Kapitel Vierundfünfzig ~ Diese Worte

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Das Navi meines Autos führt mich in ein verlassenes Industriegebiet. Ich weiß nicht, was ich hier soll oder was Noah hier zu suchen hat. Obwohl seine Nachrichten dringlich klangen, bin ich eher genervt, als das ich mir Sorgen mache. Genauso gut hätte er auch einen seiner Freunde fragen können. Es ist wie immer, erst meldet er sich nicht und dann steckt er wieder mal bis zu den Knien in Mist und ich soll ihm heraushelfen. Ich parke das Auto vor einem verfallenen Gebäude, dessen Scheiben bereits eingeschlagen wurden und schalte den Motor aus. Unbehagen macht sich in mir breit, vielleicht hätte ich gar nicht herkommen sollen.

Ich versuche ihn auf dem Handy zu erreichen, doch es springt nur die Mailbox an. Frustriert lasse ich das Handy in meine Tasche zurückgleiten und laufe auf dem Kies in die erstbeste Richtung. Warum bestellt er mich hierher, wenn er doch gar nicht hier zu sein scheint.

„Noah?", rufe ich etwas unsicher und leise. Natürlich bekomme ich keine Antwort, wie sollte es auch anders sein. Ich fühle mich unwohl und beobachtet. Meine Schritte hallen laut zwischen den Gebäuden wieder, was mich fast glauben lässt, dass ich verfolgt werde. Doch als ich mich umdrehe kann ich niemanden sehen.

Suchend sehe ich mich um, bis ich schließlich etwas oder jemandem auf dem Boden liegen sehe. Von weitem kann ich nicht sehen, wer es ist, doch als ich näher komme, sehe ich den blonden Schopf unter der schwarzen Kapuze. Er scheint mich zu bemerken, hebt seinen Kopf und sieht mich mit verschleiertem Blick an.

„Was ist hier passiert?", obwohl ich versuche so zu klingen als würde ich mir Sorgen machen, hört man deutlich raus, das ich genervt bin. „Fahr mich bitte nachhause", murrt er nur und versucht aufzustehen. Zischend hält er sich die rechte Seite fest. Seine Nase ist wieder blutig, bläuliche Abdrücke zieren seine Augen.

„Du musst ins Krankenhaus", stelle ich fest und verschränke die Arme vor der Brust. Ich sehe ihm dabei zu wie er versucht auf die Beine zu kommen, doch nach weiteren Minuten, in denen wir uns anschweigen, schafft er es noch immer nicht. Ich unterdrücke ein Seufzen und greife ihm unter den Arm.

„Ich muss sowieso noch zu meinem Vater also setze ich dich in der Notaufnahme ab." das ich gerade erst bei meinem Vater war, muss er nicht wissen. Er würde sonst nicht zum Arzt gehen.

„Kannst du bitte ein mal tun, was ich dir sage?", keift er und humpelt Richtung Auto. Ich würde nur zu gerne wissen was hier passiert ist, aber eine Antwort bekomme ich ja doch nicht.

„Wenn du mir erklärst, was die Scheiße hier soll", fauche ich zurück und öffne den Wagen. Seine Launen gehen mir auf den Wecker und wenn er das nicht in den Griff bekommt, kann er sich einen anderen Vollidioten suchen.

„Das geht dich einen Scheißdreck an", sagt er leise, aber noch immer wütend und wirft die Autotür zu.

Sauer steige ich in meinen Wagen und starte den Motor. Absichtlich drücke ich so doll aufs Gas, das wir nach vorne geworfen werden. Noah straft mich mit einem tödlichen Blick und ich muss aufpassen, das ich nicht anfange zu lachen.

„Warum bittest du dann mich um Hilfe? Warum ich, wenn du mir nie sagst, was los ist?", frage ich jetzt ruhiger und sehe auf die Straße. Aus den Augenwinkeln sehe ich ihn, wie er sich auf die Lippe beißt.

„Das verstehst du nicht", antwortet er schließlich. Ich seufze genervt. Das kann doch wohl nicht sein Ernst sein.

„Gut", gebe ich nach und drücke auf die Bremse. Wir haben das Gelände kaum verlassen. Noah sieht mich verständnislos an. „Dann Steig aus und ruf einen anderen Deppen an."

Ich höre ihn leise lachen. „Du spinnst doch." Er sieht aus dem Fenster. Es fängt an zu regnen, während ich ihn mit offenem Mund anstarre.

„Rede mit mir", bitte ich. Es kostet mich alles, ruhig zu bleiben aber mit anschreien kommen wir doch nicht weiter.

„Seit dem du diese zwei Wochen verschwunden warst, bist du so anders. Es kommen immer mehr Fragen dazu, aber antworten bekomme ich keine. Du bist mir das schuldig!", zum Ende hin werde ich immer lauter. Ich kann nichts dafür aber es frustriert mich, das er nicht mit mir redet.

„Ich bin dir nichts schuldig, Ivory. Wenn du mich hier stehen lassen willst, dann tu es. Aber geh mir verdammt noch mal nicht auf die Nerven", keift er und starrt mir in die Augen. Seine Augen strotzen vor Wut. Er presst die Lippen aufeinander und wartet darauf das ich etwas sage. Ich spüre wie sich die Tränen in meinen Augen bilden. Nickend gebe ich ihm zu verstehen, dass er nichts weiter sagen braucht und starte wieder den Motor.

Den Rest der Fahrt zu ihm nachhause schweigen wir uns an. Ich möchte etwas sagen, weiß aber nicht was. Denn egal was ich sage, er ändert sich nicht.

Ich würde mir selbst gerne einreden, dass er das nur gesagt hat, weil er wütend ist, aber Tatsache ist, dass er schon immer so gedacht hat.

„Okay", ich parke mein Auto nicht weit von seinem Apartment. Noah hadert einen Moment mit sich selbst. „Willst du nicht mitkommen?", fragt er, als wäre nichts gewesen. Fassungslos sehe ich ihn an. „Wieso zur Hölle sollte ich mitkommen wollen?"

Er mustert mich, die Lippen aufeinander gepresst und lässt sich schließlich seufzend in den Sitz sinken.

Ich erwarte, dass er etwas sagt, doch er schweigt einfach nur und schaut aus dem Fenster.

„Noah was soll das?" ich bin müde. Müde von unseren Streitereien, von seinen Geheimnissen und dem hin und her.

„Du kannst mich nicht so behandeln und erwarten, dass ich dann noch mit dir nach oben gehe."

Wieder schweigt er und ich bin kurz davor komplett zu verzweifeln. Ich hasse es, wenn er so ist, aber noch mehr hasse ich es das ich nichts dagegen tun kann.

„Hast du das alles hier", er deutet mit dem Finger zwischen uns hin und her. „Auch mal aus meiner Sicht gesehen?"

„Vor ein paar Monaten bist du einfach wieder in mein Leben gekommen, ich habe mich auf dich eingelassen und dir mehr gegeben als du mir und doch denkst du, du bist im Recht. Das ist typisch für dich, Ivory." Er klingt ruhig, fast traurig.

„Dein Vater hat mir diesen Job angeboten. Es tut mir leid, dass ich dein Leben ruiniere", gebe ich monoton als Antwort. Noah macht noch immer keine Anstalten auszusteigen, aber ich habe genug geredet, deshalb steige ich aus, laufe um das Auto und öffne die Tür.

„Steig verdammt nochmal aus meinem Wagen", keife ich. Ich sehe ihm an, dass er Probleme dabei hat, aber helfen werde ich ihm nicht.

„Du hättest damit nicht anfangen sollen", bemerkt er kopfschüttelnd.

„Ich? Ich?", ungläubig werfe ich die Tür der Beifahrerseite zu. „Du hast mich angerufen. Weil du nur wieder jemanden brauchtest, der dich aus der Scheiße holt. Also sag mir nicht, dass ich angefangen habe." Mein Kopf brummt von den ewigen Diskussionen.

„Was glaubst du, wer dich das nächste Mal vor deinen Problemen rettet? Natürlich ich! So läuft das doch immer, Iv. Wir holen uns gegenseitig da raus. Und nach dem ganzen Mist kannst du immer noch nicht sagen, dass du mich liebst." Noah fährt sich durch die zotteligen Haare. „Spiel nicht immer das Unschuldslamm."

„Darum geht es dir?", frage ich.

„Ich weiß, es klingt bescheuert." allerdings. „Aber ich muss das wissen."

„Zeigt dir das hier nicht, dass ich dich liebe?", ich zeige zu ihm und dann wieder zu mir. Der Regen durchweicht meine Kleidung komplett und mir wird kalt.

„Also liebst du mich?" Noah klingt hoffnungsvoll. Nickend sehe ich an.

Ich erwarte, dass er es von mir hören will, doch er fängt einfach an zu lächeln und drückt seine Lippen auf meine.


I'm baaack. Hatte eine wunderschöne Zeit, aber habe das Schreiben und euch sooo vermisst. ❤️

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