Kapitel Fünfundfünfzig ~ Abrechnung

4.3K 295 49
                                    

Der Countdown läuft. Noch zehn Kapitel. I'm already crying.

„Ich muss jetzt noch mal los", teile ich Noah mit und laufe Richtung Flur um mir eine Jacke anzuziehen. Den ganzen Abend schon war ich angespannt, ich habe es drauf geschoben, dass es Papa nicht gut geht. „Jetzt noch?", fragt er verwundert und sieht auf die Uhr. Ich weiß, dass es fast Mitternacht ist, allerdings mache ich die Uhrzeiten nicht wie sie mir gefallen. Johnny hat mir eine SMS mit Datum und Uhrzeit geschickt, Mitspracherecht hatte ich da leider nicht.

„Das dauert nicht lange", versichere ich ihm lächelnd und drücke ihm einen Kuss auf die Wange. Auch nach langem reden konnte ich ihn nicht dazu überreden zum Arzt zu gehen. Er behauptet es sei alles in Ordnung, doch ich habe gesehen das er starke Schmerzmittel genommen hat. Was passiert ist, weiß ich noch immer nicht, doch ich hoffe, dass ich mehr antworten bekomme, sobald Mr. McKenzie die Unterlagen aus Noahs Büro hat. Mein Blick fällt automatisch zu der verschlossenen Tür.

„Okay", murmelt Noah, augenscheinlich noch nicht hundertprozentig überzeugt und gibt mir einen Kuss.

Mir ist schlecht und meine Finger zittern, als ich den Knopf des Aufzugs drücke. Ein letztes Mal sehe ich Noah an, der noch immer in der Tür steht und mir nachsieht. Sie werden verstehen, dass ich nicht das ganze Geld habe, oder? Vielleicht hätte ich Johnny anrufen und es ihm sagen sollen.

Die letzten sechs Wochen sind so schnell an mir vorbeigezogen, dass ich kaum Zeit hatte um darüber nachzudenken. Ich habe mein ganzes Gehalt zusammengekratzt, mein Sparkonto geplündert und Mama nach dem letzten Geld auf ihrem Sparkonto für mich gefragt. Viel ist es nicht und an fünfzehntausend Dollar bin ich nicht ansatzweise dran, doch wenn ich mich anstrenge werde ich es abzahlen können. Sie müssen sich einfach darauf einlassen.

Draußen ist es kalt und feucht, dennoch sieht man die Sterne am Himmel ganz klar. Der Regen hat schon lange aufgehört und die Wolken sind vorbeigezogen. Mein Blick fällt auf den Mond, der voll und rund am Himmel steht. Auf dem Weg zu meinem Auto laufen mir einige Menschen entgegen, die mich komisch ansehen. Ich muss aussehen wie eine Leiche, denn selbst ich spüre, wie mir alle Farbe aus dem Gesicht gewichen ist.

Die Fahrt zum Park ist lang und zäh. Nervös tippe ich mit dem Finger auf das Lenkrad. Jede rote Ampel, jeder Fußgänger der die Straße überquert, alles was mich daran hindert so schnell wie möglich zum Park zu kommen, treibt mich in den Wahnsinn.

Was ist, wenn sie es nicht akzeptieren? Was ist, wenn diese Typen richtig böse werden? Verschiedene Szenarien schießen mir durch den Kopf und null davon enden gut für mich.

Nervös beiße ich mir auf die Lippe. Fünf vor zwölf zeigt die Uhr an meinem Radio. Ich parke das Auto auf dem Kies Parkplatz, beschließe das Licht anzulassen. Es erreicht kaum die alte Trauerweide, zu der ich jetzt gehen muss, doch das Licht gibt mir ein Gefühl von Sicherheit.

Ein letztes Mal überprüfe ich den Umschlag in meiner Tasche, ziehe die Jacke enger und mache mich auf den Weg. Jeder Schritt hört sich erschreckend laut an, doch trotzdem kann ich mein Herz hören, wie es wild gegen meinen Brustkorb hämmert. Alles in mir schreit danach wegzurennen, aber das ist keine Option. Ich habe den Mist gebaut, ich muss dafür gerade stehen.

Ich muss an Noahs Worte denken. Wir ziehen uns gegenseitig aus der Scheiße. Nur das er mir hier nicht helfen kann, nicht helfen soll. Natürlich hätte ich ihn fragen können, hätte ihm alles erzählen können, doch ihn um so viel Geld zu bitten würde mir etwas von meiner Selbstständigkeit rauben. Ich bin nicht auf ihn angewiesen oder auf sein Geld. Er würde wahrscheinlich sowieso nur denken, dass ich deswegen bei ihm bin.

Als ich bei dem alten Baum ankomme, ist noch niemand da. Nervös sehe ich auf mein Handy; vier Minuten nach zwölf. Ich habe schon zu lange gebraucht, was ist, wenn sie bereits gegangen sind? Mach dir keine Hoffnungen, brüllt meine innere Stimme überheblich und sie hat recht. Denn keine zehn Meter weiter entdecke ich drei Gestalten die auf mich zu kommen. Ein letztes Mal sehe ich zu meinem Auto, zu dem Licht das mir Sicherheit gibt.

Mit lauten Schritten kommen Sie alle drei vor mir zum Stehen. Es sind genau die gleichen wie letztes Mal.

„Ha. hallo", murmle ich nervös und beiße mir auf die Lippe. Der Typ ganz vorne, David, wenn ich mich richtig erinnere, klatscht in die Hände. Ich zucke bei dem lauten Geräusch kaum merklich zusammen.

„Hast du das Geld, Süße?" Seine Stimme frisst sich in meinen Kopf.

„Hier", ich reiche ihm mit zitternden Händen den Umschlag. Dabei fällt mein Blick auf die Typen hinter ihm. Es sind die gleichen wie letztes Mal. Breit gebaut, angsteinflößend und wahrscheinlich nur da, und Davids schmale Statur zu kompensieren.

Er wirft einen Blick in den Umschlag und schnaubt auf. „Das sind fast zehntausend zu wenig", erstreckt den Umschlag trotzdem weg. „Ich hatte zu wenig Zeit.. ich brauche die versprochenen drei Monate", bitte ich. Dabei versuche ich, mir meine Angst nicht anmerken zu lassen, doch ich scheitere kläglich.

„Du hattest genug Zeit, kleines. Wir spielen hier keine Spiele. Jake", er pfeift einen der Männer nach vorne und zeigt mit der Hand auf mich.

Sofort gehe ich ein paar Schritte zurück, doch der große Typ ist schnell und hält mich am Oberarm fest. Ich zische auf, als der Schmerz bei mir ankommt.

David kommt auf mich zu und zündet sich eine Zigarette an. Instinktiv weiche ich zurück, drücke mich selbst, aber nur mehr gegen den Typen, der meine Arme festhält.

„Du siehst ja eigentlich ganz hübsch aus", murmelt er mehr zu sich selbst als zu mir und bläst mir den Rauch ins Gesicht. Ich beginne zu husten. „Aber wir sind anständige Leute", er lacht widerlich auf. Ich merke wie meine Hände trotz der Kälte schwitzig werden. „Und ich steh' nicht so auf Vergewaltigung. Oder Jungs?", er lacht gemeinsam mit ihnen, es fühlt sich an, als würden sie sich über meine Hilflosigkeit lustig machen.

Er zieht noch ein letztes Mal an der Zigarette und schnippt sie mit den Fingern ins hohe Gras. Ich sehe der flimmernden Glut nach. „Ich hoffe ja für dich, das die im Krankenhaus danach noch etwas retten können. Wäre echt schade um dich", David nimmt mein Gesicht und drückt es zur Seite. Ängstlich kneife ich die Augen zusammen.

„Jake", er nickt dem Typen hinter mir zu.

„Chase du hilfst ihm", er deutet mit der Hand auf mich. Der andere Typ kommt auf mich zu, dass letzte, was ich sehe, ist David, der in der Dunkelheit verschwindet und das Licht meines Autos. Dann spüre ich nur noch schreckliche Schmerzen in der Magengegend.

Blue JeansWo Geschichten leben. Entdecke jetzt