XXXXIV

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Harry :

Louis wunderschönes Gesicht erschien auf meinem Telefon und ich strahlte ihn an. Hey!. Hey Love, weißt du was? Lily hat mich daran erinnert, dass ich noch alle unsere Facetime-Videos habe, sagte er und ich spürte, dass mein Gesicht ganz heiß wurde. Alle?. Jep. Oh! Hast du sie dir angesehen?. Noch nicht. Das machst du doch nicht ohne mich, oder?. Warum nicht? Ich war ja sowieso unschuldig daran, ich konnte überhaupt nichts dafür!, behauptete er und grinste mich spitzbübisch an. Das stimmt doch gar nicht, Lou!. Doch! Ich gehe nichtsahnend auf Facetime und was sehe ich? Dich, splitternackt! Du hast mich ja quasi dazu gezwungen, mich auch auszuziehen!, rief er und ich lachte. Gezwungen? Ich habe noch nie in meinem Leben einen Menschen sich so schnell ausziehen sehen wie dich! Es hat zwei Sekunden gedauert!. Sein heiseres Lachen erfüllte mein Krankenzimmer. Zwei Sekunden?. Ja, wie gut, dass du das Beweisvideo hast. Jep.

Eine Krankenschwester kam herein und lächelte mich freundlich an. Mister Styles, ich muss ihnen Blut abnehmen, sagte sie und ich blickte Louis unbeeindruckt an. Lou, ich rufe dich zurück, sie wollen jetzt mein Blut auf HIV testen, sagte ich und er spielte sofort mit. Ach du Schande, dann kommt jetzt deine ganze Rumfickerei ans Tageslicht, was?. Jep. Keine Angst, Babe, wenn du es nicht hast, dann bekommst du es einfach von mir, denn ich bin ja auch schwul, sagte er und ich verhielt mir das Lachen. Okay, bis dann. Bis dann.

Ich legte mein Telefon auf den Nachttisch und sah die Krankenschwester an. So wie sie mich anstarrte, war ihr ganz und gar nicht zum Lachen zumute. Hören sie, ich mache hier nur meinen Job, sagte sie – und schon tat es mir wieder leid, dass Louis und ich sie so verarscht hatten. Sorry, sie können nichts dafür. Und dann kam auch noch Doktor Henry herein. Scheiße, nein!

Anna, ich bin hier, um ihnen zu zeigen, wie sie dem Patienten Blut abnehmen und sich dabei angemessen schützen, sagte er zur Krankenschwester. WHAT?! Ich war einfach nur schockiert. Und verdammt wütend! Wissen sie was? Nehmen sie mir einfach kein Blut ab, dann kann ihnen nichts passieren, ich bin sowieso nicht HIV positiv. Mister Styles, das ist ein Standardverfahren, sagte Doktor Henry streng – und mir reichte es endgültig! Dass der Herr Oberarzt mich auch noch für völlig blöd verkaufte, sorgte dafür, dass ich hier einfach nur noch weg wollte, und zwar sofort!

Spontan stand ich auf und öffnete den Kleiderschrank, um mich anzuziehen. Hat bei ihnen jeder Patient automatisch HIV, oder nur die schwulen? Von wegen Standardverfahren, sie sind einfach nur homophob!. Was machen sie denn da?. Ich gehe! In diesem hinterwäldlerischen Provinzkrankenhaus würde ich jetzt nicht mal mehr bleiben, wenn mein Leben davon abhängen würde!. Sie können nicht einfach gehen!. Fuchsteufelswild warf ich meine schwarzen Skinnyjeans auf den Nachttisch und stellte mich vor Doktor Henry, der augenblicklich vor mir zurückwich, damit ich ihn auch ja nicht berührte und ansteckte.

Ich gehe! Menschen wie sie sind der Grund dafür, dass ich mich nicht outen will! Ich wünsche ihnen einen schwulen Sohn!, schrie ich ihm ins Gesicht. Wortlos drehte er sich um und ging. Anna folgte ihm.

Arschloch!

Blitzschnell zog ich mich an – und dann nahm ich mein Telefon in meine zittrige Hand. Ich wollte Louis anrufen, damit er mich abholte. Und stellte fest, dass ich nach wie vor noch mit ihm facetimte.

Louis blickte mich aus meinem Telefon heraus todtraurig an, mit Tränen in den Augen.

Ich bin so stolz auf dich, Love. Du bist noch da?. Ja, ich habe alles gehört, ich hole dich ab.

Louis:

Mitzuerleben wie Harry diskriminiert wurde, wie er abgeurteilt wurde, brachte mich auf hundertachtzig! Aber es machte mir auch etwas klar: Wenn es in Tuscaloosa noch solche Menschen gab, dann gab es sie auch in Holyfield. Weshalb wir uns nicht outen durften. Never ever!

Ich schnappte mir meine Jacke und lief die Treppe nach unten. Absolut aufgewühlt stieg ich ins Auto, öffnete das Tor und raste auf die Straße. Während der Fahrt versuchte ich die Navigationsapp meines Handys zu programmieren, aber es gelang mir nicht. Also rief ich Harry einfach an, als ich Tuscaloosa erreichte.

Er sagte mir genau an, wie ich fahren musste und so gelang es mir, ihn relativ schnell zu finden. Harry klapperte mit den Zähnen als er einstieg. Ich drehte die Heizung hoch und fuhr vom Krankenhaus weg. Aber ich hielt nur einige Blocks entfernt wieder an. Lou, was ist los?, fragte mich Harry besorgt und ich drehte mich zu ihm. Wir werden uns nicht outen. Nie. Nicht heute oder morgen, niemals. Ich ertrage es nicht, wenn Leute schlecht von dir denken oder reden. Ich kann das nicht., sagte ich monoton. Sieh mir in die Augen, Lou. Ich hob meinen Blick und Harry legte seine Hand auf meine Wange. Ich überlasse es dir, mir ist es egal, ich kann damit leben. Solange ich mit dir zusammen bin, ist es mir egal. Nein, ich will nicht, dass es deine Stadt erfährt. Es ist jetzt auch deine Stadt. Ich schluckte und drückte meine Lippen auf seine.

Ich will nicht, dass es noch wer erfährt. Du hast es schon deinen Eltern gesagt, deinen Freunden, mehr kann ich im Moment nicht von dir verlangen. Mein Dad weiß es noch nicht. Willst du es ihm sagen? Nein, nicht jetzt. Okay.

Wir setzten die Fahrt fort und Harry wärmte sich langsam auf. Dort an der Ecke ist ein Starbucks, willst du Kaffee?, fragte er mich und deutete auf das mir wohlbekannte Logo. Kaffee klingt himmlisch., gab ich zu und hielt an. Während Harry in den Starbucks ging, stieg ich aus und zündete mir eine Zigarette an.

Ich hatte mit vielem gerechnet als ich ausgewandert war, aber nicht damit. Es machte mich traurig, dass es auf dieser Welt noch immer nötig war, dass Menschen sich selbst verleugneten. Wir hatten 2017, jeder sollte so leben dürfen wie er oder sie es wollte. Und warum war es in London leichter? Tuscaloosa war ebenso eine Stadt, wieso dachte man hier noch immer in Rastern? Plötzlich bekam ich Lust auf Elton Johns Musik. Er stand immerhin dazu, wer und was er war.

Plötzlich beschloss ich, dass ich gerne für die Holyfield Gazette schreiben wollte, aber zu meinen Bedingungen. Ich würde eine Kolumne schreiben. Über herausragende Persönlichkeiten. Unter anderem homosexuelle Persönlichkeiten. Ich zückte mein Telefon und begann eine Liste zu erstellen: Elton John, Freddie Mercury, Alexander der Große, Gianni Versace, Tschaikovsky, Achilles, Ian McKellen Mir fielen aber auf Anhieb nur Männer ein, also öffnete ich Google und suchte nach Frauen. Ellen DeGeneres war die erste, die aufschien und ich musste über mich selber lachen, denn ich liebte Ellen! Lindsay Lohan, Cara Delevingne und Miley Cyrus konnte ich zusammenfassen, Ellen Page kam auch auf meine Liste. Und Doogie Howser, jeder mochte Doogie! Neil Patrick Harris, Zachary Quinto, Jim Parsons und Matt Bomer fanden ebenfalls ihren Weg auf DIE Liste.

Warum grinst du so?, fragte Harry und riss mich aus meinen Gedanken. Ich will für die Gazette schreiben, aber ich bestimme die Themen. Und an welche denkst du? Ich zeigte ihm die Liste. Ist das dein Ernst? Ja, absolut! Aber ich werde die nicht alle hintereinander schreiben sondern immer wieder andere Menschen dazwischen einflechten. Die Idee gefällt mir. Kannst du mir eine vollständige Liste für sechsundzwanzig Ausgaben zusammenstellen und eine Beschreibung, wie du die Artikel aufbauen willst? Dann zeige ich es Amy und sie wird begeistert sein. Klar, kein Problem! Ich nahm meinen Kaffee entgegen und wir machten uns jetzt endgültig auf den Rückweg nach Holyfield.

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