Kapitel 40

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Die Glocke leutete und Nyria schlug die Augen auf. Die Pferde um sie herum begannen sich langsam aus dem Schlaf zu rekeln. Nyria gähnte. Als sie ihren Hals strecken wollte, schreckte sie mit einem stöhnen zurück. Ein dumpfer Schmerz durchzog ihren Körper. Nach dem Kampftraining der letzten Tage schmerzten viele Muskeln und ihr Körper war mit Prellungen übersäht. Aber immerhin machte sie Fortschritte. Gestern hatte sie es sogar geschafft einen der stärkeren Hengste zu besiegen. Denn langsam wusste sie, wie sie ihre Wendigkeit und Schnelligkeit einsetzten konnte um ihre fehlende Stärke wieder wett zu machen.
"Kommst du Nyria?", fragte Elana während sie sich zu der Stute umdrehte. Die anderen waren bereits im Begriff die Baracke zu verlassen.
Also quälte Nyria sich schnell hoch und folgte ihnen.
Als sie aus der Baracke traten standen sie einem Krieger gegenüber. Irgendetwas heute war anders als sonst.
"Versammelt euch auf dem Hauptplatz.", wies er kurz und nüchtern die Pferde an. Sie nickten und begaben sich an diesem kühlen und bewölkten Tag auf den eigentlich recht kleinen Platz in der Mitte der Burg. Auf dem Podest unter dem Balkon stand bereits wieder der Falbe, Sir Neras der der zweitoberste Verantwortliche für die Ausbildung der neuen Krieger war. Über ihn stand hier nur noch Sir Aslon. Der Grullo war der vom Rat entsandte Wächter, der die Ausbildung zu beaufsichtigen hatte.
"Stillgestanden!", rief der Falbe hart. Alle Pferde stellten sich sofort aufrecht hin und streckten den Kopf nach oben. Sie Meras blickte jeden einzelnen an.
"Beine schulterbreit auseinander!", korrigierte er den stand eines Hengstes.
"Kopf hoch und Ohren nach vorne!", dann eine Stute. Nach einigen weiteren stieg er ohne ein weiteres Wort von seinem Podest ab und verschwand im Gebäude.
Soweit Nyria es ohne den Kopf zu bewegen sehen konnten, war nun kein Krieger mehr anwesend. Auch wenn sie bezweifelte, dass sie nicht mehr beobachtet wurden, wunderte sie sich. Sie hatten keinen zweiten Befehl bekommen sich zu bewegen. Also mussten sie stehen bleiben. So lange, bis ihnen etwas anderes befohlen wurde.

Nach einiger Zeit tauchte dann kurz ein Krieger auf. Doch er bahnte sich nur eilig seinen Weg durch die in Reih und Glied aufgestellten Anwärter, ohne sie weiter zu beachten und verschwand durch das Tor zum anderen Platz.
Und so war es wieder still bis der Falbe erneut auftrat. Diesmal stand er allerdings auf dem Balkon. Er korrigierte erneut den Stand einiger Pferde und verschwand dann ebenfalls wieder, als ein anderes Pferd ihn auf dem Balkon ablöste. Er beobachtete sie und korrigierte laut alle Standfehler. Selbst wenn ein Pferd nur das Ohr nach hinten drehte, wurde es sofort hart zurechtgewiesen.

Es war bereits Mittag als die ersten Tropfen auf dem Boden landeten und dunkle Flecken auf dem Sand hinterließen. Es wurden immer mehr Und mehr, sodass es nicht lange dauerte bis es in Strömen zu regnen begann. Ein Pferd schaute sich um und bewegte sich leicht von der Stelle. Doch sofort wurde der Hengst zurechtgewiesen und er stand wieder still. Das Pferd auf dem Balkon stand im Gegensatz zu ihnen unter einem Dach und blieb so trocken. Nyria ertrug stumm, wie das Wasser ihren Rücken und ihr Gesicht hinabrann. Regen. Sie seufzte. Es war nicht im Ansatz so schlimm wie ein Fluss oder ein See. Aber es war immer noch Wasser.
Die Stute spürte wie ihr Herzschlag langsam aber sicher seinen Rhythmus beschleunigte. Sie versuchte dem mit tiefem Durchatmen entgegen zu wirken. Ruhig bleiben. Es war nur Regen... darin konnte sie nicht ertrinken. Es war unangenehm aber nicht gefährlich. Sie konzentrierte sich auf die kühle feuchte Luft, die in kontrollierten Abständen aus und ihre ihre Lungen strömte. Nyria schloss die Augen, versuchte verzweifelt zu ignorieren wie ihr komplettes Fell durchnässt wurde und die pitsch nasse Mähne wie eine Klette an ihrem Hals klebte. Langsam begannen ihre Beine zu Zittern. Doch Nyria war sich nicht sicher ob ihr nun nur kalt war, oder ob sich langsam die Panik aus ihrem Inneren einen Weg nach außen bahnte. Sie spannte alle ihre Muskeln an. Still stehen. Sie musste lernen Befehle auszuführen, selbst wenn das für sie bedeutete den Regen über sich ergehen zu lassen.

Es brachen bereits wieder einige Sonnenstrahlen sich die Wolkendecke und lösten den Regen langsam ab, als Sir Neras wieder aus dem Gebäude zu ihnen trat. Er richtete den Block nach oben, wie als wolle er sicher gehen das der Regen weit genug nachgelassen hatte um nach draußen zu gehen.
"Ihr könnt euch nun wieder bewegen.", erlöste er die Pferde. Mit eibem erleuchteten Seufzen lösten sich alle aus der starren Haltung, die sie nun fast einen ganzen Tag innehalten hatten müssen. Nyria schüttelte sich sofort ausgiebig, versuchte das Wasser energisch so weit weg von ihrem Körper wie möglich zu bekommen. Ihre nasse Mähne klatschte wie eine Peitsche gegen ihr Fell. Doch nun fühlte sie sich sofort wieder viel leichter.
"Im übrigen wird es morgen kein Kampftraining geben, sondern ein Extratraining. Um eure Muskeln zu trainieren werden wir morgen an den Fluss schwimmen gehen.", fuhr der Falbe fort.
Nyria zog ruckartig die Luft ein. Ihre Beine begannen zu zittern. Der Fluss. Sofort spürte sie wie da strömende Wasser an ihrem nassen Fell zerrte, hörte wie die dunkle Tiefe nach ihr schrie. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Und plötzlich wurde die Nässe in ihrem Fell unerträglich. Sie konnte morgen nicht schwimmen gehen, wenn sie... Nein. Tief durchatmen. Sie durfte nicht aufgeben. Sie würde einen Weg finden. Sie musste. Sie hatte keine andere Wahl. Wenn sie den Unterricht verweigerte würde sie von der Ausbildung ausgeschlossen werden. Ihr Puls beschleunigte sich. Panik machte sich in ihrem Körper breit. Sie versuchte sie runter zu schlucken. Ihr Atem ging zitternd.
"Hey, alles gut bei dir?", fragte Naur mit einem besorgten Blick.
"Äh was?", Nyria schreckte hoch und blickte ihn für einen Moment verwirrt an, bis sie realisierte, was sie der Dunkelfuchs gerade überhaupt gefragt hatte.
"Äh... jaja... Alles in bester Ordnung.", sie zwang sich zu einem Lächeln. Naur betrachtete sie misstrauisch.
"Wenn du meinst...?", sagte er und zog eine Augenbraue hoch.
Nyria wendete den Blick ab. Sie wollte nicht, dass er von ihrer Angst erfuhr. Das war ihr eigenes Problem, und nur ihres.

Diese Nacht machte Nyria kein Auge zu. Sie ging alles mögliche durch, wie sie das Schwimmen verhindern konnte. Doch ihr fiel einfach nichts ein, was ihr nicht irgendwelche Probleme einbringen würde. Und so wälzte sie sich von einer Seite auf die andere und versuchte sich zu beruhigen um endlich Schlaf zu finden. Nach einigen Stunden holte sie dann endlich die Erschöpfung ein, und ihr Geist wurde in eine unruhige Schwärze gehüllt.

Nyria - Kriegerin der Garde Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt