Schock

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Jenny pov

Ich war mit Chris nicht mehr all zu lange unterwegs. Wir hatten zwar wirklich eine schöne Zeit gehabt und Julie war früher gegangen, damit sie noch Zeit mit Seb verbringen konnte, hatte mir aber vorhin noch gesagt, dass ich heute Nacht bei ihr übernachten konnte, damit ich nicht alleine war. Ich sah dann, dass Julie mir eine Nachricht über WhatsApp geschrieben hatte, dennoch wollte ich zuerst meinem Verlobten schreiben.

Ich geh heute wieder zu Julie, Sebastian ist ja jetzt wieder so lange weg und du weißt, dass sie alleine durchdreht. Aber ich laufe gerade nach Hause, hast du Lust zu telefonieren? Ich liebe dich, Jenny.

Doch als ich dann Julies Nachricht las, seufzte ich. Sebastian fuhr ja erst morgen früh und stören wollte ich sie wirklich nicht. Dazu hatten sie die letzten Tage zu wenig Zeit füreinander.

Als selbst nach 20 Minuten noch immer keine Antwort von Chris kam und er normal immer sofort antwortete, sobald ich schrieb, beschloss ich, ihn anzurufen. Konnte ja nicht schaden und vielleicht war ihm ja was passiert, was ich natürlich nicht hoffte. Nummer sicher war einfach Nummer sicher. Aber wie erwartet hob er nicht ab. Es ging noch nicht einmal die Mailbox ran. Ich würde echt noch durchdrehen vor Sorge um ihn.

Ich bog in die nächste Straße ein, während ich die letzten Tage Revue passieren ließ. Ich war mir sicher, dass Chris etwas vor mir verheimlichte und ich war mir ebenfalls sicher, dass es dieses Mal keine tolle Überraschung für mich sein würde, sonst würde er nicht ständig verschwinden und mir endlich mal früh genug Bescheid sagen, wenn er ein Meeting hatte. Irgendwas hatte sich verändert. Auch wie er mit mir redete und wie er sich öfter mal verhielt. Das war eine Seite, die ich nicht an ihm kannte und die er nach einem Jahr Beziehung das erste Mal zeigte. War er wirklich so ein Mensch?

Ich erstarrte wie ein Block Eis, als ich Zuhause an der Straße zum Vorgarten stand und Chris Auto parkend in der Einfahrt stand. Mein erster Gedanke war, dass er mich überraschen wollte, dass war wohl der letzte Funke Hoffnung, den ich noch hegte, doch als ich lächelnd an seinem Auto vorbei lief, verging mir jegliches Grinsen und ich hatte das Gefühl, jemand würde mir mit einem Messer tausendfach in die Brust stechen.

Chris war nicht alleine gekommen. Neben seiner Jacke und seinem Gürtel lag noch eine Strickweste. Und ich wusste sofort, von wem diese Strickweste war.

Ihr ekelhaftes Parfüm stieg in meine Nase, obwohl hier nichts zu riechen war. Erneut stachen mir hunderte Messer in mein Herz und für einen Moment schien es still zu stehen und seinen Job aufzugeben, denn die Schwärze schlich sich vor meine Pupillen und meine Lunge schnürte sich um das zehnfache zusammen. Ich bekam keine Luft mehr und sackte fast auf die Knie.

So gerne hätte ich mich bewegt, ins Haus hinein, wäre der Sache auf den Grund gegangen, doch alles was ich tat war, auf diese Weste zu starren. Diese eine Weste, die viel zu weiblich war, als dass sie ihm hätte gehören können. Warum lagen diese Klamotten hier draußen. Warum hatte er nicht warten können, bis sie drin gewesen sind?

Missverständnis, Missverständnis, Missverständnis.

Versuchte ich es mir so klar zu machen, doch egal wie laut ich es in meinem Kopf schrie, das Gefühl verschwand nicht. So viele Westen, so viele Menschen, es gibt 100 Frauen mit solchen Westen. Doch es gab nur eine, die nahe genug an Chris gestanden war, zu der er wieder hätte gehen können.

Missverständnis, Missverständnis, Missverständnis.

Versuchte ich es wieder uns beruhigte mich einigermaßen. Wieso hatte ich nur so krasse Angst? Kopfschüttelnd schloss ich die Tür auf und atmete tief durch. Chris würde das niemals tun. Niemals. Da war ich mir sicher. Anscheinend etwas zu sicher, denn als ich in die Küche kam und in das Wohnzimmer sehen konnte, sah ich weitere verteilte Kleidungsstücke. Sein Shirt, ein weibliches Shirt, seine Jeans. Sogar einen Bh fand ich. 

Der ultimative Lügentest war alles, was mir einfiel. Also wählte ich wieder die Nummer meines Verlobten und dieses Mal ging er sogar ran. Schnell lief ich auf Zehenspitzen ins Badezimmer nach oben und schloss leise die Tür. Das konnte ich, gut sogar. Ich war schließlich in einem strengen Haushalt aufgewachsen.

"Hey Schatz." sprach ich leise und räusperte mich. "bist du im Hotel?"

"Sorry Baby." 

Schwer atmend hörte ich es rascheln und eine Frauenstimme im Hintergrund. Leise und ebenfalls schwer atmend.

Missverständnis, Missverständnis, Missverständnis.

Beruhig dich, Jenny!

"Ich bin gerade bei einem Meeting." Leise öffnete ich die Tür des Bads und tapste leise den Flur entlang zu unserem Schlafzimmer. "Ich rufe dich später zurück, ich liebe di-"

Doch weiter kam er nicht, denn ich öffnete mit einem Handgriff die Tür und ließ sie schwungvoll, dennoch nicht zu schnell, gegen die Wand knallen.

"Tolles Meeting." sprach ich und drehte meinen Kopf zur Seite und was ich dort sah, stach nicht nur auf mein Herz ein, sondern zerbrach es noch in tausend Teile. "Ach komm schon." hauchte ich verzweifelt und atmete tief jammernd aus, während ich versuchte, die aufkommende Panikattacke zu unterdrücken. "Es hätte jede sein können, du Arschloch! Aber nein, SIE ist es!"

Slate. Als hätte ich es gewusst. Die ganze Zeit, das komisch Verhalten, es hätte mir auffallen müssen. Es hätte mir klar werden müssen, dass sie es sein würde, die mir zum Verhängnis wurde. Sie war von Anfang an auf Krawall gebürstet gewesen, aber dass Chris zu ihr zurück ging und mich damit in die Pfanne schlug und sie verteidigte. Tolles Missverständnis.

"Ich kann das erklären." versuchte er sich raus zu reden, sprang aus dem Bett und zog seine Boxershorts über. Mein Blick fiel auf seinen Körper und ein Schauer voller Ekel überkam mich. Er hatte sie angefasst, er hatte sie wieder zurück genommen, während er sich mit mir verlobt hatte.

"Du dreckiger Hund." 

Meine Wut stieg unkontrollierbar in die Höhe und als ich ihm in die Augen sehen konnte, klatschte es im nächsten Moment und der blonde Schopf meines Verlobten drehte sich zur Seite. Jenny schrie erschrocken auf und ich schwöre, ihre Stimme war die Pest. Meine Wut verging schnell, doch das unglaubliche Gefühl von Enttäuschung stieg in mir an und ließ mein Herz so unglaublich schwer werden. Erneut kämpfte ich gegen eine Panikattacke und atmete tief durch.

"Schatz." schluckte er nur und sah mich wieder an. Dass ich so ruhig bleiben konnte, wunderte mich. Aber vielleicht lag es einfach daran, dass ich tief in mir wusste, dass es passieren würde. Ich wusste es von den Zeitpunkt an, als er diese Wohnung überstürzt verlassen hatte und ohne weiteres gefahren war. Es war mir klar gewesen, weil er sich verändert hatte. Ich hatte es mir nur nie eingestehen wollen.

"Halt deine Fresse." zischte ich hervor und biss meine Zähne zusammen. Ich wollte seine Stimme nicht mehr hören oder er würde mich damit noch umbringen. Dann sah ich Slate an und ballte meine Fäuste, die Wut stieg wieder ein wenig und ich musste mich zusammen reißen.

"Raus aus meinem Haus." sprach ich leise und als sie nicht reagierte, sondern nur Chris ansah, explodierte ich. "Ich sagte, raus hier!"

Ohne weitere stieß ich den Blonden zur Seite, lief zum Bett und zerrte das Miststück an ihren schwarzen Buschlocken aus dem Bett. Kurz schrie sie auf, doch dann war auch schon Chris wieder da und zog mich von ihr weg.

"Spinnst du jetzt total!" schrie er mich an. Er hatte mich noch nie angeschrien, geschweige denn mich so angegangen. Verwundert über seine Worte, riss ich die Augen kurz auf und wollte zurück schreien, doch schloss meine Lippen wieder und schluckte. Es hatte keinen Sinn, diese Beziehung war zu Ende. Sie war zu Ende gewesen mit dem Moment, an dem er sich entschieden hatte, zu ihr zurück zu gehen. 

"Vergesst es. Lasst euch am besten nicht stören." Ich zerrte mir den Ring von den Fingern und warf ihm Chris vor die Füße. "Ich verschwinde von hier. Hab ein schönes Leben mit diesem Miststück. Ich will dich nie  wider sehen!"

Schnell packte ich ein paar Sachen zusammen in eine Tasche, die hier verteilt rumlagen und stürmte aus dem Haus, so schnell ich konnte. Mit einem schnellen und geübten Handgriff stieg ich in mein Auto und noch als ich Chris in der Türe stehen sah, wie er nach mir rief und auf seinem Gesicht die Tränen des Mitleides flossen, hatte ich ausgeparkt und machte mich auf eine Reise mit unbekannter Route. Mein Tank war voll und mein Kopf auch. Ich hatte kein Ziel.

Chris war für mich gestorben. Doch mit ihm starb auch etwas von mir. Und meine kleine, heile Welt gleich mit.

Love Is All You NeedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt