Kapitel Sechsundvierzig ~ Das Essen

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Trotz oder viel mehr wegen der Ereignisse der letzten Tage freue ich mich unglaublich auf das Essen mit Niklas. Nach dem letzten Vorfall mit Jerry konnte ich den beiden zum Glück aus dem Weg gehen. Zwar habe ich versucht mit Josy zu reden, doch sie lässt keine Unterhaltung zu, sondern zieht sich immer mehr zurück. Ich will sie nicht in ihr Unglück rennen lassen, doch ich weiß, dass sie sich nichts von mir sagen lässt. Und auf Jerrys Angebot werde ich nicht eingehen. Das kann ich nicht, nicht mal für meine kleine Schwester.

Ein letztes Mal kämme ich meine Haare durch, die jetzt glatt über meine Schulter fallen. Vielleicht ist es makaber, dass ich ausgerechnet Noahs Kleid heute trage, aber da in meinem Schrank nichts anderes ausgehtaugliches existiert, bleibt mir keine andere Wahl. Bei dem Gedanken an Noah verzieht sich mein zufriedenes Lächeln in ein trauriges. Zwei Wochen hat er jetzt nichts von sich hören lassen. Natürlich kann ich verstehen, wenn er seine Zeit braucht, doch er lässt mich im Regen stehen und das Unwissen treibt mich noch in den Wahnsinn.

„Wo willst du denn hin?", Mama beäugt mich mit einem Schmunzeln auf dem Gesicht. Ich ziehe meine Jacke über das Kleid und lege einen Schal um meinen Hals. „Ich gehe mit einem guten Freund essen", beantworte ich ihre Frage. Mama nickt verstehend, sieht an mir herunter und dann wieder in mein Gesicht. „Noah?", der Name verursacht ein Stechen in meiner Brust, schon bevor sie ihn richtig ausgesprochen hat.

Verneinend schüttle ich den Kopf. „Mit Dr. Phillis", vielleicht ist es nicht die beste Entscheidung ihr das zu sagen, doch ihre Reaktion fällt nicht so aus, wie ich es erwartet hatte. Sie zieht überrascht eine Augenbraue nach oben und nippt an ihrer Tasse.

„Er scheint mir sehr nett."

Ich will noch etwas sagen, doch da werde ich schon von dem Klingeln unterbrochen. Sofort beginnt mein Herz zu rasen. Mit einer Umarmung verabschiede ich mich von Mama und teile ihr mit, das sie sich melden soll, falls es ein Problem gibt.

An der Tür steht bereits Niklas und wartet auf mich. Im Gegensatz zu Noah damals, sieht er nicht auf sein Handy, sondern schaut direkt zu mir. Ich sollte die beiden nicht vergleichen.

„Hallo", Niklas drückt mir zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange. Lächelnd Grüße ich ihn zurück. „Du siehst atemberaubend aus. Ich meine ... Wow", er sieht mit geweiteten Augen an mir herunter. Mir fällt auf das er sich rasiert hat, der drei Tage Bart stand ihm eigentlich ganz gut. „Danke..", unbeholfen schaue ich auf den Boden. „Du auch", füge ich mit rotem Kopf hinzu. Niklas trägt eine Jeans, ein Hemd und ein schwarzes Jackett. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass das was er trägt, wirklich warm hält, aber ich glaube auch nicht, dass es ihm darauf ankam, als er es ausgesucht hat.

Glücklicherweise hat er den Motor laufen lassen, sodass es angenehm warm ist, als ich einsteige.

Während der Fahrt unterhalten wir uns über vieles, das meiste belanglos. Ich erzähle ihm davon, dass ich hier aufgewachsen bin, wir reden über mein Studium und nur wenig über meine Familie. Dafür erzählt er mir viel von seiner. Er hat vier Schwestern, ist der einzige Junge und beide seine Eltern sind hoch angesehene Anwälte.

„Ich will nicht, dass du jetzt wieder rot wirst", beginnt er nach einem Moment, in dem wir beide schweigen, mit einem Lächeln im Gesicht. „Aber du solltest deine Haare viel öfter offen tragen. Das sieht sehr gut aus", Niklas schaut kurz zu mir rüber und lächelt. Dabei fällt mir das kleine Grübchen an seinem Kinn auf. „Danke", ich muss unwohl auflachen und zupfe an meinem Kleid.

Niklas ist wirklich nett und zuvorkommend. Als wir vor dem Restaurant angekommen sind, öffnet er mir die Tür und hält mir seine Hand hin.

Mein Blick streift durch die doch relativ volle Straße und bleibt an einer Person hängen. Ich kann meinen Blick nicht abwenden, denn ich glaube, dass es Noah ist. Durch den Schein der Straßenlampe kann ich nichts Genaues erkennen.

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