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Auf dem Weg zum Stand stecke ich mir wieder meine Kopfhörer rein und lasse mich von meiner Musik berieseln.

Ich schwöre bei Gott, wenn ich in solchen Situationen die Musik nicht hätte, würde es definitiv Tote geben!

Angekommen schlendere ich eine Weile am Strand entlang und starre nur aufs Wasser bis ich mich langsam wieder beruhige. Doch dann setzt wie immer der Schlimmste Teil nach so einer Situation ein, das Nachdenken.

Wieso bin ich so? Womit habe ich das verdient?

Enttäuscht klettere ich auf einige Felsen die eine Reihe bilden, und etwas hinaus ins Meer führen. Vorsichtig balanciere ich auf ihnen und lasse meinen Blick nicht von meinen Füßen abschweifen. Denn wenn ich ein mal in der nachdenklichen Phase bin, dann bekomme ich so gut wie gar nichts mehr von meiner Umwelt mit.

Als ich das Ende der Felsen erreicht habe setze ich mich an die Kante und lasse meine Füße flach über dem Wasser baumeln. Tante Kassie hat das gerade sicher mit bekommen und wird mich nun noch mehr in Schutz nehmen wollen als zu vor. Ich hoffe mein Onkel wird wenigstens weiterhin auf meiner Seite sein, immerhin ist er gerade der Einzige der mich hier zu verstehen scheint.

Eine ganze Zeit lang starre ich nur deprimiert aufs Wasser, und beobachte wie sich das orange- goldene Licht der langsam untergehenden Sonne, in den kleinen Wellen, die gegen die Felsen schlagen, bricht. Bis ich auf ein mal leise Gesänge vernehme, die eindeutig nicht von meiner Musik stammen können.

Verwirrt nehme ich meine Kopfhörer aus den Ohren und sehe mich um, doch es ist rein gar nichts zu sehen. Nur dieser seltsame Gesang der mich wie in einen Nebel hüllt. Mein Körper fühlt sich auf ein mal so leicht an, und mein Kopf scheint sich immer mehr von jedem Gedanken zu befreien. Doch bevor ich mich komplett verlieren kann, höre ich auf ein mal meine Tante, die zum Abendessen ruft.

Wie aus einem Träum gerissen schrecke ich auf und sehe in die Richtung des Hauses. Der Gesang hat schlagartig aufgehört und scheint mit dem leisen Rauschen des Meeres zu verschmelzen.

Ein letztes Mal sehe ich zum Wasser und sauge die letzten Sonnenstrahlen des Tages auf, bevor ich mich langsam wieder auf den Weg zum Haus mache. Ich fühle mich seltsam, alles in mir scheint sich irgendwie zu drehen, aber dennoch bin ich tiefenentspannt.

Als ich das Haus betrete sitzen alle bereits im Esszimmer und scheinen nur auf meine Anwesenheit gewartet zu haben. Schweigend setzte ich mich dazu und lasse mir von Tante Kassie einen Teller reichen.

,, Hey Jungkook.", werde ich knapp von meinen Cousins begrüßt. Der Älteste ist fünfzehn, der Mittlere zwölf und der Jüngste gerade mal sieben Jahre alt. Aber obwohl ich sie alle drei schon seit sie Windelscheißer sind kenne, stehen wir uns nicht besonders nahe. Stört mich aber ehrlich gesagt auchß nicht wirklich.

,, Hey.", entgegne ich noch knapper als sie, und beginne mit dem Essen. Gekonnt halte ich mich aus jeglicher Konversation raus, oder antworte sehr reserviert. Ich will meine Tante immerhin nicht noch weiter verunsichern, was den Umgang mit mir betrifft.

Kann aber natürlich auch sein dass der Schuss nach hinten los geht, und sie sich jetzt noch mehr Sorgen um mich macht.

,, Sag mal Kookie~ hast du eigentlich eine Freundin?", fragt meine Tante auf einmal völlig zusammenhangslos.

Verwirrt wandert mein Blick von meinem Essen auf sie: ,, Wie kommst du jetzt darauf?".

,, Naja, wir haben doch gerade von Jong-Huns Freundin gesprochen. Da wird man doch wohl noch fragen dürfen.", antwortet sie und zuckt mit den Schultern. Doch mein Blick wandert weiter zu meinem ältesten Cousin.

,, Du hast ne Freundin?", frage ich verwirrt, woraufhin er nur genervt mit den Augen rollt. ,, Darüber haben wir doch gerade die ganze Zeit geredet Arschloch.", meckert er und stochert in seinem Essen rum.

Da sieht man mal wie wenig ich mitbekomme. Doch als ich gerade auf die Frage von meiner Tante antworten will, erhebt sie bereits die Stimme: ,, Jeon Jong-Hun! Entschuldige dich sofort bei Jungkook oder du kannst gleich auf dein Zimmer gehen!".

Genervt rolle ich mit den Augen und stehe auf. ,, Nein das mach ich schon. Und diesmal keine Krisengespräche über mich hinter meinem Rücken, danke.", sage ich monoton und verlasse das Esszimmer und steige langsam die Treppen hinauf.

Ich bin verdammte neunzehn Jahre alt! Wieso glaubt sie, dass ich nicht mal mit dem pubertären Verhalten meines Cousins klar komme? So ein Sensibelchen bin ich nun auch wieder nicht. Außerdem hätte ich an seiner Stelle nicht anders reagiert. Mich hätte es auch angekotzt das ich nie zu höre, und dann auch noch so doof frage.

Seufzend betrete ich mein Zimmer und knipse das Licht an. Ein gelungener erster Tag würde ich sagen, jetzt haben wir so gut wie jedes Vorurteil den meine Tante haben könnte abgegriffen und wieder werde ich den Abend alleine in meinem Zimmer verbringen.

Um nicht wieder allzu nachdenklich zu werden hole ich meinen kleinen Lautsprecher aus meiner Tasche und verkabel diese mit meinem Handy, um während des Auspackens laut Musik zu hören.

Während ich also dabei bin meine Sachen in den Schrank zu räumen, bin ich voll und ganz auf die Musik konzentriert, und singe sogar leise mit. Als es jedoch plötzlich an der Tür klopft zucke ich erschrocken zusammen. ,, J-ja.", stottere ich etwas konfus vor mich hin und sehe zur Tür.

Ich bin eigentlich der festen Überzeugung das es meine Tante ist, die dort vor meiner Tür steht, doch zu meiner Überraschung tritt nicht sie, sondern Jong-Hun herein.

,, Ist was?", frage ich ihn überrascht und beobachte ihn wie er sich auf mein Bett setzt. ,, Nö... wollte mich eigentlich bei dir entschuldigen wegen-", doch bevor er weiter reden kann unterbreche ich ihn: ,, Schon gut, ist normal in deinem Alter. Kannst Tante Kassi sagen sie soll aufhören sich um dein Benehmen mir gegenüber zu kümmern, das mache ich schon selbst.", grinse ich und verpasse ihm einen leichten Klaps auf den Hinterkopf als ich wieder vor meiner Tasche stehe.

,, Ey!", sagt er belustigt und streicht über die Stelle an der ich ihn geklapst habe. ,, Bei der nächsten Beschimpfung leg ich mehr Kraft rein.", meine ich und hole die letzte Ladung Klamotten aus meiner Tasche.

,, Schon gut.... Bei dir wurde der Farbkasten auch noch nicht erfunden oder?", fragt er und deutet auf meinen offenen Kleiderschrank und die Sachen in meiner Hand. Erst jetzt fällt mir wirklich aktiv auf, dass fast über siebzig Prozent meiner Kleidungsstücke schwarz sind.

Doch antworten tue ich lediglich mit einem Schulterzucken und: ,, Passiert, schwarz ist ebend schick."

Mit diesen Worten wende ich mich wieder von ihm ab und verstaue den letzten Schwung in meinem Schrank.

After LifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt