen war, war nun für immer verschlossen, in den Erinnerungen der Toten. Nytia schnaubte müde, ihr durchnässtes Fell war eiskalt. Doch wenigstens wusch der Regen den eisernen Geruch des Blutes weg.

Vorsichtig legte Nyria ihren Kopf sanft auf Ilanos Hals ab. Sie spürte die letzte Wärme aus seinem Fell, fühlte wie sie immer schwächer wurde. Eine dunkle Leere breitete sich in Nyria aus. Sie hatte noch nie zusehen müssen wie jemand starb, der ihr etwas bedeutet hatte. Mit einem Schnauben kniff die Stute die Augen zusammen. All die Zeit hatte sie den Hengst gehasst. Sie hatte ihn so abgrundtief gehasst. Doch dass er hier her gekommen war, nur für sie... Er war für sie gestorben. Und was hatte sie getan? Nyria atmete tief ein. Schwach konnte sie Ilanos Geruch ausmachen, der langsam unter den Regentropfen verloren ging. Immer mehr von ihm begann zu verschwinden.

Nyria lag einfach da. Versunken in Gedanken und Erinnerung verlor die Stute völlig ihr zeitgefühl. Sie bewegte sich nicht, bis schließlich auch die letzten Pferde gefallen waren und sich eine tödliche Stille über die weite Grasebene legte. Nur noch das sanfte Rauschen des Regens erfüllte die Luft. Sie hatte noch nie gespürt wie es sich anfühlte jemanden zu verlieren. Dieses Gefühl war so... hilflos. Sie wusste nicht einmal ob sie trauern sollte oder wütend sein sollte auf diese Schlacht, auf das Leben oder auf sich selbst. Sie wusste es einfach nicht. Und so verging die Zeit und es wurde immer dunkler, bis die Sonne schließlich tief am Horizont stand und die Regenwolken dort zum leuchten brachte. Ausdruckslos starrte Nyria noch immer ins Nichts. Taub fühlte sie Ilanos kalten Körper an ihrer Kehle. Die letzten Regentropfen fielen von den Wolken auf die Erde und schließlich legte sich die Ruhe der Nacht über die weite Ebene. Müde beobachtete die Stute das Gras, das sich im sanften Wind bewegte wie die Mähne eines Pferdes. Währenddessen lauschte sie den Wellen in der Brandung, die plötzlich beruhigend rhythmisch wirkten.

Gerade als Nyrias Augen begannen vor Erschöpfung zuzufallen, sah sie plötzlich etwas Weißes in der Dunkelheit aufblitzen. Verwirrt blinzelte die Stute und drehte vorsichtig den Kopf zur Seite. Sie kniff die Augen zusammen, um noch etwas erkennen zu können. Im Licht der letzten Sonnenstrahlen glühte eine strahlend weiße Stute auf. Sie war ein paar Baumlängen entfernt und trabte leichtfüßig durch die leblosen Körper. Sie schwang den Kopf von links nach rechts und wieder zurück, ganz wie als würde sie unter den Toten jemanden suchen. Vielleicht suchte sie Überlebende. Vielleicht auch einen Angehörigen. Oder sie war nur eine Art Grabräuberin, so unbeschwert wie sie wirkte. Mit einem Schnauben wollte Nyria den Blick bereits wieder abwenden, als die Stute ihre Richtung änderte. Sofort fuhr es ihr kalt über den Rücken, als sie das blinde Auge der Stute sah. Nyria kannte sie. Pangari.

Nyria - Kriegerin der Garde Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt