Kapitel 52

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[SAMU]

Schweigend starrte ich auf die klare Wasseroberfläche. Ich hatte meine Knie angewinkelt und meine Arme um sie gelegt. Die Frau, mit der ich aktuell viel Zeit verbrachte, saß ebenfalls stumm neben mir und schien in Gedanken versunken. Ich betrachtete sie kurz von der Seite. Blondes Haar und blaue Augen, wahrlich hübsch. Sie war mir verdammt wichtig, und das nicht erst seit gestern.

"Wann fliegst du wieder zurück?", fragte sie nach einer Ewigkeit des Schweigens. Darauf wusste ich keine richtige Antwort. "Du warst der Grund wieso ich hier bin, ich war der Ansicht, dass du einen gewissen Zeitraum geplant hast, bis ich wieder von dir entlassen werde", antwortete ich also. Die Frau wog den Kopf hin und her. "Ich weiß echt nicht, was ich mit dir anfangen soll", seufzte sie irgendwann, ehe sie näher ran rückte und mir behutsam eine Hand auf den Rücken legte. Bei dieser sonst so vertrauten Geste senkte ich schnell den Kopf, denn mir schossen wie so oft Tränen in die Augen, wovon sie jedoch nichts mitkriegen sollte. Dann legte sie den Kopf auf meiner Schulter ab und schloss die Augen. Einige Tränen konnte ich beim besten Willen nicht zurück halten, sie flossen über meine Wangen.

Nein, ich ging nicht fremd und war auch nicht in die Frau neben mir verliebt. Wäre auch verdammt komisch. Immerhin ist sie meine Schwester. Sanna hatte mich vor einer Woche zurück nach Finnland geschleppt, damit ich den Kopf etwas frei bekam und nicht jeden Tag einsam Zuhause saß und weinte. Vier Wochen lang war ich jeden Tag im Krankenhaus und saß stundenlang neben Elena. Doch als der Arzt mir ans Herz legte, mir das noch einmal zu überlegen mit dem Abstellen der Maschinen, ist der Faden gerissen. Ich durchlitt fast einen Nervenzusammenbruch und zeitgleich stand überraschend Sanna vor der Tür, die mich nach Finnland mitnahm, damit ich dort etwas Kraft tanken konnte. Ein wenig Abstand zu der Sache bekam. "Wenn du selbst nicht stark bist, kannst du auch nicht Elena stärken", hatte sie mit Nachdruck gesagt und so hatte ich mich schlussendlich von ihr überzeugen lassen. Die ersten Tage waren die Hölle. Jeden Moment hatte ich Angst, dass Elena gestorben sein könnte. Ich redete kaum und bereitete so meiner gesamten Familie Sorgen. Tagsüber gelang es mir die Fassung zu bewahren, doch Nachts schien ich in meinen Tränen zu ersticken.

Heute, eine gesamte Woche später, saßen Sanna und ich vor unserem Mökki am See und sogen die frische Luft ein. "Wieso war ich nicht mit Elena hier!?", fluchte ich leise vor mich hin und bereute es zutiefst, ihr meinen Zufluchtsort nie gezeigt zu haben. Vielleicht würde ich es nie wieder tun können.
"Na und? Dann machst du es halt wenn es ihr wieder besser geht!", sagte Sanna einfach und zuckte mit den Schultern. Während mein Optimismus irgendwie flöten gegangen ist, hat Sanna eine gewaltige Ladung davon bekommen, was manchmal etwas befremdlich war.

Auch meine Bandkollegen standen mir bei und unterstützten mich in jeder Hinsicht, wofür ich ihnen verdammt dankbar war.

Doch meine wahren Gefühle konnte ich erst dann zeigen, wenn ich alleine war. Jede Nacht saß ich in der Dunkelheit zusammen mit meiner Gibson im Zimmer und spielte sämtliche Lieder, die zu meiner Situation passten. Und auch neue Ideen kamen mir in den Sinn, doch ich wagte es nicht sie aufzuschreiben, aus Angst jemand würde so merken, wie schlecht es mir wirklich ging.

You can never be ready (Samu Haber FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt