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Mit zitternden Händen ziehe ich zwei weitere Briefe aus dem Umschlag, einen mit der Aufschrift Familie und einen mit Jungkook.

Etwas perplex starre ich auf den mit meinem Namen drauf, wieso sollte er einen extra Brief an mich verfassen?

Ich habe ihn kaum gekannt, und war nicht mal in der Lage ihm zu helfen, also wieso dieser extra Brief?

Verwirrt öffne ich diesen und ziehe das Schriftstück heraus.

Hey Jungkook,
Ja ich weiß das dich das ganze hier sehr verwirren wird, mir ist schon klar das wir nie wirklich miteinander zu tun hatten und wir uns deshalb kaum kennen. Aber es war mir wirklich sehr wichtig das hier an dich zu verfassen, weil ich weiß das du der Einzige bist der mich vielleicht irgendwo verstehen kann. Es ist mir wichtig zu wissen das ich nicht komplett auf Intoleranz stoße mit meiner Entscheidung, aber vielleicht wirst selbst du mir nie verzeihen was ich getan habe. Ich will hier nicht meine Geschichte erzählen, wenn du dich dafür interessierst frage meine Familie nach ihrem Brief, aber ich will das du weißt das ich irgendwie immer zu dir aufgesehen habe. Du hast es geschafft trotz dem Schicksal deines besten Freundes und deinen Depressionen irgendwie immer den Kopf oben zu halten. Wie? Ich meine wie ist sowas möglich? Wie kannst du so stark sein, obwohl dich das Schicksal regelrecht misshandelt hat. Aber das ist auch der Grund wieso ich so lange durchgehalten habe. Ich habe mir immer gesagt: Wenn Jungkook das kann, dann werde ich es auch schaffen. Aber wieso bin ich dann noch weiter kaputt gegangen? Ich wollte doch stark sein, ich wollte für meine Familie stark sein. Aber anscheinend bin ich doch zu schwach dafür. Es tut weh das du nicht auf meine Nachricht geantwortet hast, aber ich bin mir sicher das du deine Gründe hattest. Aber bitte denke nicht das du deswegen Schuld bist an dem was ich getan haben werde. Bitte sei dir sicher das ich es nur wegen dem Mut den du mir gegeben hast so lange gelebt habe. Du bist ein guter Kerl, also mach dir keinen Kopf darüber, nicht du hast mich soweit getrieben, sondern diese gottverlassene Welt und die Menschen in ihr. Bitte pass für mich auf meine Brüder auf. Jong-Hun ist in meinen Augen viel zu eingebildet und wird ein mal sehr böse auf die Schnauze fliegen, und von Choi müssen wir gar nicht erst anfangen. Er ist so unschuldig und mir tun die Konsequenzen meines Handelns ihm gegenüber jetzt schon Leid, aber es wird endlich mal Zeit auch an mich zu denken, und nicht zu sinnlos zu kämpfen um andere glücklich zu machen.
Leb wohl Jungkook.

Und das wars... geschockt starre ich einfach auf das Papier. Er hat zu mir aufgesehen?

Ich verstehe das alles einfach gerade nicht, was zur Hölle...

Meine Welt ist erschüttert, gedankenverloren lasse ich meine Hand mit dem Schriftstück sinken und starre einfach an die Wand.

An jemanden der ihn versteht. Ich verstehe ihn nicht, ganz und gar nicht. Vielleicht hat er keinen Ausweg mehr gefunden, aber er war erst zwölf! Man hätte ihm noch helfen können!

Hat es denn niemand gemerkt, oder wieso hat er keine Hilfe bekommen? Was ist hier bitte alles schief gelaufen das er sich bis zum Schluss so gequält hat?

Diese ganze Sache wirft aber selbst bei mir ganz neue Fragen auf.

Ich hatte wenigstens das Glück das ich Hilfe bekam, und selbst wenn ich abstürzen wollte, wurde ich immer fest gehalten.

Und das Minho diese Unterstützung augenscheinlich nie bekommen hat, macht mich unglaublich wütend.

Jetzt wo ich weiß was schief gelaufen ist würde ich gerne lieber mit ihm tauschen. Wieso habe ich alles bekommen damit es mir besser geht, aber er nicht. Er war viel Schlimmer dran als ich und hätte es verdient sich wieder aufrappeln zu können.

Das alles ist einfach zu viel für mich. Ich verstehe es nicht, und das macht mich fertig!

Am liebsten würde ich jetzt runter zu Tante Kassi stürmen und ihr die Briefe vor die Füße werden, aber das wäre nicht der richtige Weg, vor allem nach ihrem Absturz vor ein paar Tagen.

Ich kann nichts tun außer da zu sitzen und zu verzweifeln. Wie ich diese Machtlosigkeit doch hasse! Man fühlt sich so schwach, als würde man jeden Moment zusammenbrechen.

In mir baut sich eine Art Druck auf und böse Gedanken fluten mein Unterbewusstsein. Aber ich darf nicht wieder in alte Muster verfallen, denn wenn ich das tue helfe ich nicht mal mir selbst damit, und anderen schon gar nicht.

Aber meine Narben beginnen zu brennen, und mein Verlangen danach wird immer größer, mein Verstand schaltet immer weiter ab.

Wenn ich jetzt nichts mache werde ich dem nicht mehr lange Stand halten können, also gehe ich schnell zu meinem Schreibtisch und krame einen Edding hervor.

Lieber tue ich etwas was mir schon früher sehr geholfen hat, ich habe es in der Zeit der Klinik gelernt.

Das ganze nennt sich Schmetterlingsmethode. Am Anfang fand ich es selbst ziemlich lächerlich. Aber als ich gemerkt habe das es mir hilft, habe ich die Zweifel sehr schnell abgelegt.

Kurz schließe ich meine Augen und versuche genau zu spüren wo es gerade am Schlimmsten ist, dann öffne ich schnell den Stift und male mir einen großen Schmetterling auf mein linkes Handgelenk und an meine rechte Wade.

Das Prinzip ist einfach, wenn man verlangen hat malt man sich einen Schmetterling, oder auch etwas anderes, auf das Körperteil an welchem du dich verletzen willst.

Am besten gibt man diesen dann noch Namen, von den Personen die du unter keinen Umständen verletzen willst.

Wenn du nachgibst und dich dort verletzt, tötest du die Schmetterlinge und somit auch die Jenigen die du liebst, wenn du es aber schaffst und die Schmetterlinge verblassen, sind sie frei und können in Ruhe weiter leben.

Es ist so einfach, und dennoch mit so viel Wirkung. Diese Methode hat mich schon vor vielen Narben geschützt, und Namjoon hatte irgendwann auch immer einen Stift für mich in der Jackentasche falls wieder etwas passieren könnte.

Süße Erinnerungen... an eine doch schwere Zeit, zum Glück gibt es aber immer Menschen die einen auffangen, wenn man sie nur nahe genug an sich heran lässt.

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