Wie der Tod zu leben begann

4 2 0
                                    



In einem vergessenen Eckchen, tief in den Bergen des zwölften Königreiches versteckt, wuchs ein Baum. Kein einfacher Baum, nein, ein Baum, den es sonst in keinem anderen Königreich gab. So alt, wie kein anderes existierendes Lebewesen. Dieser Baum war mächtig, von gigantischer Größe und sein Alter schien ihn glauben zu lassen, er hätte schon alle Mysterien dieser Welt gesehen, schon alles erlebt, was zu erleben war. Doch eines Nachts geschah etwas, das sich der Baum nicht mehr zu träumen gewagt hätte. Der Himmel erstrahlte in all seiner Schönheit, in all seiner Pracht und bescherte die perfekte Dreimondnacht. Aber etwas auf Erden was noch schöner, als der Himmel selbst. Ein Wesen, so bezaubernd, als wäre einer der Monde persönlich hinabgestiegen. Die Sternfee suchte die Nähe des alten Baumes, um in seinem prachtvollen Schatten zu singen. Und ihre Stimme war so rein, ihr Gesang so unbeschreiblich, dass es für einen Moment so schien, als hielte jedes Wesen den Atem an. Und der Baum hatte gar keine andere Wahl, als sich in ihre Schönheit zu verlieben. Von jenem Tag an kam die Sternfee zu jeder Dreimondnacht und sang zu Füßen des Baumes. In jeder dieser Nächte ließ der alte Baum all seine Knospen blühen, zu Ehren ihrer Schönheit. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten schien der müde Baum wieder so etwas wie Glück zu empfinden. Doch jedes Glück findet irgendwann einmal sein Ende. Und so kam es, dass die Sternfee eines Nachts nicht mehr erschien. Der Baum wartete und wartete voller Trauer und Verzweiflung, doch seine Hoffnungen wurden enttäuscht. Nie zuvor hatte der Baum sich sehnlicher gewünscht Flügel zu haben oder Beine. So schickte er ein kleines Wesen, eine kleine Spinne, die in ihm wohnte, los, um seine geliebte Fee zu suchen. Und die Spinne machte sich auf den Weg. Sie suchte in jedem Königreich, an jeden Fluss, hinter jedem Baum. Und dann fand sie die gesuchte Sternfee. Doch aus ihrem Mund ertönte schon lange kein Gesang mehr. Als die Spinne dem alten Baum diese Nachricht überbrachte, verfiel dieser in tiefe Trauer über den Tod seiner Geliebten. Aus der verzweifelten Hoffnung, sie könnte doch noch zurückkehren, lässt der Baum seit jeher an jeder Dreimondnacht eine Knospe erblühen. Doch in jeder Nacht wird er enttäuscht. Und so fällt diese Knospe, gefüllt mit den gesammelten Tränen des alten Baumes, zu Boden und formt eine Figur, die wir den Tod nennen. Und so streift der Tod über alle Königreiche, immer auf der Suche nach etwas, das er nicht finden kann. Jedes Wesen, das seinen Lebens müde geworden ist, wird Besuch erhalten von einem dieser Tode. Denn der Tod kann nicht anders. Es ist sein einziger Lebensinhalt, der Grund warum er geboren wurde, und der einzige Grund, warum er nicht stirbt.


The Fear Of Being ForgottenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt