Kapitel Sechzehn ~ Bailey oder Noah

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Nachdem ich mir meinen Stolz wahren konnte, indem ich mein Kleid selbst bezahlt habe, waren Noah und ich noch gemeinsam Frühstücken. Es fühlt sich nicht richtig an, es überhaupt zu denken aber wir hatten fast schon sowas wie Spaß. Wir haben über ihn und seine Familie geredet. Über seinen Wandel und die Tatsache, dass seine ehemalige Sekretärin gar nicht krank ist, sondern er sie entlassen musste, weil sie ein bisschen zu 'anhänglich' wurde. Was das bedeutet kann ich mir nur vorstellen.

Noah hat mir geholfen zu verdrängen, was heute für ein Tag ist. Doch jetzt, um halb sieben, sitze ich an unserem Küchentisch, bin bereit für die Feier und warte nur darauf das er mich abholt. Die Stille und das Wissen, wo genau meine Familie jetzt ist, sind bedrohlich. Mit einer Hand stütze ich mein Kinn, während die andere ungeduldig auf dem dunklen Holz tippt.

Aus Langeweile hole ich mein Handy heraus, öffne Social Media und bereue es sofort. Das erste was mir entgegenspringt ist ein Foto von Bailey, in schwarzem Anzug, mit dem glücklichsten Ausdruck in den Augen, den ich je gesehen habe und neben ihm die so wunderschöne Braut. Braun gebrannt, lange ebenfalls wunderschöne Haare und einem Kleid, in dem selbst ich sterben wollen würde.

Just Married steht auf dem Holzschild, dass sie gemeinsam in die Höhe halten.

Augen verdrehend scrolle ich weiter nur, um dann noch mehr Fotos zu sehen. Das Brautpaar mit meiner Familie, Bailey und Josy, Jane und Josy. Sie sehen alle so glücklich aus, dass ich am liebsten kotzen würde.

Weit entfernt scheint das nicht zu sein, denn mir wird schlecht. Ohne einen weiteren Blick auf mein Handy zu werfen, schalte ich das Display aus und lege den Kopf auf unseren Tisch. Ein bisschen bereue ich es schon, sie nicht davon abgehalten zu haben. An Janes Stelle würde ich es wissen wollen.

Ein Klingeln reißt mich aus meinen Gedanken. Sofort springe ich auf, nehme meine Tasche und lenke meine Gedanken aus diesem tiefen See.

Draußen steht Noah ein paar Meter von der Haustür entfernt und tippt auf seinem Handy. Erst als er meine Absätze auf dem Asphalt hören kann sieht er auf und verstaut das Handy in seiner Jackentasche.

„Du siehst fantastisch aus", lächelnd umarmt er mir zur Begrüßung.

„Das kann ich nur erwidern", antworte ich grinsend und sehe an Noah runter. Anzug - wie eigentlich immer. Doch dieser wirkt noch edler als die, die er zur Arbeit trägt.

Kaum das wir wieder in Noahs Auto sitzen, schleicht sich sein Parfüm in meine Nase. Es ist ein anderes als heute Morgen, riecht aber genauso gut. Ich frage mich, ob ihm überhaupt auffällt, das man überall riechen kann, wenn er da war. Natürlich nur im Positiven.

„Ein kleiner Tipp am Rande. Auf dieser Feier versammeln sich viele Idioten und Schnösel. Einfach weghören", bemerkt er beiläufig. Verstehend nicke ich und sehe aus dem Fenster. Das Noah so gut in dieser Welt zurechtkommt verwundert mich mittlerweile nicht mehr. Ich könnte es allerdings nicht.

Während der Fahrt schweigen wir. Es ist kein unangenehmes Schweigen. Wir haben nur beide gerade nichts zu sagen; wissen das wir nicht reden müssen.

„Können wir einen kleinen Umweg machen?", frage ich kurz bevor wir Gotsburgh verlassen. Noah sieht verdutzt zu mir rüber.

„Wohin?"

„Ein paar meiner Freunde haben heute geheiratet und ich würde ihnen gerne noch gratulieren", beantworte ich seine Frage zuckersüß. Er scheint zu überlegen, sieht immer wieder skeptisch zu mir rüber.

„Ein paar Freunde?"

„Ja."

Nein.

Sein Blick wandert zur Uhr auf der Armatur, dann wieder zu mir.

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