Kapitel Dreizehn ~ Das Praktikum

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Es ist Montag.

Und als wäre das nicht schon schlimm genug, ist es halb sieben in der Früh. Meine Augen sind quasi noch zu, mein Gehirn funktioniert noch nicht, wie es soll und ich fühle mich, als wäre ein Truck über mich gefahren. Nicht nur, dass ich mich so fühle, ich sehe auch so aus.

Meine Augenringe ziehen mein komplettes Gesicht nach unten, wobei mein mies gelaunter Blick nicht gerade hilft.

Wie ein Zombie putze ich mir die Zähne, föhne meine Haare und trage das Minimum an Schminke auf, das ich hergeben kann.

Das Wochenende hat mich gerädert und das sieht man mir leider Gottes auch an.

Bailey hat mich erneut gebeten zur Hochzeit zu kommen und erneut habe ich verneint. Mir ist nicht danach, das Glück anderer anzusehen, wenn ich weiß, dass alles gelogen ist. Den Rest des Wochenendes habe ich in meinem Zimmer verbracht und mit keinem geredet; abgesehen von Mia.

Ihre Stimme zu hören, war das beruhigendste in den letzten Tagen. Von dem Vorfall Freitagabend habe ich ihr nichts erzählt, denn es hätte sie nur unnötig verrückt gemacht. Und auch ich selbst versuche nicht mehr daran zu denken, doch manchmal kommen die Bilder wieder hoch. Wie ekliger Schleim kleben sie in meinem Kopf.

Die Aufregung über meinen ersten Tag sorgt dafür, dass mein Hunger Abstand von mir nimmt und sich gar nicht erst blicken lässt. Deshalb sitze ich auch nur mit einem Glas Orangensaft am Tisch, starre auf die Uhr über der Tür und hoffe, dass heute nicht alles schiefgeht.

Noahs Aussage, dass ich seine Praktikantin sein soll, lässt mich unruhig und mit mulmigem Gefühl auf dem Stuhl herumzappeln. Für jeden anderen würde ich sofort die Praktikantin spielen, doch zwischen uns beiden liegt noch so viel Unausgesprochenes in der Luft, von dem ich nicht weiß, wann wir es klären sollten und ob ich das überhaupt will.

Bestimmt wird er mich schikanieren und das ist das letzte auf, was ich gerade Lust habe.

Seufzend nehme ich mir meine Tasche, meine Jacke und meine Autoschlüssel und sehe mich ein letztes Mal im Spiegel an. Diesmal habe ich darauf geachtet, dass alles was ich an meinem Körper trage, auch wirklich blickdicht ist. Nochmal gebe ich ihm nicht die Möglichkeit, sich über mich lustig zu machen.

„Ivory?" Papa kommt aus dem Wohnzimmer, sieht sich suchend um. Sein Kopf bleibt schließlich bei mir hängen. Mit einem Lächeln auf den Lippen kommt er auf mich zugelaufen, nimmt meine Hand und legt etwas hinein.

„Für deinen ersten Tag", sagt er mit milder Stimme. Ich schaue nach unten und öffne meine Hand. Auf meiner Handfläche blitzt ein kleiner Anhänger. Der Bär mit der Aufschrift „Glücksbringer" treibt mir Augenblicklich die Tränen in die Augen.

„Papa", sprachlos sehe ich ihn an. Da ich nicht weiß, was ich sagen soll, lege ich meine Arme um ihn und drücke ihn fest.

„Dankeschön", flüstere ich in sein Ohr. Diese kleinen Gesten zeigen mir immer wieder, was für ein Glück ich habe, dass er hier ist,- das er für mich da ist.

„Gerne Schatz. Du musst jetzt los." Mit gespielt mahnendem Blick, sieht er auf seine Armbanduhr und dann zu mir.

Ich nicke, kann mir ein leises Kichern nicht verkneifen und verabschiede mich mit einem Kuss auf seine Wange. Den kleinen Bären verstaue ich in meiner Jackentasche.

Die Fahrt zu meinem neuen, vorübergehenden, Arbeitsplatz vergeht leider schneller, als es mir lieb ist. Kaum dass ich zu Hause losgefahren bin, fahre ich auch schon vom Highway runter. Zumindest fühlt es sich so an, denn in Wahrheit habe ich durch den vielen Verkehr länger gebraucht als letztes Mal.

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