Zehn Minuten hat er mit mir über die Tatsache diskutiert, dass ich nicht einfach so von hier fort fahren kann. Wir beide haben einen Job, dem wir nachgehen müssen und andere Verpflichtungen. Zudem war ich noch immer sauer, weil er sich Tage lang nicht gemeldet hat. Jetzt, zwanzig Minuten nachdem er mich in meine Wohnung gejagt hat, um eine Tasche zu packen, sitzen wir zusammen in seinem Auto und fahren irgendwo ins nirgendwo.
Wo wir hinfahren wollte er mir nicht sagen und um ehrlich zu sein, ist mir das auch egal. Vielleicht tut es uns beiden mal gut abzuschalten und uns einfach nur Zeit für den jeweils anderen zu nehmen.
„Noah?", schon halb im Schlaf drehe ich meinen Kopf in seine Richtung. Ich bin müde und wir fahren schon fast drei Stunden, weshalb ich nur noch mit Bemühungen reden kann. Er brummt ein „Hm?" sieht kurz zu mir rüber und dann wieder auf die Fahrbahn vor sich.
Nachdenklich sehe ich auf die Radioanzeige, weil ich nicht weiß, ob ich die Frage wirklich stellen soll, die mich schon die ganze Zeit über beschäftigt. Letztendlich habe ich keine andere Wahl, wenn ich ruhe vor mir selbst haben will. „Als wir bei Scarlett waren", setze ich an, woraufhin er sich sofort merklich anspannt. „Da hast du zu ihr gesagt, ich wäre deine Freundin." Meine Stimme ist nur noch ein Flüstern, was wahrscheinlich daran liegt, das mir diese Unterhaltung unangenehm ist, auch wenn ich sie selbst ins Rollen bringe.
„Warum?" Ich sehe aus dem Fenster, um Noahs Blick auszuweichen, der seinen Kopf direkt in meine Richtung gedreht hat. „Ich ... äh", aus dem Augenwinkel kann ich sehen, dass er sich unwohl an den Nacken fasst. „Sie hätte mir sonst nicht geglaubt und dich nicht in die Wohnung gelassen", antwortet er dann. Ich nicke verstehend und beobachte die Autos auf der anderen Fahrbahn. Enttäuschung verbreitet sich wie Zement in meinen Adern, obwohl ich mir seine Antwort hätte denken können.
Am nächsten Tag werde ich in einem Bett wach, von dem ich keine Ahnung habe, wie ich dort hingekommen bin. Verschlafen sehe ich mich im Raum um. Es ist schön hier, erinnert mich an die Ferienwohnung, in der ich mit meiner Familie gewohnt habe während unseres Thailand Urlaubs. Alles ist aus relativ dunklem Holz, einzig die meist weiße Deko bringt etwas Licht herein. Der Platz neben mir ist leer, sieht, aber definitiv aus als hätte dort jemand geschlafen.
Noahs Worte von letzter Nacht liegen mir noch immer im Magen, was nichts daran ändert, das dieser laut knurrt. Als ich die Bettdecke wegschlage, sehe ich an mir herunter und muss mit verblüffen feststellen, dass ich nur noch meine Unterwäsche trage. Ein Blick auf den Stuhl gegenüber verrät mir, dass Noah meine Kleidung ordentlich gefaltet dort hingelegt hat. Er hat sie dir wohl auch ausgezogen, fügt meine innere Stimme skeptisch hinzu.
„Guten Morgen", Noah kommt, ohne zu klopfen in das Zimmer. Vor Schreck schlage ich schnell die Decke wieder zu, woraufhin er stehen bleibt und anfängt zu lachen. „Schon gut. Vor mir brauch dir das nicht unangenehm zu sein", er setzt sich auf seine Seite des Bettes und greift nach seinem Handy, das auf dem Nachttisch liegt. „Ich weiß", gebe ich zu. Es ist nicht, sodass es mir peinlich ist, nicht vor Noah, es war einfach nur der Schreck. Deshalb stehe ich auf, greife nach der Tasche, die vor dem Stuhl liegt und krame meine Zahnbürste raus.
„Wo ist das Badezimmer?", ich drehe mich wieder zu Noah, der mich ansieht, aber nicht auf meine Frage antwortet. Skeptisch ziehe ich eine Augenbraue nach oben und als sich auch nach weiteren zehn Sekunden nichts tut, winke ich mit meiner Hand vor seinem Gesicht. „Noah. Das Badezimmer, wo ist das?"
Verdutzt sieht er mir in die Augen, bevor er mit dem Kopf schüttelt und in Richtung der Zimmertür zeigt. „Äh.. Raus und die Tür gleich links." - „Danke", seufzend verlasse ich das Schlafzimmer und sehe mich um. Auch hier gibt es nicht viel mehr zu sehen als Holz. Der Boden, die Türen, selbst die Decken sind aus Holz.
Nachdem ich mir die Zähne geputzt und den Rest der Mascara vom Vortag abgewaschen habe, binde ich meine Haare zu einem Zopf und gehe ins Schlafzimmer, wo Noah mittlerweile komplett angezogen ist und bereits das Bett macht. Ich nehme eine Jeans und einen Pullover aus meiner Tasche und ziehe sie mir schnell über. Unter der Bettdecke war es schön warm, aber schon im Badezimmer wurde es dann unangenehm kalt.
„Wollen wir was Frühstücken?", Noah lehnt sich an die Schlafzimmertür und lässt seine Hände in den Hosentaschen verschwinden. Ich stimme nickend zu und folge ihm, als er aus der Tür verschwindet. Durch den Flur kommen wir in einen großen Wohnbereich, in dem zwei braune Ledersofas stehen. An den Wänden hängen Bilder von einem See und verschiedenen Landschaften. Gegenüber des Sofas befindet sich ein Kamin, den Noah schon mit Holz befeuert zu haben scheint.
„Wow, schön hier", noch während ich mich im Wohnzimmer umsehe, verschwindet Noah schon in der kleinen Küche. In der Mitte steht ein Tisch, der mit einer großen, karierten Tischdecke bedeckt ist und um welchen vier weiße Stühle stehen. „Nicht wahr?", geht er auf meine Bemerkung ein und nimmt die Bratpfanne von einem der Haken über der Kücheninsel. „Meine Eltern haben das hier vor Jahren gekauft, machen hier aber nie Urlaub." Verstehend nicke ich Noah zu, sehe mich weiter um, wobei mir eine Tür ins Auge fällt.
Sie steht halb offen, bläst kalte Herbstluft in das Haus. Fragend sehe ich zu Noah der den Herd anstellt und etwas Öl in die Pfanne gibt. „Komm mit", er hält mir seine Hand hin und verdreht gespielt genervt die Augen woraufhin ich lachen muss. Ohne zu überlegen, gebe ich ihm meine Hand und folge ihm. Er öffnet die Tür komplett und gibt mir die Sicht auf eine Veranda frei. Mit offenem Mund laufe ich raus auf den kalten Stein, sehr wohl bewusst darüber das ich keine Socken trage und sehe auf den See, der sich vor uns gibt. Im Gegensatz zu allem drinnen, ist hier alles hell gestaltet.
Zwei Schaukelstühle stehen neben der Tür und ich kann nicht anderes, als mir vorzustellen, wie ein älteres Ehepaar dort sitzt und gemeinsame Zeit verbringt. Die Sonne taucht die schon verfärbten Blätter in warmes Licht, als würde flüssiges Gold den kompletten See umgeben. Begeistert stelle ich mich an das Geländer, nicht gewillt meine Augen von diesem schönen Anblick zu nehmen als ich hinter mir Noah spüre, der sich an mich lehnt und seine Hände neben meine legt.
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Blue Jeans
Teen FictionIvory und Noah waren beste Freunde. Nichts konnte die beiden trennen, zumindest dachte Ivory das, bis Noah eines Tages aus heiterem Himmel den Kontakt zu ihr abbricht. Jahrelang herrscht Funkstille zwischen den ehemals besten Freunden. Erst als Ivor...