Alles, was Scarlett erzählt sind Lügen. Ich kann ihr nicht glauben, nicht nachdem sie Noah das Leben so zur Hölle macht. Er darf seine Tochter nicht sehen, sie will nicht einmal das sie ihm wirklich kennenlernt. Wie kann man so einem Menschen vertrauen? Letztendlich kann sie nicht wissen, was zwischen uns passiert ist. Sie hat geraten, weil sie Noah kein Glück gönnt. Nachdem ich mich wieder beruhigt habe, habe ich beschlossen, Noah nichts von ihrem Besuch zu erzählen.
Er hat mir gesagt, dass er mich liebt und obwohl ich ihn zurückgewiesen habe, ist er wiedergekommen. Das kann nicht aus Spaß gewesen sein, spätestens dann hätte er aufgegeben.
Ich muss an die frische Luft und weil ich mein Auto nicht hier habe, bleibt mir keine andere Wahl, als mich zu Fuß in der Stadt umzusehen. Scarlett hat mich mit ihren Worten mehr getroffen, als ich zugeben möchte. Aber genau das ist ihr Plan, Menschen wie sie tun so etwas aus Hass.
Planlos laufe ich drauflos. Es ist kalt, wirklich verdammt kalt, aber mir fällt die Decke auf den Kopf. Ich kann nicht aufhören über Scarlett's Worte nachzudenken, auch wenn ich weiß, dass sie Unrecht hat.
Weil es Samstag ist, ist es fast schon vorhersehbar, dass die Stadt voll ist. Überall begegnen mir Menschen mit Einkaufstüten in den Händen.
Wenn ich mich richtig erinnere, dann hat Noah behauptet das zwischen ihm und Scarlett war ein Ausrutscher. Eine Nacht, die er bereut und nicht mehr. Wenn zwischen ihnen doch etwas gewesen sein sollte, warum hat er mir nie davon erzählt? Ist es ihm peinlich oder verschweigt er mir mehr als ich anfangs dachte?
Als ich schließlich von meinem Spaziergang wiederkomme, ist es schon Mittag. Da ich noch keinen Schlüssel zu Noahs Apartment habe und er noch nicht da sein wird, setze ich mich vor seine Tür und tippe auf meinem Handy rum. Mir ist kalt und ich kann noch immer nicht klar denken.
Zu meiner Überraschung dauert es nicht lange, bis Noah aus dem Aufzug kommt. Mit dem Telefon am Ohr sieht er verwirrt zu mir runter. Die Wunden in seinem Gesicht sind kaum noch zu sehen. Einzig ein bläulicher Schatten liegt noch auf seiner Wange. „Ich rufe dich zurück, Pete", sagt er zu dem Mann im Telefon und legt auf. Ich stelle mich auf meine Beine und weiche ihm instinktiv aus, als er mich in den Arm nehmen will. Erstaunt über mein eigenes Verhalten, sehe ich auf den Boden. Ich werde ihm nichts von Scarlett und ihrem Besuch sagen, das heißt ich kann mich nicht so verhalten.
„Entschuldige, da war eine Spinne", flunkere ich und trete auf eine Stelle auf dem Boden. Noah grinst, scheint mir meine Lüge abzukaufen.
„Wieso sitzt du vor unserer Wohnung?", fragt er neugierig und öffnet die Tür. Ich stocke einen Moment; unsere Wohnung?
„Ich war spazieren." Er hinterfragt es nicht, sondern hält mir die Tür auf, nur um sie hinter mir wieder zu schließen. Die Wärme der Wohnung krabbelt sofort unter meine Kleidung und wärmt mich.
Es fällt mir schwer, mich in seiner Anwesenheit normal zu benehmen. Ich beobachte ihn die ganze Zeit, versuche aus Scarlett's Worten schlau zu werden und sie mit ihm zu verbinden. Während er sich an den Laptop setzt, um noch etwas zu arbeiten, sitze ich auf dem Sofa. Das Buch in meiner Hand ist nur Tarnung, denn um ehrlich zu sein weiß ich nicht mal was auf den letzten zehn Seiten passiert ist.
Durch das Wohnzimmer kann ich direkt auf sein Arbeitszimmer sehen. Das Zimmer, das damals abgeschlossen war. Damals wollte er nicht, das ich reingehe. Und jetzt ist die Tür auch nur einen winzigen Spalt geöffnet. Gerade genug, das ich ihn sehen kann. Er wirkt konzentriert, während er auf die Tastatur hämmert.
„Hey", ich öffne den Spalt der Tür ein bisschen mehr und lehne mich an den Rahmen. Noahs Kopf schnellt in meine Richtung, er steht auf und drängt mich aus dem Zimmer. Verwirrt verschränke ich die Arme. „Was gibt?"
„Ich ... Äh ich wollte fragen, ob du Lust hast, was essen zu gehen", ich habe eigentlich nicht mal Hunger, aber was Besseres fällt mir nicht ein. Ich wollte mich nur mit ihm in einen Raum setzen.
„Klar", Noahs Anspannung verläuft sich im Sand. „Gib mir fünf Minuten", bittet er lächelnd und geht wieder in sein Arbeitszimmer. Diesmal schließt er die Tür. Und ich höre, wie der Schlüssel sich dreht.
Ich werde aus seinem Verhalten einfach nicht schlau.
„Und jetzt ist es so komisch zwischen uns", seufzend drehe ich die Flasche Bier in meiner Hand hin und her und sehe zu Kyle. Das Essen mit Noah war eine Tortur. Wir haben uns kaum unterhalten, er war immer wieder in sein Telefon vertieft und generell war die Stimmung zwischen uns geladen. Ich konnte förmlich spüren, dass es zwischen uns knallen würde, wenn nicht einer geht. Also habe ich Kyle gebeten mich abzuholen.
Ich habe ihm alles erzählt, von Scarlett's Besuch, bis hin das Noah sein Arbeitszimmer vor meinen Augen abgeschlossen hat. Das erhöht Noahs Sympathiepunkte bei Kyle nicht unbedingt, aber mit wem soll ich sonst reden.
„Wenn ich das so höre Iv, dann hat diese Scarlett recht. Hau ab, trenne dich von ihm. Da stimmt irgendetwas nicht." Er sagt genau das, was ich nicht hören will. Ich schaue den alten Holztisch an. An einer Ecke splittert der Lack bereits ab, ich kann nicht anders, als daran zu spielen.
„Aber das kann doch nicht die Lösung sein. Irgendetwas verheimlicht er und ich muss wissen was. Wir haben uns schon früher nicht miteinander auseinandergesetzt."
Ich höre, wie Kyle durch die Nase ausatmet. Er spielt von wieder mit dem Piercing an seiner Lippe und ich wundere mich, dass er ihn noch nie ausgefahren herausgerissen hat. Immerhin macht er das jedes Mal.
„Er wird dir noch mehr weh tun. Du wirst immer weiter in diesem Strudel fallen und dann kommst du nicht mehr raus. Willst du dir das wirklich antun?", fragend sieht er zu mir herüber. Ich wende den Blick ab und sehe auf den Fernseher. Ich war ewig nicht mehr bei Kyle zu Hause und viel geändert hat sich noch nicht. Die Einrichtung erinnert an eine Bar, nicht gerade etwas, das Frauen anspricht.
„Nein", ich schüttle den Kopf. „Aber kann ich ihn einfach so hängen lassen?"
Es fällt mir schwer, doch letztendlich schreibe ich Noah eine SMS das ich die Nacht bei meiner Mutter bleiben muss. Kyle hat mich natürlich auch nachhause gefahren. Mama hat nicht mit mir gerechnet und deshalb lag sie schon um neun Uhr abends im Bett.
Traurigerweise hat Noah nicht mal auf meine Nachricht geantwortet.
Heute Morgen war alles noch perfekt oder zumindest sehr nahe dran. Doch jetzt, wo ich so auf meinem Bett sitze, alleine und verlassen, fühle ich mich mies.
Was denkt ihr, hat Noah zu verbergen?🧐
Mich würden eure Theorien interessieren 🌚
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Blue Jeans
Teen FictionIvory und Noah waren beste Freunde. Nichts konnte die beiden trennen, zumindest dachte Ivory das, bis Noah eines Tages aus heiterem Himmel den Kontakt zu ihr abbricht. Jahrelang herrscht Funkstille zwischen den ehemals besten Freunden. Erst als Ivor...