Sie ist fort

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POV Julia

Sebastian hatte Pratt geschrieben, doch auch dieser hatte keine Antwort darauf, wo sie war, was mich noch unruhiger werden ließ. Seb hatte viel zu viel Vertrauen in den Dino gehabt und ich hatte ihm viel zu einfach geglaubt. Und nun war ich enttäuscht worden.

"Komm schon, geh ran." murmelte ich, als ich zum wiederholten Mal ihre Nummer wählte, doch nach dem 4. Mal Klingeln ging wieder nur die Mailbox ran. 

Die Tage vergingen und irgendwann wurde ich direkt zur Mailbox geschickt. Entweder hatte sie meine Nummer blockiert oder ihr Handy war aus und beides beunruhigte mich noch mehr. Das Schlimmste an der ganzen Sache war, dass Seb auf Dienstreise war und für mindestens 5 weitere Tage nicht bei mir sein konnte. Noch schlimmer. Ich musste Evans bei seinem Beziehungsdrama beistehen, denn zwar hatte er Slate nach Hause geschickt, doch das Ganze lief als On-Off Beziehung weiter und Seb zuliebe musste ich ihn vorbeikommen lassen. Ich freute mich auf Dodger, aber sprechen würde ich mit Evans garantiert nicht.

Außer, mich holte die Angst, Wut und Zweifel wieder ein, die ich versuchte, zu unterdrücken, und so kam es nicht selten vor, dass ich schreiend und weinend auf seine Brust einprügelte, was er schweigend über sich ergehen ließ. Er verdiente es. Jede Sekunde und jeder blaue Fleck, den ich ihm damit hinzufügte, verdiente er.

Drei weitere Wochen vergingen, bis wir ein Lebenszeichen von meiner besten Freundin bekamen. Drei Wochen voller Terror, schlafloser Nächte und Panik, die ich um sie hatte, drei Wochen voller Anschuldigungen und Wutausbrüchen vor Evans' Haustüre, viele Ohrfeigen und viele Umarmungen in Momenten von Panik durch meinen Freund. Und das Lebenszeichen war nur indirekt von ihr. Es war von Pratt. Sie hatte ihn wohl angerufen und gebeten, zu ihr zu fahren, doch er wollte nicht damit herausrücken und mir sagen, wo sie war. Und bis ich durch den Stadtverkehr gekommen war, war Pratt schon auf dem Weg zu ihr gewesen. 

"Du machst dir zu viele Sorgen. Sie hat sich bei ihm gemeldet, weil sie bereit dazu war und er wird jetzt zu ihr fahren, damit sie nicht mehr alleine ist. Sie ist erwachsen, sie weiß was sie tut." fing mein Freund an, als ich frustriert durch die Haustüre lief, nachdem ich erneut vor Evans Haustüre gestanden war und ihm die Pest an den Hals gewünscht hatte.

"Sie ist seit 3 Wochen verschwunden. Komplett weg, wie vom Erdboden verschluckt. Und dann meldet sie sich nach 3 Wochen. Sie gibt ein Lebenszeichen von sich. Aber nicht einmal mir? Ihrer besten Freundin! Nein, dem nächsten Chris. Sie meldet sich bei Pratt. Beim Dino, Schatz!" Frustriert warf ich meinen Schlüssel auf die Couch. Da würde ich ihn später nie wieder finden, aber das war mir gerade egal. "Ich sollte diejenige sein, die jetzt im Auto sitzt und zu ihr fährt. ICH! Ihre beste Freundin. Nicht so ein dahergelaufener Straßenköter!"

Seb musste unwillkürlich anfangen zu grinsen.

"Bist du nicht ein wenig zu streng mit Pratt? Ich bin mir sicher, dass er nur Gutes für sie will!"

Ich schnellte herum und schaute ihn wütend an, bevor ich meinen Zeigefinger hob und ein paar Schritte auf ihn zu machte.

"Das hast du damals in Deutschland bei Evans auch gesagt, und schau, wo wir jetzt gelandet sind. Richtig. Meine beste Freundin ist verschwunden."

Immer noch frustriert schrie ich auf und trat die Couch, nur um mit schmerzverzerrtem Gesicht zurück zu weichen und noch mehr zu schreien. Ich hatte die Couch dumm mit meinem kleinen Zeh getroffen.

"Schatz, jetzt beruhige dich doch mal wieder. Es bringt niemand was, wenn du dich jetzt selbst verstümmelst. Sie ist erwachsen. Und wenn sie jetzt gerade Pratt braucht, dann braucht sie Pratt. Verstehst du? Er ist ziemlich neutral zu der ganzen Sache, sie hatten vorher kaum Kontakt gehabt. Sie kann sich ihm vermutlich einfacher anvertrauen. Und sie kennt doch sonst relativ wenig Leute hier. Sie wollte dich sicher nicht verletzen. Ganz sicher nicht. Aber du musst ihr Zeit geben. Versprichst du mir das?" Ich zuckte mit den Schultern, als er mich an sich zog. Ich wusste, dass er recht hatte. Es war nur alles eine verdammt verzwickte Situation. "Komm, ich mach uns etwas zum Mittagessen und dann können wir noch was unternehmen, wenn du magst."

Gesagt, getan. Knapp 2 Stunden später machten wir mit gefüllten Bäuchen einen Spaziergang entlang der Küste Manhattans und genossen die letzten Sonnenstrahlen über New York, bevor sie nun auch für hier Schnee angekündigt hatten. Wie gerne ich hier mit Jenny entlang gelaufen wäre, aber sie war weiß Gott wo und ich wusste nicht, wo sie war. Ich versuchte, mich auf etwas anderes zu konzentrieren, aber es war nahezu unmöglich. Seb merkte das natürlich und zog mich an sich, aber nur, um mir etwas ins Ohr zu flüstern.

"Wirst du deine Gedanken selbst sortiert bekommen oder muss ich sie zurecht rücken? Ich verspreche dir, dass du nach Option 2 nicht mehr laufen können wirst und die ganze Nachbarschaft meinen Namen wissen wird." brummte er mir mit tiefer Stimme ins Ohr und ließ meine Knie weich werden. Er wusste, welche Knöpfe er bei mir drücken musste.

"Naja, Option 1 hat die letzten Wochen ja nicht funktioniert, ich glaube wirklich, du musst nachhelfen." flüsterte ich leise in sein Ohr und meine Hand wanderte unauffällig an seinen Schritt. Es war eindeutig, dass er mich auch wollte und leise stöhnte er in mein Ohr. Wenn wir nicht bald daheim waren, musste die nächste öffentliche Toilette herhalten.

"Du wirst dich gedulden müssen, mein Engel. Und daheim wirst du schon deine Strafe bekommen, dass du mich hier in aller Öffentlichkeit anfasst." 

Er setzte einen Kuss an meinen Hals, den er kaum erreichte, da ich einen dicken Schal trug, bevor er mich weiter durch die Straßen von New York zog. Wie konnte er sich nur so gut beherrschen?

Es dauerte noch weitere 90 (!) Minuten, bis wir endlich daheim waren und es war kaum mehr auszuhalten für mich. Ich wollte ihn so nahe wie möglich bei mir und das wusste er. Doch statt mir zu geben, was ich wollte, machte er uns erst noch einen Kaffee. War das gerade sein Ernst.

"Trink." meinte er zu mir und stellte mir die Tasse hin, doch anstatt ihn zu trinken, protestierte ich.

"Das kann warten, ich-" fing ich an, doch einer seiner Blicke reichte und ich schlürfte meinen noch viel zu warmen Kaffee. Ich liebte es, wenn er mich dominierte, auch wenn ich es nicht gerne zu gab. Wer tat das auch schon? Aber wenn er es tat, war es so heiß. Und das war dann wohl meine Bestrafung, dass er mich hin hielt. Verdammt nochmal, ich hasste und liebte dieses Spiel zugleich. 

Wenn es nach mir ginge, würden wir unser Bett gar nicht mehr verlassen. Ich war voll und ganz sein, ich gehörte zu ihm wie die Faust aufs Auge passte. Und ich konnte kaum erwarten, den Rest meines Lebens mit ihm zu verbringen, denn er war der Mann, den ich absolut vergötterte. Und als wir 10 Minuten später laut stöhnend aufeinander lagen und ich seinen Namen schrie, wurde mir das nur wieder bestätigt. Und es tat gut, denn endlich drehte sich mein Kopf nicht mehr schwindelig vor Sorge um meine beste Freundin, sondern blieb endlich mal stehen und konzentrierte sich voll und ganz auf Sebastian, der sich immer wieder in mich drückte und nicht davon abließ. Und selbst, als ich das 4. Mal laut seinen Namen schreiend kam, ließ er nicht von mir ab. Verdammt, wie sehr ich diesen Mann liebte.

Love Is All You NeedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt