Kapitel Achtzehn ~ Betrunkene Besuche

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Nachdem Noah mich um zehn Uhr vor meiner Haustür abgesetzt hat, überkam mich wieder die Fassungslosigkeit gepaart mit großer, auffressender Leere. Baileys Worte wollten einfach nicht aus meinem Kopf verschwinden, stattdessen haben sie sich eingemeißelt.

Ich wollte auf keinen Fall dort hochgehen, zu meiner Familie, die mir nur erzählen würde, wie schön es doch war. Also hab ich getan, was alle verletzten Menschen tun. Zur nächsten Tankstelle fahren und den billigsten Fusel kaufen. Nicht meine beste Idee, aber zu toppen alle mal. Zum Beispiel, in dem ich Noah's Adresse aus einem unserer E-Mail Verläufe raussuche und ihm einen betrunkenen Besuch abstatte.

„Aufmachen!" lallend hämmere ich gehen die Wohnungstür von Noah, darauf wartend das er sie endlich öffnet.

Nach gefühlten Stunden, in denen sich nichts tut und ich wie eine Alkoholleiche mit Schnaps in der Hand vor seinem Apartment stehe, drehe ich mich wieder um.

„Alles so prollig", Urteile ich mit offenbar klarem Kopf über das ganze Gebäude. Das viele Geld sieht man den Menschen, die hier wohnen eindeutig an. Warum muss man eigentlich immer zeigen, wenn man mehr Geld besitzt als der bürgerliche Durchschnitt?

Hinter mir geht die Tür auf, an die ich mich bis gerade noch angelehnt habe.

„Na endlich", seufzend drehe ich mich um und blicke in zerzauste, blonde Haare und einen amüsierten Gesichtsausdruck.

„Wer hätte das wohl erwartet?" Mit einer einladenden Geste rückt Noah zur Seite, damit ich eintreten kann.

„Also ich... nicht!" Ich hebe die Schnapsflasche hoch, schaue dabei traurig den Tropfen nach, die ich aus Versehen verschütte. Sie werden sofort vom schwarzen Teppich aufgesaugt, es bleibt mir also keine Möglichkeit sie irgendwie zu retten.

Ist es normal, dass Snobs ihre Wohnung genauso trostlos und monoton einrichten wie ihre Arbeitsstelle?

„Womit habe ich deine Anwesenheit verdient?" Er schließt die Tür hinter sich und sieht mich abwartend an. Sein Grinsen spricht Bände und ich wette, er ist auf meine Antwort gespannt.

Verdammt sieht er gut aus, mit halb offenem Hemd und umgekrempelten Ärmeln.

„Du", mit einer extremen Bewegung deute ich auf ihn.

„Kannst dich geehrt fühlen mein lieber!" Wahrscheinlich würde mich jetzt jeder TV Sender als Lottofee haben wollen, denn mein Auftritt ist Gold wert.

Damit sich Noah auch wirklich darüber bewusst werden kann, wie geehrt er gerade eigentlich ist, mache ich eine lange dramatische Pause und lasse mich geradewegs auf sein schnödes Sofa plumpsen. Dabei muss ich kichern denn es ist so gut gefedert das ich glatt auf und ab hüpfe.

„Eigentlich wollte ich heute eine Hochzeit sprengen, aber ich habe mich für dich entschieden. Du bist meine Zeit wert. Bailey ist es nicht. Er ist doof. So doof. Wenn du wüsstest, was ich meine würdest selbst du das sagen."

Natürlich brauche ich Noahs Bestätigung für meine Aussage nicht. Ich bin Beweis genug und deshalb setze ich wieder meine Flasche an und trinke einen ordentlichen Schluck.

Ich kann spüren, wie das Sofa neben mir etwas nach unten gedrückt wird. Sofort steigt Noahs Geruch in meine Nase und vernebelt den Rest meines Gehirns.

Keine Ahnung wie verzweifelt ich gerade auf ihn wirken muss und irgendwie ist es mir auch egal. Ich bin nicht verzweifelt, lediglich verärgert. Ja, das trifft es ziemlich gut.

„Sag mal, bist du in Bailey verliebt?", Noah mustert mich mit einem Gesichtsausdruck, den ich nicht deuten kann. Es sieht jedenfalls nicht so aus, als wolle er ein „Ja" von mir hören.

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