Kapitel Fünfundzwanzig ~ Spaghetti und Wein

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Um fünf vor acht stehe ich vor dem Spiegel in unserem Flur und fahre den Lippenstift nach. Auszusuchen was ich anziehe, war nicht schwer zu entscheiden. Ich habe das Kleid genommen, dass ich sowieso bezahlen musste, dank meiner unüberlegten betrunkenen Aktion vom letzten Wochenende. Ich kann mich noch genau an Stephanies Blick erinnern, als ich in den Laden kam, das Kleid natürlich nicht dabei und mit beschämter Miene mitteilte, dass ich gerne den Rest bezahlen würde. Wobei das gerne dabei die größte Lüge war.

Zufrieden streiche ich das schwarze Kleid noch einmal glatt. Ich kann nur hoffen, dass ich nicht zu overdressed bin. Wenn Noah mit mir in eine Pommesbude fährt, wovon ich nicht ausgehe, dann Ernte ich garantiert alle Blicke.

„Wo willst du denn hin?" Papa lehnt sich an die Wand, mit einer Hand hält er seinen Gehstock fest. Dieser lässt ihn zwanzig Jahre älter wirken als er eigentlich ist. Es ist unfair, dass er diese Hilfe braucht. „Ich bin zum Essen verabredet", antworte ich lächelnd. Er runzelt die Stirn, sieht an mir herunter. „Stimmt was nicht?", frage ich unsicher und beiße mir auf die Lippe.

„Nein, nein", er schüttelt den Kopf. Seine Haare sind länger geworden, ein paar graue haben sich eingeschlichen. „Du siehst wunderschön aus." Ich lächle schüchtern. Papa war schon immer ein Charmeur, hat Mama erzählt. Unrecht hat sie damit nicht.

„Darf ich fragen, wer der glückliche ist?" Ich ziehe meine ebenfalls schwarze Jacke und meinen Schal über. Schönes Kleid hin oder her draußen ist es viel zu kalt als das ich ohne gehen würde.

„Noah", antworte ich. „Es geht allerdings nur um meinen Arbeitsvertrag", hänge ich schnell hinten dran. „Glückwunsch!", in Papas Augen liegt aufrichtige Freude. Mich bedankend nehme ich die kleine Handtasche und hänge sie über meine Schulter.

Gerade als ich mich zum Gehen wende, ruft Papa noch einmal meinen Namen. Nur so leise, dass ich ihn gerade so noch hören kann. „Tu nichts, was du nicht für richtig hältst."

Einen Moment lang mustere ich nur sein Gesicht. Er wirkt besorgt, als müsste er mich vor irgendetwas beschützen. „Werde ich", versichere ich nickend.

Noah hat sein Auto am Straßenrand geparkt. Durch die Dunkelheit erkenne ich ihn nur dank der Scheinwerfer, die das Licht direkt auf ihn werfen. Ausnahmsweise regnet es mal nicht. Er begrüßt mich mit einer Umarmung, die mir zu nah erscheint, jetzt wo ich nicht weiß, was wir sind oder was er denken könnte das wir sind. Kaum das ich in sein Auto steige, kommt mir sofort der Geruch von Neuwagen gemischt mit seinem Parfüm entgegen.

Wir fahren still auf dem Highway, raus aus Gotsburgh. In der Nacht oder viel mehr, wenn es dunkel ist, liebe ich es Auto zu fahren und noch mehr liebe ich es als Beifahrer im Auto zu sitzen und meinen Blick über die vielen Lichter gleiten zu lassen. Für diesen Moment scheint alles so vergänglich wie die Lichter die an uns vorbeiziehen. Ein Augenschlag und alles sieht ganz anders aus. Der Himmel ist klar, gibt einen freien Blick auf die Tausend Sterne am Himmel.

Mir entfährt ein zufriedenes und glückliches seufzen. Für diesen Moment will ich nicht darüber nachdenken, was noch alles kommt. Ich will nur die Sterne ansehen und ihre Schönheit bestaunen.

„Sie sind wunderschön", bestätigt Noah mit einem kurzen Blick zu mir. Seine Hand ruht auf dem Schaltknüppel. Für einen kurzen Moment sehe ich sein Seitenprofil an. Das markante Kinn, die hohen Wangenknochen und die spitzen Lippen, die sich langsam zu einem Lächeln verziehen. Seine Augen huschen kurz zu mir. Vor Schreck drehe ich meinen Kopf wieder dem Fenster zu. Röte steigt mir ins Gesicht, weil ich genau weiß, dass Noah mein kurzes starren bemerkt hat. „Wenn ich könnte würde ich dich auch anstarren", bemerkt er. Dabei wirkt er, als würde er es wirklich ernst meinen und nicht sarkastisch. Leicht lachend schüttle ich den Kopf, das wirkt so surreal und unmöglich.

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