Kapitel 51

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[SAMU]

Ich sah schrecklich aus. Ich wirkte wie um Jahre gealtert. Es war erst sieben Uhr, doch ich konnte nicht schlafen. Ich habe die ganze Nacht kein Auge zu gekriegt und fühlte mich einfach nur leer. Da es keinen Sinn hatte weiter im Bett zu bleiben, stand ich mühselig auf. Meine Glieder fühlten sich steif und unbeweglich an und ich schleppte mich ins Bad. Dort spritzte ich mir Wasser ins Gesicht und sah in den Spiegel. Ich wandte schnell den Blick wieder ab, denn mein eigener Anblick erschreckte mich. Nachdem ich mich umgezogen hatte schlurfte ich in die Küche, nur um dort festzustellen, dass ich keinen Hunger hatte. Dann machte ich mich auf den Weg ins Krankenhaus.
An der Rezeption saß eine asiatische Frau und lächelte mich freundlich an. "Entschuldung, wissen Sie, wo Elena Krüger liegt?", fragte ich, doch meine Stimme war heiser und drohte abzubrechen. Die Frau sah zu ihrem Computer und klickte darauf herum, bis sie mir eine Zimmernummer nannte. Allein bei dem Wort 'Intensivstation' zog sich mein Magen zusammen.

Meine Beine fühlten sich an, als wären sie aus Blei und ich kämpfte einen Ansturm von Tränen herunter. Auf der Intensivstation wurde ich in sterile Kleidung gesteckt und ließ einige Desinfektionstorturen über mich ergehen. Nachdem mir noch eine Haube über den Kopf gezogen wurde, durfte ich hinein.
Mir kam es vor, als würde ich mein Herz klopfen hören. Elenas Mutter kam gerade aus einem Raum, sie war niedergeschlagen und ließ sich kraftlos auf den Stuhl sinken. "Hallo Samu", begrüßte sie mich leise und auf Deutsch, doch ich war nicht in der Lage, irgendetwas zu sagen. Stumm sah ich sie an und erkannte den Schmerz, der ihr ins Gesicht geschrieben stand. Eine Schwester begleitete mich zu der Tür, ehe sie diese öffnete und mich dann reinwinkte. Ich schluckte einmal schwer und betrat dann den Raum. Mein Blick schweifte durch den kargen Raum, ehe er an Elena hängen blieb. Ich hielt die Luft an und starrte sie einfach an. Ihr Anblick trieb mir Tränen in die Augen und ich trat vorsichtig näher an das Bett heran. Sie lag dort so friedlich, so ruhig, dass ich mich für einen kurzen Moment an die Hoffnung klammerte, dass sie nur schlief und mich gleich anlächeln würde. Doch das Piepsen des EKG katapultierte mich wieder unsanft zurück in die Realität und ließ mich schmerzlich bewusst werden, wie schlecht es um sie stand.

Ich setzte mich zaghaft an ihr Bett und spürte, wie Tränen über meine Wangen flossen. Sie waren die stummen Zeugen meines unendlichen Schmerzes. Ich sah Elena einfach nur an, wagte es nicht, sie zu berühren. Stundenlang saß ich an ihrem Bett, sah meine Liebe an und weinte. Irgendwann stand ich wackelig auf und verließ den Raum. Ich ertrug den Anblick nicht länger, ich hielt es einfach nicht aus. Der Schmerz zerriss mich förmlich und als ich das Krankenhaus verließ ergriff mich augenblicklich die Angst, dass Elena tot sein könnte. Ich konnte diesem Schmerz kaum länger standhalten, also stolperte ich zu einer Bar. Ich wusste, dass das dämlich war, doch irgendwie musste ich dieser erdrückenden Last entgehen, wenn auch nur für eine kurze Zeit. In der Bar bestellte ich mir unzählige Shots und kippte sie runter, wie ein verdurstender Mensch Wasser.

Unzählige Shots später saß ich immer noch an der Bar. Ich konnte kaum noch klar denken und klammerte mich am Tresen fest, um nicht noch das Gleichgewicht zu verlieren. Es war bereits spät geworden und eine heiße Frau kam auf mich zu. "Hey Süßer, Lust auf ein wenig Spaß?", fragte sie verführerisch, doch ich verstand sie kaum, denn sie sprach Deutsch und mein Hirn hatte ich praktisch tot gesoffen. Doch auch so wusste ich, worauf sie hinauswollte. Das letzte Fünkchen Verstand meldete sich zu Wort und ich ignorierte sie. Plötzlich zog sie mich herum und wollte ihre Lippen auf meine drücken, da sah ich statt ihrem Elenas Gesicht vor mir. Sofort meldete sich ein stechender Schmerz in meiner Brust und ich sprang auf. Ich taumelte aus der Bar und dann weiter durch Berlin. Im Park musste ich mich mehrmals übergeben und an der Stelle, an der Elena angeschossen wurde sackte ich zusammen, kauerte mich auf den kalten Boden und begann erneut bitterlich zu weinen.

You can never be ready (Samu Haber FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt