Kapitel 11

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[SAMU]

"Da Frau Krüger nun keine Unterkunft hat, müssen wir uns noch darüber beratschlagen, wo sie vorerst wohnen kann", erklärte der Arzt und musterte uns. Ich saß wieder neben ihrem Bett und lauschte den Worten des Arztes. "Ihr einziges Familienmitglied in Berlin ist ihre Mutter-" - "Aber die wohnt im Altenheim", vollendete Elena den Satz düster. Sie starrte auf die Bettdecke, die Situation schien ihr unangenehm. "Ich kann Chloe fragen, vielleicht-", doch diesmal war ich es, der jemanden unterbrach. "Elena könnte bei mir wohnen. Ich hätte ein Zimmer frei und es ist gleich gegenüber", schlug ich dann endlich vor, was mir schon die ganze Zeit auf der Zunge gelegen hatte. Elena sah mich mit großen Augen an und der Arzt sah ebenfalls überrascht aus. "Wenn das kein Problem ist", sagte sie langsam und ich lächelte leicht. "Sonst hätte ich es ja nicht vorgeschlagen", erwiderte ich und drückte kurz ihre Hand. "Also gut, dann leite ich das weiter", sagte der Arzt und verschwand. "Danke, dass du das für mich machst", sagte Elena dann leise und ich sah sie an. Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen.
"Klar doch"
"Ich meine nicht nur das Wohnen. Du bist schon seit zwei Wochen entlassen, hast the Voice gewonnen und sonst viel um die Ohren gehabt, und doch besuchst du mich fast jeden Tag", sagte sie leise und ich griff nach ihrer Hand. Ich wusste ehrlich gesagt nicht was ich dazu groß sagen sollte, also räusperte ich mich kurz. "Gerne", war das Einzige, was ich dann herausbrachte. Es war der zweiundzwanzigste Dezember, also zwei Tage vor Weihnachten und ich war wieder fit. Meine Wunden sind restlos verheilt und auch sonst sah man mir nichts mehr an, was man von Elena nicht unbedingt behaupten konnte. Eine Brandnarbe zierte ihren Arm und der Fuß war nach wie vor eingegibst, doch sie machte sich nichts draus.

Ich war gerade in der Caféteria, um etwas Essbares zu holen, als ich plötzlich angesprochen wurde. "Sind Sie nicht Samu Haber?" Ich drehte mich um und sah ein wirklich hübsches, junges Mädchen vor mir stehen. Schüchtern lächelte sie mich an und ich lächelte zurück. "Ja, der bin ich", antwortete ich auf Deutsch. "Ich- Kann ich vielleicht ein Foto mit Ihnen machen?", fragte sie dann zögerlich. Eigentlich wollte ich zurück zu Elena, doch das gut fünfzehnjährige Mädchen war so lieb, dass ich nicht nein sagen konnte und nickte. Sie zog ihr Handy heraus und ich legte einen Arm um sie. Das Selfie war ganz gut geworden und ich umarmte sie noch einmal, ehe ich mich verabschiedete und zu Elena ging.
Leise öffnete ich die Tür und huschte in das Zimmer, wo ich mit der Tüte wedelte. Elena lachte und ich reichte ihr das Schokoladencroissant, welches sie sich gewünscht hat. Genüsslich biss sie hinein und ich kaute auf meinem Salamibrötchen herum, als der Arzt rein kam. Er zog eine Augenbraue hoch, verkniff sich aber jeglichen Kommentar und winkte dann eine Krankenschwester rein, die mit zwei Gehhilfen den Raum betrat. "Guten Tag", begrüßten wir die Beiden und der Arzt begann zu reden. "Gute Nachrichten Frau Krüger, sie sind entlassen. Da Herr Haber ja vorgeschlagen hat, dass sie bei ihm wohnen können, können sie dann gleich gemeinsam gehen" Elenas Augen leuchteten bei den Worten und auch mich erleichterte das. Nicht, dass sie Weihnachten im Krankenhaus verbringen muss! Vorsichtig setzte Elena sich auf und griff nach den Gehhilfen, die sie behalten durfte. Mühsam hievte sie sich auf und lächelte mich kurz an, ehe der Arzt, die Schwester und ich den Raum verließen, damit Elena sich umziehen und zusammenpacken konnte. In dem Flur setzte ich mich auf einen Stuhl und wartete darauf, dass Elena herauskam, als ich plötzlich leises Schluchzen vernahm. Ich drehte den Kopf zur Seite und erkannte ein Mädchen, welches einige Meter weiter zusammengekauert vor einem Raum auf dem Boden saß. Überrascht erkannte ich das Mädchen aus der Caféteria und stand auf. Langsam ging ich auf sie zu, legte ihr eine Hand auf die Schulter und hockte mich neben sie. Mit roten Augen und Tränen in den Augen sah sie auf und war sichtlich überrascht mich zu sehen. "Was ist denn los?", fragte ich leise. Sie senkte wieder den Blick und ein Schluchzen ließ ihren ganzen Körper beben. "Sie wollen die Maschinen bei meinem Vater abstellen", brachte sie dann mit zitternder Stimme raus. Oh shit. Betroffen sah ich sie an und nahm sie dann einfach in den Arm. Überraschenderwiese drückte sie mich nicht weg, sondern sie beruhigte sich etwas. "Es wird alles gut", murmelte ich leise und stand dann auf. Damit ging ich wieder, nachdem ich mich verabschiedet habe. Ich hatte mich eben seltsam verantwortlich für die Kleine gefühlt, obwohl ich sie gar nicht kannte. Verwirrt darüber schüttelte ich den Kopf und wartete auf Elena, die sogleich die Tür öffnete. Ich sprang auf und nahm ihr die Tasche ab, wofür sie mich dankbar anlächelte. Neben mir humpelte sie auf den Gehhilfen aus dem Krankenhaus. Dort atmete sie einmal tief ein. "Frische Luft!", seufzte sie zufrieden. Ich zog eine Augenbraue hoch. "In Finnland ist frische Luft! Aber hier in Berlin... Nee", sagte ich und hielt ihr dann die Tür meines BMWs auf. Sie stieg hinein, ich lief um das Auto und fuhr dann nach Hause. Auch dort half ich ihr aus dem Auto und ging schon mal zur Tür, während Elena angehumpelt kam. Im Haus nahm ich ihr die Jacke ab und sie setzte sich auf das Sofa. "Willst du etwas trinken?", fragte ich, was sie nickend bestätigte. Also holte ich uns jeweils ein Glas Wasser und reichte es ihr. Dankbar lächelnd nahm sie es an und lehnte sich dann zurück. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es schon fünf Uhr Abends war und ich stand auf. "Folgender Vorschlag, ich mache essen, währenddessen kannst du Fernsehen gucken oder lesen oder so. Ist das okay?", fragte ich sie. Sie blinzelte müde, ehe sie mich ansah. "Du musst das nicht für mich machen", sagte sie, doch ich winkte nur ab. "Ich habe gesagt ich kümmere mich und das tue ich jetzt auch", entgegnete ich beinahe etwas trotzig und verschwand dann in der Küche. Meine Kochkünste waren etwas begrenzt und der Inhalt des Kühlschrankes war auch nicht so vielversprechend. Also pulte ich die letzten Sachen, die meine Küche hergab zusammen und begann mit einem Omelette.

You can never be ready (Samu Haber FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt