Mit einer Flasche Wein in der Hand stehe ich vor Noahs Tür. Ich will mich entschuldigen für das, was gestern passiert ist. Es war nicht richtig ihn zu belauschen, bei etwas das offensichtlich sehr privat war. Weil er seit dem nicht mehr in der Firma gewesen ist, bleibt mir keine andere Wahl, als das ich zu ihm komme.
Es dauert gefühlte Minuten, bis ich endlich Schritte höre und die Tür aufgeht. Zu meiner Verwunderung ist es nicht Noah, der mir aufmacht, sondern eine Frau. Sie hält ein Whiskey Glas in der Hand und sieht mich abwartend an.
„Ist Noah da?", die Unsicherheit, die mich plötzlich überkommt, ist deutlich in meiner Stimme zu hören. Die schwarzhaarige Frau lächelt mich an, nickt und öffnet dann die Tür weiter. „Klar, komm rein."
Als ich Noahs Wohnung betrete, steigt mir als Erstes der Geruch von Alkohol in die Nase. Im Hintergrund läuft leise Musik aus dem Radio. Die Frau, welche mir die Tür aufgemacht, folgt mir ins Wohnzimmer, wo Noah auf dem Sofa sitzt, ein Glas in der Hand, während die andere seinen Kopf stützt.
„Hey", flüstere ich leise. Ich weiß es ist dumm, aber ich hoffe, dass mich, die unbekannte hinter mir nicht hören kann. Noahs blonder Schopf schnellt in die Höhe. Seine Augen sehen mich einen Moment lang forschend an. Unwohl beiße ich mir auf die Lippe und verlagere mein Gewicht von einem Bein auf das andere.
„Ich ... äh. Ich wollte mich entschuldigen", ohne zu fragen, setze ich mich neben ihn, nehme dabei meine Augen nicht von seinen.
Jetzt wo ich neben Noah sitze, ist der Geruch von Alkohol noch beißender und mir wird klar, dass hier mehr als ein Glas geflossen ist. Mein Blick wandert zu dem Tisch auf dem eine leere und eine nur noch halb volle Flasche Whisky stehen.
„Es war falsch dich zu belauschen. Deine Sachen gehen mich nichts an, dass weiß ich. Und ich weiß nicht was ich mir dabei gedacht habe, aber irgendwie hoffe ich, so etwas mehr zu erfahren. Ich will für dich da sein."
Bevor noch weiter Worte aus meinem Mund kommen halte ich inne und sehe abwartend zu Noah. Seine Lippen verziehen sich zu einem kleinen Lächeln. Es ist nicht das charmante Lächeln, dass mir jedes Mal eine Gänsehaut verpasst. Das hier ist falsch.
„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich war das Arschloch", gibt er kleinlaut zu. Am liebsten würde ich zustimmend mit dem Kopf nicken, doch ich widerstehe diesem Drang.
Die schwarzhaarige, deren Namen ich noch immer nicht weiß, setzt sich auf einen der schwarzen Hocker und schlägt die Beine übereinander. Sie sieht aus, als wäre sie noch immer in ihrer Arbeitskleidung.
„Ivory, das ist Mrs. Bennett. Meine Anwältin", stell Noah sie mir jetzt vor. Ich sehe nickend von ihm weg, zu Mrs. Bennett die mir ihre Hand hinhält. Das erklärt auch warum sie noch immer in ihrer Arbeitskleidung ist. Sie arbeitet anscheinend noch.
„Noah hat mir schon viel von dir erzählt", versichert sie mir lächelnd. Fragend sehe ich zu Noah, von dem ich der Meinung bin, dass er im Gesicht etwas mehr Röte bekommt. „Hat er das?", gespielt neugierig schlage ich die Beine übereinander und stütze mein Kinn auf meiner Hand ab. Ein Lachen kommt aus dem Mund seiner Anwältin. „Natürlich nur gutes versteht sich." Sie lacht leise auf, sieht, dann ebenfalls zu Noah der unsicher auf den Boden schaut.
„Entschuldige, dass ich frage", mein Blick wandert zwischen den beiden hin und her. „Aber wofür brauchst du einen Anwalt?" Noah scheint sichtlich erleichtert über den Themenwechsel, aber nicht über die Tatsache, dass ich diese Frage gestellt habe. Meine Augen stoppen bei Noah, der zu seiner Anwältin sieht, welche daraufhin nickt und an ihrem Glas nippt.
Neugierig beiße ich mir auf die Lippe, meine Hand liegt dabei auf dem Sofa. Unwohl rutscht Noah auf seinem Platz, scheint nicht die richtigen Worte zu finden oder sie zumindest noch zu suchen.
„Es ist so", ein Räuspern seinerseits und ein Nicken meinerseits.
„Du bist verheiratet?", werfe ich in den Raum. Diese Theorie geistert mir schon eine seit seinem Gespräch durch den Kopf und obwohl es mir unwahrscheinlich vorkommt, kann ich nicht anders als danach zu fragen.
„Nein", entfährt es ihm sofort, nachdem ich meine Frage gestellt habe. Innerlich fällt mir ein Stein vom Herzen, den sicher nicht nur ich auf den Boden prallen gehört habe.
„Wenn du jetzt an Scarlett denkst, dann nein. Wir sind nicht verheiratet." „Aber?", frage ich.
Noah steht auf, läuft vor dem Sofa auf und ab während er zu überlegen scheint. Meine Augen folgen dabei jeder seiner Bewegungen.
„Das ist so kompliziert!", entfährt es ihm plötzlich. Hilflos sieht er zu seiner Anwältin, die daraufhin das Wort ergreift.
„Noah", dränge ich. „Egal was du sagst..", ich mache eine Pause und gehe auf ihn zu. „Ich bleibe hier", versichere ich, die Hände um seine Handgelenke.
Mein Puls rast und mein Herz droht aus meinem Brustkorb zu springen. Zu sagen, dass ich bleibe ist ein Versprechen, von dem ich Angst habe, es nicht halten zu können. Warum bist du auch so voreilig verurteilt mich meine innere Stimme.
„Ich bleibe", wiederhole ich, vielleicht eher um mich selbst zu überzeugen und nicht Noah.
„Scarlett ist meine Schwägerin", beginnt er jetzt. Allerdings kann ich aus seinem Ton heraus hören, dass er seinen Satz noch nicht beendet hat.
„Und?"
Wieder wandert sein Blick zu Mrs. Bennett, als brauche er eine Bestätigung, das er wirklich reden darf und kann.
„Noah", fordere ich eindringlich. Meine Hände befinden sich immer noch an der gleichen Stelle, wie auch zuvor.
„Wir haben eine Tochter", murmelt er so leise und schnell, dass ich es nur mit Mühe verstehen kann. Die Worte brauchen einen Moment bis sie zu mir durch sickern, doch dann setzten sie sich in meinem Gehirn fest wie fester Kartoffelbrei.
„Was?" Ich bin mir nicht sicher, ob die Frage zu Noah oder zu mir selbst gerichtet ist. Ich weiß nur, dass sie in meinem Kopf nachhallt, wie ein grausames Echo das nicht verblasst.
„Sie ist schwanger geworden kurz, bevor Aidan ins Ausland musste. Also habe ich sie bei ihr gelassen", fährt er fort, die Stimme voller Verzweiflung. Nickend sehe ich an ihm vorbei, aus dem Fenster während mein Gehirn noch nicht hinterherkommt.
„Weiß er davon?"
„Nein!" - „Er muss es nicht wissen. Sophie kommt zu mir, bevor er wieder zurückkommt."
„Du hast mit der Frau deines Bruders geschlafen", stelle ich fest, als müsste ich Noah klarmachen, was das für ein Gewicht hat.
Dieser Abend scheint sich in eine fürchterliche Richtung zu entwickeln, von der ich nicht wissen will, wie weit sie noch geht. Abwehrend hebe ich meine Hände in die Höhe und schüttle mit dem Kopf.
„Du kannst das nicht machen, Noah. Du hast ein Kind. Weißt du was das bedeutet?"
Noah nickt, greift nach meiner Hand und seufzt. Für einen kurzen Moment überkommt mich das Verlangen sie ihm zu entziehen, aber ich tue es nicht.
„Wir wollen beide, dass er nichts davon weiß."
„Er hat ein Recht darauf", poche ich weiter. „Er muss es wissen Noah." Er schüttelt den Kopf. „Das kann ich nicht tun. Ich kann das nicht." wiederholt er, die Augen auf mich gerichtet.
Mein Kopf droht zu explodieren, weil ich nicht weiß, was ich tun soll. Und obwohl ich es nicht will, muss ich mein Versprechen brechen.
„Ich muss hier weg."
Noah will mich festhalten, doch ich reiße mich los und Stürme aus seiner Wohnung.
DU LIEST GERADE
Blue Jeans
Teen FictionIvory und Noah waren beste Freunde. Nichts konnte die beiden trennen, zumindest dachte Ivory das, bis Noah eines Tages aus heiterem Himmel den Kontakt zu ihr abbricht. Jahrelang herrscht Funkstille zwischen den ehemals besten Freunden. Erst als Ivor...