„Und genau so läuft mein erster Tag", fauche ich wutentbrannt und umklammere mit meinen Händen den Rand meines Schreibtischs. Während ich ihm jedes kleine Detail unter die Nase gerieben, ihm alles gesagt habe was mich stört, stand er nur da und hat mich mit einem amüsierten Ausdruck angesehen.
Mein Puls rast noch immer vor Aufregung über das, was Vio offensichtlich über mich erzählt hat. Es macht mich fassungslos, dass sie so über mich spricht, wo ich doch eigentlich dachte, wir wären gute Freunde. Und Freunde machen so etwas nicht.
„Und was ist das Problem?", fragt er, die Hände locker in den Hosentaschen verstaut, als wäre das ganze nicht weiter der Rede wert. Fassungslos und mit offenem Mund sehe ich ihn an.
„Hast du mir überhaupt zugehört?", frage ich, die Arme in die Luft hebend und mit quietschender Stimme. Noah nickt, scheint aber noch immer nicht das Problem zu sehen.
Vorsichtig wische ich mit meinem Zeigefinger unter meinem Auge entlang. Die Wut hat mir Tränen in die Augen getrieben, von denen ich hoffe, dass sie meine Mascara nicht ruiniert haben.
„Du musst aufhören zu hyperventilieren, Ivory", sagt er nun, den Blick auf mich gerichtet als wäre ich verrückt. Ich kann ihm ansehen, dass er sich ein Lachen verkneifen muss.
„Dann reden sie eben und weiter? Du weißt, was davon stimmt und was sie erfinden. Du weißt ebenso, dass wir beide nicht miteinander schlafen. Dein Privatleben hat hier genauso wenig zu suchen wie das der anderen. Es zählt einzig und allein, welche Arbeit du leistest und die war in den letzten zwei Wochen hervorragend."
Obwohl Noah denkt, dass seine Worte mich aufbauen würden, helfen Sie mir kaum. Ich weiß was passiert ist, aber darum geht es auch gar nicht. Es geht darum das ich nicht den Ruf, als Firmenschlampe haben möchte.
Ich brumme nur auf und setze mich wieder an meinen Tisch. „Übrigens..", Noah lehnt sich mit dem Kopf über meinen Computer. „Es tut mir leid, das ich mich am Wochenende nicht mehr melden konnte. Ich war zeitlich sehr eingespannt, was aber nicht heißt, dass ich nicht an dich gedacht habe."
Wir sehen uns einen Moment lang nur an, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll. „Wir reden später darüber", antworte ich knapp, die Augen wieder auf den Bildschirm gerichtet. Mein emotionaler Ausbruch beschäftigt mich noch eine ganze Weile so sehr, dass ich mich kaum auf meine Arbeit konzentrieren kann. Immer wieder muss ich meine Gedanken fassen und Unterlagen dreimal korrigieren, um sicher zu sein, dass sich kein Fehler darin befindet.
Es vergehen Stunden in denen ich zwischen meinem Computer und dem Drucker hin und her laufe, E-Mails beantworte und Schreiben unterzeichne. Letztendlich werde ich rechtzeitig fertig mit meiner Arbeit und kann pünktlich das Gebäude verlassen.
Als ich nachhause komme, steht das Essen bereits auf dem Tisch. Josy sagt mir, dass wir heute Abend alle gemeinsam essen. Sie verdreht die Augen, beschwert sich darüber, dass sie eigentlich verabredet war. Ich lasse sie einfach reden und gehe in mein Zimmer um mir meine Arbeitskleidung auszuziehen und gegen etwas Gemütlicheres zu tauschen.
Mama und Papa wollten mit uns reden, dass weiß ich schon. Aber worum es dabei geht weiß ich noch immer nicht. Gedankenverloren ziehe ich eine Leggings und einen Pulli aus dem Schrank. Ein paar der Klamotten habe ich seit fünf Jahren nicht mehr angefasst. Sie werden mir kaum noch passen, also beschließe ich sie auszusortieren und zu spenden, sobald ich Zeit dafür finde.
„Gibts irgendwas Wichtiges?", fragt Josy, die unruhig auf dem Stuhl rutscht, den Blick nur auf ihrem Handy. „Weil wenn nicht, dann würde ich jetzt gehen", hängt sie hinten dran und fährt sich durch ihr langes, braunes Haar.
„Niemand geht hier weg", beschließt Papa, kramt seine Pillenbox aus einer der Schubladen und setzt sich zu uns an den Tisch. Er muss sie immer vor dem Essen nehmen. Mein Blick wandert zu den verschiedenen, bunten Tabletten. Bluthochdruck, Schilddrüse, Schmerzmittel und noch zwei weitere Tabletten von denen ich nicht weiß, wofür sie eigentlich sind.
Josy brummt neben mir genervt auf und murmelt irgendetwas, das ich nicht verstehen kann, weil ich ihr keine wirkliche Beachtung schenke.
„Ich habe mir heute extra Mühe gegeben", Mama setzt sich auf ihren Stuhl, lächelt schüchtern in die Runde und beginnt jedem etwas auf den Teller zu geben. Ich beobachte das ganze nur skeptisch, die Hände auf meinem Schoß wo sie unruhig mit dem Saum meines Pullovers spielen.
Die ersten Minuten essen wir alle ruhig, niemand redet, nur Mama und Papa tauschen immer wieder verstohlene Blicke miteinander aus. Aus irgendeinem Grund habe ich das Gefühl, dass keiner von den beiden sich wirklich dazu imstande fühlt mit einem Gespräch zu beginnen, weshalb ich das Wort ergreife.
„Das schmeckt wirklich gut."
Sehr gut gemacht, Ivory. Das lockert die Stimmung bestimmt auf. Mama lächelt mir zu und nickt. Dann widmet sie sich wieder ihrem Teller. Mit einer Serviette wische ich mir über den Mund und räuspere mich.
„Also was gibt es denn nun zu besprechen?", frage ich, die Neugier deutlich hörbar.
Wieder tauschen meine Eltern blicke aus. Dann nimmt Papa die Hand meiner Mutter. Mit hochgezogener Augenbraue beobachte ich das Geplänkel der beiden, lasse dabei mein Essen links liegen.
„Es ist so", beginnt Mama, schiebt eine ihrer braunen Haarsträhnen aus dem Gesicht und lächelt.
Papas Hand streichelt weiter, die von Mama als wollte er sie beruhigen und ihr zeigen das alles gut wird. Aus den Augenwinkeln kann ich sehen, dass Josy nicht wirklich da ist, sondern heimlich auf ihrem Handy tippt.
Ich haue ihr meinen Ellenbogen in die Seite, woraufhin sie das Handy zischend in der Hosentasche verschwinden lässt.
„Was ist denn nun?" Meine Schwester sieht die beiden abwartend an. Sie will wahrscheinlich nur, dass das ganze so schnell wie möglich fertig ist.
Wieder huschen die Augen meiner Mutter zu denen von Papa. Ungeduldig seufze ich auf und nehme mein Glas in die Hand.
„Jetzt sagt schon. Ist ja nicht so, als wärt ihr nochmal schwanger." Josy lacht gleichzeitig mit mir auf.
Über den Rand meines Wasserglases sehe ich meine Eltern an, die augenscheinlich nicht wissen, was sie dazu sagen sollen. Mama lacht unbehaglich auf und Papa sieht nur auf den Tisch. Und dann trifft es mich wie ein Schlag.
„Scheiße, du bist schwanger", entfährt es mir.
Mama nickt, Freudentränen sammeln sich in ihren Augen.
Das kann nicht ihr Ernst sein.
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Blue Jeans
Teen FictionIvory und Noah waren beste Freunde. Nichts konnte die beiden trennen, zumindest dachte Ivory das, bis Noah eines Tages aus heiterem Himmel den Kontakt zu ihr abbricht. Jahrelang herrscht Funkstille zwischen den ehemals besten Freunden. Erst als Ivor...