Kapitel Vierundzwanzig ~ Fifty Shades Of Grey

5.7K 427 38
                                    

Noah geht mir aus dem Weg. Nicht, dass ich das nicht erwartet hätte, aber irgendetwas in mir hat wohl doch gehofft, dass er den ersten Schritt machen würde.

Nachdem ich mir nicht sicher sein kann, ob ich jetzt tatsächlich wieder arbeitslos bin, habe ich es einfach gewagt und bin wieder in die Firma gefahren. Noah hat nichts gesagt, mich einfach gegrüßt und ist in seinem Büro verschwunden. Seit drei Tagen redet er nur noch, wenn nötig mit mir und ich selbst habe mich auch nicht getraut dieses Thema, als erste anzusprechen.

Meine Arbeit konnte ich dank vieler Überstunden aufholen und da ich freitags sowieso nur bis eins arbeiten muss, bedeutet das, dass mein Feierabend nah ist.

Zufrieden speichere ich das letzte Dokument für heute und fahre den Computer runter. Währenddessen verstaue ich meine Sachen in meiner Tasche.

„Kommst du mal bitte in mein Büro?", Noah steht zwischen der Tür die unsere Büros voneinander trennen. Er wirkt nachdenklich, hat seine Hände in den Hosentaschen verstaut. Ich nicke nur, bereite mich innerlich darauf vor, dass wir uns jetzt wohl aussprechen müssen. Es beruhigt mich ungemein, dass er den ersten Schritt macht, denn ich fühle mich ganz und gar nicht bereit das zu tun.

Ich schließe die Tür leise hinter mir, Noah tippt etwas auf seinem Computer. Die Uhr an seiner Wand tickt ungemütlich laut, unterstreicht die anhaltende Stille nur noch mehr. Das Einzige was, abgesehen von der Uhr, noch Geräusche von sich gibt, ist der Rechner unter seinem Schreibtisch.

Mein Blick wandert aus dem großen Fenster. Die Sonne scheint ausnahmsweise mal. Ich weiß noch nicht wie, aber ich werde diesen schönen Tag irgendwie nutzen. Vielleicht hat Josy Lust auf ein letztes Eis, bevor es wirklich zu kalt dafür ist. Eigentlich haben wir in letzter Zeit kaum miteinander geredet und ich hatte es auch nicht vor ehe sie sich für ihr Verhalten entschuldigt. Doch als sie verheult vor meiner Zimmertür stand, konnte ich sie nicht mehr abweisen. Offensichtlich ist Josy ziemlich eifersüchtig und das Kyle viel mit Frauen Zutun hat, hat einen Streit ausgelöst, den die beiden bis jetzt noch nicht wirklich lösen konnten.

„Die letzten zwei Wochen waren, wie du weißt, deine Art Probezeit", Noah schaut immer noch auf den leuchtenden Bildschirm.

„Nicht nur, weil ich sehen wollte, wie du arbeitest, sondern auch damit dir Gedanken machen kannst, ob diese Firma zu dir passt."

Damit hat Noah nicht ganz unrecht. Und obwohl ich es hier sehr mag, hat mich unser Vorfall letzten Dienstag aus der Bahn geworfen.

Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück, die Hände auf dem Schoß. Ich glaube, er hat keine Ahnung, wie gut er aussieht.

„Es hat mir Spaß gemacht hier zu Arbeiten", ist das Einzige, was ich sage. Das ist nicht gelogen, denn genau deswegen habe ich das Studium gemacht. Ich arbeite gerne mit dem Computer, es liegt mir einfach.

Es scheint, als wäre Noah noch nicht zufrieden mit meiner Antwort, denn er lehnt sich nach vorne, faltet die Hände auf dem Tisch zusammen und sieht mich abwartend an. Sein Parfüm steigt mir in die Nase, vernebelt alles andere.

„Ich würde dich gerne einstellen, Ivory. Dafür musst du mir aber sagen, ob du das willst." er sieht mich durchdringend an, als hoffe er die Antwort selbst zu finden, sucht aber vergebens.

Will ich das? Ja. Wenn sich alles klärt und dafür habe ich keine Garantie. Allerdings weiß ich, das Noah mir ein gutes Gehalt zahlen würde, auf das wir alle angewiesen sind. Als ich mit Papa geredet habe, um ihn ein bisschen auszufragen, nicht nur über seine Krankheit, sondern auch über die Höhe der Rechnungen, ist mir klar geworden, dass die beiden es niemals schaffen werden diese zu Tilgen. Vor allem jetzt nicht, wo Mama nur drei Stunden am Tag arbeitet und Papa noch nicht wieder in der Lage dazu ist. Voraussichtlich in einem Jahr, wenn sein Zustand sich verbessert. Wenn er sich aber wieder verschlimmert, dann kann es genauso gut sein, dass er nie wieder arbeiten gehen kann.

Wenn es jetzt jemand tragen muss, dann ich.

„Sehr gerne", beantworte ich seine Frage mit einem leichten Lächeln. Ich meide es in sein Gesicht zu sehen erkenne, aber aus den Augenwinkeln, dass er nickt und dann zufrieden grinst. Er fühlt sich, als hätte er einen Kampf gewonnen. Noah grinst triumphierend.

„Gut, dann musst du das hier unterschreiben. Normaler Arbeitsvertrag. Aber du kannst ihn gerne erst durchlesen", fügt er am Schluss hinzu.

Weil ich keine Lust habe, denn Vertrag in jedes kleine Detail zu zerlegen, überfliege ich ihn nur und stolpere direkt auf der zweiten Seite, auf etwas wo er sich vertippt haben muss. Mit einem meiner Finger deute ich auf die viel zu lange Zahl. Dabei fällt mir, auf das eine maniküre nicht mal schaden könnte.

„Da hast du dich verschrieben", stelle ich fest. Noah schüttelt den Kopf. „Nein", "bestätigt er ernst, als würde er gerade keine Witze machen.

„Doch, dein Vater hat mir ein ganz anderes Gehalt genannt", antworte ich darauf hin.

„Ich bin nicht mein Vater. Hör zu, du arbeitest mehr als du eigentlich solltest. In den letzten zwei Wochen hast du das gearbeitet, was die Dame vor dir in vier Wochen geschafft hat. Das gehört entlohnt."

Noah redet mit mir, als wäre ich geistig nicht auf einer Linie mit ihm und müsste alles zweimal erklärt bekommen.

Wieder schüttle ich den Kopf. „Das ist zu viel."

Seufzend dreht Noah den Arbeitsvertrag wieder so, dass er in seine Richtung lesbar ist. „Ich mache dir einen Vorschlag."

Verwirrt runzle ich die Stirn warte, aber ab was er zu sagen hat. Kleine Sonnenstrahlen finden den Weg durch Noahs Fenster auf meinen Arm, kitzeln warm und angenehm.

„Wir gehen heute Abend essen und dann besprechen wir alles nochmal."

Nachdenklich sehe ich auf den weißen Schreibtisch. „Ein Vertrag und ein Abendessen?"

Er nickt, faltet wieder professionell die Hände.

„Wir sind nicht bei Fifty Shades of Grey", stelle ich kichernd fest. Auch Noah kann nichts tun als grinsen.

„Aber gut", willige ich nickend ein. Vielleicht gibt uns das die Möglichkeit, zu reden. Das Gespräch was wir schon lange brauchen. Auf neutralem Boden sollten wir am besten reden können.

Blue JeansWo Geschichten leben. Entdecke jetzt