„Hallo Violett", skeptisch beobachte ich, wie die rothaarige sich mir gegenüber setzt. Die Cafeteria ist um die Mittagszeit zwar brechend voll, aber sie hätte auch noch andere Sitzmöglichkeiten finden können. „Hey", grüßt Sie zurück. Sie kann nicht wirklich glauben, dass zwischen uns wieder alles in Ordnung ist. „Und wie läuft es mit Mr. Charming?", fragt sie und wackelt mit den Augenbrauen. Schnaubend steche ich meine Gabel in den Salat und würdige sie keines Blickes.
Ich bin immer noch sauer auf sie und das kann sie ruhig merken. Sie ist der Grund dafür, dass meine Arbeitskollegen mich mit vielsagenden Blicken anschauen und hinter meinem Rücken tuscheln.
„Ivory?", Violett schaut mich fragend an. „Willst du wirklich so tun, als wäre alles in Ordnung?", keife ich zurück. Sie wirkt ehrlich über meine Reaktion überrascht.
„Was ist denn mit dir los?" ihr verständnisloses Gesicht spricht dafür, dass sie keine Ahnung hat. Und es nervt mich unwahrscheinlich ihr das jetzt noch erklären zu müssen.
„Weil du damals erzählt hast, ich hätte etwas mit Noah, denken alle ich hätte den Job nur bekommen, weil ich mit ihm schlafe", blaffe ich wütend und verschränke die Arme vor der Brust. Mein Appetit ist mir für heute vergangen.
„Ach so das", ihre Mundwinkel zucken belustigt. „Das war doch nur Spaß", sie zuckt mit den Schultern, als wäre es tatsächlich nur ein Spaß gewesen.
Sprachlos öffne ich den Mund. „Für mich war es das nicht."
„Hör mal, Ivory. Ich habe mir dabei nichts gedacht und wenn es dir Probleme bereitet hat, tut mir das ehrlich leid."
Ich weiß nicht, ob ich ihr glauben kann, denn jedes Mal, wenn wir uns über den Weg laufen habe ich ein komisches Gefühl, was sie betrifft. Wir hätten wirklich gute Freunde werden können, wenn sie nicht so einen Mist gebaut hätte.
„Ich muss jetzt sowieso los", antworte ich kühl und stehe auf. Im Nachhinein tut es jedem leid, das ist doch immer so.
Am Nachmittag kann ich früher Feierabend machen, denn Kyle hat mich auf einen Kaffee eingeladen. Eigentlich wollte er Eis essen, aber niemand, der ganz bei Verstand ist, isst im November noch Eis. Zumindest, wenn diese Person keinen Liebeskummer hat. Es wäre sowieso nicht Ideals Wetter für Eis, denn draußen stürmt es. Weil ich mit Noah hergekommen bin, verspricht er mich von der Arbeit abzuholen.
„Kommst du heute Abend wieder zu mir?", fragt Noah und zieht mich an den Armen zu sich ran. Er legt seine Arme um meine Taille und ich bin ihm so nah, das meine Nase fast sein Schlüsselbein berührt. Der Duft seines Parfüms lässt mein Herz schneller schlagen. Ich mag es sehr.
„Natürlich", verspreche ich nickend. Vorher werde ich Papa noch besuchen, das habe ich ihm versprochen.
Ein Lächeln zeichnet sich auf seinen Lippen ab. „Okay. Sei um acht da, dann essen wir zusammen", er drückt mir einen flüchtigen Kuss auf den Mund und lässt mich wieder los. Ich vermisse seine Nähe augenblicklich, sage, aber nichts, sondern ziehe mir Jacke und Schal über.
Es ist schon komisch, dass ich fast schon bei Noah wohne, wir aber nie festgelegt haben, was wir jetzt eigentlich sind. Niemand von uns hat das bis jetzt angesprochen, noch nie hat er mich als seine Freundin bezeichnet und auch sonst ist das Wort „Paar" nicht gefallen. Vielleicht braucht er diese Bestätigung auch gar nicht und denkt, dass wir sind, was auch immer wir sind. Ich hingegen könnte ein bisschen Klarheit gut gebrauchen.
An der Rezeption kann ich Kyle schon sehen. Er rauft sich frustriert die Haare. „Hör mal", er beugt sich vor um Nadines Namensschild besser sehen zu können. „Nadine, ich will doch nur eine Freundin abholen."
Er seufzt, doch wie Nadine ist, schüttelt sie den Kopf. „Wenn sie jetzt nicht gehen, rufe ich die Security", warnt sie ihn mit einem Blick zu der Security am Eingang. Ich kann Nadine verstehen, denn bis auch Angestellte dürfen nur Kunden und Menschen mit einem Termin hier rein.
„Schon okay, Nadine", lache ich und klopfe Kyle auf die Schulter. Der wirkt erleichtert und kaut auf seinem Lippenpiercing rum. „Die wollte mich einfach nicht reinlassen", erklärt er und wirft die Hände in die Höhe. Lachend erkläre ich ihm, warum sie das nicht darf und gehe mit ihm nach draußen. Aus den Augenwinkeln kann ich sehen, wie die Security Männer am Eingang ihn beobachten.
„Was ist das für eine schnöde Firma?", fragend sieht er zu mir. „Das hat doch nichts mit schnöde zu tun", kontere ich. „Und ob", um seinen Worten mehr Aussagekraft zu verleihen, nickt er mit dem Kopf. „Schnöde Firma und schnödes Outfit", er deutet auf meinen knielangen schwarzen Rock. „Hey", meckere ich empört, woraufhin er grinst. Abgesehen davon, dass ich im Büro nun mal keine Jogginghose anziehen kann, war das mein letzter Rock. Ich muss unbedingt meine Kleidung waschen, doch bei Noah habe ich noch keine Waschmaschine gesehen. Keine Ahnung, ob er einen endlosen Vorrat an Anzügen und Jeans hat. Das sind so ziemlich die einzigen Sachen, die er trägt.
Anstatt uns an dem kleinen Stand vor der Firma einen Kaffee zu holen, schlägt Kyle vor in ein Café zu gehen. Ich stimme nickend zu, denn alles ist besser als ziellos durch die Kälte zu laufen. Vor allem da ich nicht warm angezogen bin.
„Das hier sieht gut aus", er hält sein Auto vor einem Café außerhalb der Stadt.
„Niedlich", kommentiere ich die Einrichtung als wir das Café betreten. Alles ist in Pastellfarben gehalten, die Stühle und Tische haben etwas, dass an die Sechziger erinnert. Kyle hätte ich eher zugetraut, dass er in eine Bar oder Kneipe fährt.
Die Bedienung kommt ziemlich schnell zu uns gelaufen und begrüßt uns mit einem überschwänglichen Lächeln. Ich sehe zu Kyle, der von ihr begeistert zu sein scheint.
„Was darf ich euch bringen?", fragt sie, dabei schaut sie mehr zu Kyle als zu mir. „Ich hätte gerne einen Pfefferminztee und einen Blaubeermuffin", lasse ich sie wissen, doch sie antwortet nur mit einem „Aha."
„Ich nehme einen Kaffee und deine Telefonnummer", ich bin nicht überrascht über Kyles Flirt versuch. „Okay", kichernd dreht sie sich um und geht davon. Dabei bin ich der Meinung, dass sie überschwänglich mit dem Hintern wackelt.
„Sie hat mir gar nicht richtig zugehört", maule ich beleidigt und sehe Kyle an. Der lacht auf und lehnt sich zu mir vor.
Es ist lustig anzusehen, wie die Frauen ihm zu Füßen liegen. Sie würden wahrscheinlich alles für ihn machen und das ohne mit der Wimper zu zucken.
„Aber sie ist süß", er schaut über seine Schulter zu unserer Bedienung, die hinter dem Tresen steht und unsere Getränke macht. Sie schaut ebenfalls zu ihm und läuft direkt rot an.
„Ivory!", ertönt plötzlich eine überraschte und gleichzeitig erfreute stimme hinter mir. Ich drehe mich um, um zu sehen, wer nach mir gerufen hat und erstarre augenblicklich. Jane kommt auf mich zu gelaufen und beugt sich zu mir runter um mich zu begrüßen. Dabei liegt eine Hand auf ihrem Babybauch. Der scheint seit ihrer Hochzeit mächtig gewachsen zu sein.
„Hey Jane", Grüße ich zurück. Ich hoffe, dass Bailey nicht bei ihr ist, doch meine Hoffnung zerplatzt wie eine Seifenblase, als er hinter ihr auftaucht. Sein Blick ist starr, irgendwie leer.
„Wie gehts dir? Was machst du so? Wir haben uns ja ewig nicht gesehen!", beginnt sie zu reden. Kyle sieht mir belustigt zu. „Hast du was dagegen?", sie deutet auf den Stuhl neben mir. Bevor ich etwas sagen kann, setzt sie sich hin und weist Bailey an, das Gleiche zu tun. Er schüttelt Kyle die Hand ehe er sich hinsetzt und ausdruckslos seine Frau ansieht, die begeistert zu sein scheint.
„Nun erzähl schon", drängt sie und stupst mich in die Seite. Ich reiße meine Augen von Bailey und sehe sie an.
Komischerweise empfinde ich nichts dabei. Die Tatsache, die mich vor Monaten hat, verrückt werden lassen, ist mir plötzlich völlig egal. Jane wirkt so glücklich und auch wenn er es gerade nicht zeigt, bin ich mir sicher Bailey ist genauso glücklich.
Ich glaube, ich habe mit ihm abgeschlossen.
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Blue Jeans
Teen FictionIvory und Noah waren beste Freunde. Nichts konnte die beiden trennen, zumindest dachte Ivory das, bis Noah eines Tages aus heiterem Himmel den Kontakt zu ihr abbricht. Jahrelang herrscht Funkstille zwischen den ehemals besten Freunden. Erst als Ivor...