Entscheidung

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Julia POV

Ich wusste nicht, wer es war, der an meinen Trailer klopfte. Ich wusste überhaupt nichts, nur, wie sehr mein Kopf wehtat und dass meine Augen rot waren von den vielen Tränen, die ich vergossen hatte. Ich hatte zu lang über Sebs Worte nachgedacht und sie taten immer mehr weh und nachdem Chris zu Jenny gegangen war, war ich guten und schlechten Gewissens gleichzeitig wieder in meinen Trailer verschwunden. Müde strich ich über mein Gesicht, um die Spuren zu beseitigen, die ich konnte und ging zur Tür, um sie zu öffnen.

"Julie, Chris und ich..." fing sie auf deutsch an, stockte jedoch sofort als sie mir in die Augen sah. "Oh Julie..." Sie umarmte mich fest und verstand. Ich musste mich zusammen reißen um nicht wieder anzufangen zu weinen, denn das machte mich einfach viel zu fertig, diese ganze Situation. Ich hatte mich ihm viel zu sehr hingegeben, und das wurde mir nun mal wieder zum Verhängnis. Wie hatte ich auch nur denken können, dass er für mich seine wirklich hübsche Freundin. "Hey alles wird gut, ganz sicher, weißt du, das wird sich bestimmt alles bald klären." murmelte sie leise an mein Ohr. Ihren Optimismus hätte ich gern, mag ja sein, dass bei ihr inzwischen wieder alles in Ordnung war, aber das war es bei mir nicht, lange nicht.

"Wie lief es mit Chris?" lenkte ich ab und drückte sie ein wenig von mir, um ihr in die Augen zu schauen, die sofort anfingen zu strahlen. Es war also wirklich gut gelaufen und irgendwie entspannte es mich, weil ich wusste, dass sie weiterhin ihren Traum leben konnte, auch, wenn ich es nicht konnte, zumindest nicht direkt.

"Danke dass du mit ihm geredet hast. Wir haben uns ausgesprochen und er hat sich entschuldigt. Ich hatte ihm erst nicht glauben können, dieses Bild hat sich einfach in meinem Kopf eingebrannt, aber es war doch so glaubwürdig. Er hat sich wirklich schlecht gefühlt, er hat es bereut und vor allem hat er sie nie küssen wollen. Weißt du, er ist wirklich perfekt." Ich lächelte und lief zurück in den hinteren Teil meines Trailers, sie folgte mir, denn sie wusste, wie unecht mein Lächeln gewesen war. Sie wusste wie es mir ging, sie wusste es einfach immer und ich hasste den Fakt. Gerade hasste ich alles. "Julie, du musst mal wieder rauskommen. Komm mit zum Set, zuschauen, ablenken."

Sie blieb einige Schritte entfernt stehen und ich hörte, wie sie ihre Schultern fallen ließ, weil sie nicht glücklich über meine Situation war. Und wenn sie nicht glücklich über etwas war, dann setzte sie alles daran, dass sich diese Situation änderte.

"Seb wird da sein." erwiderte ich und zuckte mit den Schultern, als ich mich umdrehte und ihr in die Augen schaute.

"Das kannst du nicht ändern. Auch nicht, dass Margosh da ist, weil sie vorhin ans Set gekommen ist. Aber du solltest das Beste daraus machen, denn du bist stark. Und wenn du eine Pause brauchst, komm einfach in die Raucherecke, da steh ich in den Pausen und gönn mir ein oder zwei Zigarettchen, da hat man seine Ruhe."

Ich nickte langsam und gab mich geschlagen. Sie würde nicht aufhören bis ich nachgab, also gab ich eben nach, damit sie nicht zu spät zum Drehbeginn kam.

"Ich komm nach, ja?"

Sie schaute mir tief in die Augen, bevor sie einige Schritte auf mich zu lief und ihre Hände auf meine Schultern legte, um mir eine Art Bestätigung zu geben.

"Aber komm wirklich Julie, es wird dir gut tun, unter Menschen zu sein, glaub mir. Ich muss gleich am Set sein, sonst würde ich auf dich warten und dich höchstpersönlich mitschleppen."

Ich grinste, denn ich wusste, dass sie das wirklich tun würde, aber ich war noch nicht bereit, so unter Menschen zu gehen, ich würde mich erst frisch machen müssen.

"Ma'am yes ma'am. Gib mir ne halbe Stunde, ich sollte noch schnell duschen."

Sie lächelte mich an und drückte mich schnell zum Abschied, bevor sie auf ihrer Smartwatch einen Timer stellte, bevor sie die Türe öffnete.

"In einer halben Stunde steh ich vor deiner Tür, mit Verstärkung, und wir zerren dich zusammen zum Set!" rief sie noch und ich schüttelte den Kopf, als die Tür ins Schloss fiel, während ich mich noch darüber wunderte, wie fit ihre Stimme schon wieder war. Dieses Mädchen wurde einfach viel zu schnell wieder gesund, ich beneidete sie ja schon ein wenig. Ich suchte mir schnell ein paar bequeme Sachen zusammen, bevor ich unter die Dusche sprang und mich schnell duschte. Knapp 25 Minuten später war ich fast am Set und hörte gerade einen 'Cut' Ruf von Anthony, der gerade das Lachen mehrerer Schauspieler unterbrach.

"Leute, ich brauch mehr Ernsthaftigkeit!"

Das konnte nur eines bedeuten: sie bauten wieder Scheiße. Grinsend betrat ich das Set und hielt Ausschau nach meiner besten Freundin, die bei meinem besten Freund stand und im Drehbuch den Anfang der gedrehten Szene suchte, während sie sich mit ihrem Freund unterhielt und ihm nochmals seine Lines sagte, denn er würde bald zur Szene dazu kommen. Ich beneidete meine beste Freundin um so einiges, denn auch, wo ich sie und den blonden Schauspieler von Weitem sah, sah ich diese Verbindung, die Chemie, die die beiden hatten. Sie sahen zusammen einfach viel zu perfekt aus. Ich trat hinter sie und umarmte sie, doch wider erwarten machte sie einen Satz nach vorn und schrie auf.

"Himmel, Arsch und Zwirn, musst du dich so anschleichen?!" schrie sie, bevor sie mich überhaupt sah. Ich hingegen lachte und umarmte Lorenz zur Begrüßung, bevor Joe alle wieder auf die Plätze bat und bald schon sein Action-Ruf durch die Halle hallte. Doch die Ruhe hielt nicht lang. Diesmal war es Downey, der seinen Text vergaß, man hörte Jenny durch das komplette Set schreien, weil er dummerweise gut 30 Meter von ihr in der Luft schwebte.

"Merk dir einmal deinen Text, Robert, ein einziges Mal!" schob sie unter lachen hinterher und grinste die anderen Schauspieler an. Sie hatte sich im Gegensatz zu mir schon mehr als gut hier eingelebt und verstand sich mit allen prächtig, was kein Wunder war, denn sie war wirklich ein sozialer Mensch.

"Ach komm schon, du hast leicht reden mit dem Text in der Hand!" brabbelte dieser zurück und winkte mit einer schnellen Handbewegung ab, bevor er sie breit angrinste und Scarlett, die halb unter ihm stand und Mackie, der ebenfalls in der Luft schwebte, wieder anfingen zu lachen.

"Mehr hab ich auch nicht zu tun." grinste sie immer noch und schaute stolz in die Runde.

"Habt ihr euren Smalltalk jetzt beendet? Ich erinnere nur ungern daran aber wir hängen mit dem Dreh zurück und wir haben für Leipzig nur eine Drehgenehmigung von November bis Ende Dezember und wir haben noch einiges zu tun. Also würdet ihr bitte eure Späße auf später verschieben?" Anthony klang genervt und das Lachen verschwand aus den meisten Gesichtern, auch aus dem meiner besten Freundin, die sich räusperte und erneut den Anfang der Szene suchte. Ich sah, wie wichtig ihr das war, dass sie hier die Rolle hatte und Anthony hatte zwar recht, aber er war auch deutlich strenger als sein Bruder. "Danke. Also..."

Anthony sagte die Szene erneut an und beendete es mit einem lauten "Action" und die Klappe wurde zugeschlagen. Ich hingegen wollte mich ein wenig am Set umsehen und weniger meine beste Freundin stören, denn für sie war es ebenfalls Arbeit, die sie machen musste - und durfte. Es war nie schlecht, Zufluchtsorte zu haben, die unauffälliger als der Trailer waren, in die ich auch mal für eine halbe Stunde verschwinden konnte, ohne, dass es auffiel. Ich war nur einige Meter vom Drehort weggelaufen, da sah ich ihn. Sebastian. In voller Montur übte er seinen Text und fuchtelte mit der kleinen Handfeuerwaffe rum. Als er mich sah, ließ er sie fallen, während er mir in die Augen schaute. Kurz bevor ich weiterlaufen wollte fiel auch sein Text und er ging schnellen Schrittes auf mich zu.

"Ich hab Margarita nach Hause geschickt." Er kam mir näher und ich hielt mich davon ab, ihm in die Arme zu rennen, denn genau das war, was mich so zerstörte. Das zwischen uns war nicht gut, nicht solange er sie als Freundin hatte. "Ich hab das mit ihr beendet."

Warte, was?

Endlich war er bei mir und er ließ die Schultern fallen, bevor er sie wieder anspannte und ich merkte ihm an, dass er nicht wusste wohin mit sich. 

"Denn alles, was ich will, bist du."

Bevor ich seine Worte richtig verarbeiten konnte, zog er mich in seine Arme und küsste mich, hier am Set, wo jeden Moment jemand vorbeilaufen konnte, während seine großen Hände an meiner Taille ruhten und ich mich ihm hingab.

Love Is All You NeedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt