Gefährliches Terrain

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Jeder glaubt auf einer Farm zu leben wäre gefährlich, aber Tara findet das gar nicht. Sie sagte mir, sie würde jeden Kaninchenbau, jeden kaputten Zaun und jeden rostigen Nagel kennen. Egal wo sie auf der Farm ist, sie fühlt sich sicher. Aber die Akademie war für sie wie ein fremder Planet. Und um ehrlich zu sein, ging es mir genau so. Mal denke ich, ich würde mich jetzt auskennen. Aber dann erkenne ich, dass ich mich auf gefährlichem Boden bewege. Nach einer Falle folgt die nächste. Noch eine Feindin. Hinter jeder Ecke lauert Gefahr.Ich packte meine Tanzschuhe und meine Wasserflasche zurück in meine Tasche und verließ mit Sammy den Raum. Jeder schien nur noch über Taras Liste zu reden. Das zeigte mir, dass man sich keinen Fehler in der Akademie leisten konnte. Denn diesen Fehler würden sie dir ein Leben lang vorhalten. Zumindest musste es sich für Tara so anfühlen. "Glaubst du, sie ist schon darüber hinweg gekommen?", fragte ich Sammy vorsichtig. Er sah mich unglaubwürdig an.
"Wir sprechen von Tara. Sieht sie etwa so aus?", stellte er mir die Gegenfrage und deutete auf Tara, die unsicher durch den Gang lief. Ein Junge aus unserem Kurs machte sich über sie lustig, als sie an ihm vorbeiging. Es schien als würde alles in Zeitlupe ablaufen. Tara blieb stehen und blickte nach vorne. Zunächst dachte ich, sie würde vielleicht Kat so bedrückt ansehen, doch dann sah ich wen sie wirklich ansah. Ethan lief lachend mit ein paar anderen Jungs durch den Gang. Sein Gang war lässig und zum ersten Mal erkannte ich, was Tara damit meinte, als sie sagte, er würde laufen, als wüsste er genau wohin er will. "Ethan-Alarm.", sagte ich leicht panisch und stupste Sammy mit meinem Ellbogen an. Sammy verstand sofort worauf ich hinaus wollte und zerrte Tara mit nach draußen. Schnell folgte ich den beiden und lief hinter Tara die Treppe hinunter. "Erst die Nummer in der Jungenumkleidekabine. Und nun diese dämliche Liste. Was soll mich jetzt eigentlich noch schrecken?", fragte Tara. Sammy kratzte sich am Kopf.
"Tja.... Ich wüsste da was." Sein Kopf deutete auf Kat. Sie saß auf dem Beton am Wasser, das sie als Bank benutzte. In der Hand hielt sie einen Zettel, den sie sich durchlas. Tara atmete kurz durch und ging dann auf sie zu. Sammy und ich folgten ihr langsam. "Wenigstens bin ich nicht das erste Contra auf deiner Liste. Dafür sollte ich wohl dankbar sein.", sagte Kat ironisch und packte den Zettel weg. Tara setzte sich vorsichtig neben sie auf das Beton und blickte sie an. "Es tut mir wirklich leid, Kat. Ich wollte dich da nicht reinziehen.", begann sie.
"Nur genau das hast du getan. Ich bin so eine Art Hindernis für dich bei Ethan.", erklärte Kat. Sie klang überraschenderweise ruhig und gelassen.
"Glaub mir doch. Ich suche wirklich nach allen möglichen Gründen, die gegen deinen Bruder sprechen." Kat seufzte und erhob sich.
"Ich kenne einen sehr guten Grund. Mein Bruder wird dir das Herz brechen.", sagte Kat wissend. Auch wenn ich Ethan nicht wirklich kannte und obwohl er so nett zu mir gewesen war, glaubte ich Kat. "Und wenn er es tut, will ich nicht die Seelentrösterin spielen, Tara.", ergänzte sie noch. Tara erhob sich nun ebenfalls und sah ihre Freundin an.
"Ich verspreche es dir. Ich werde ihm aus dem Weg gehen." Überrascht sah ich sie an. Kat sagte nichts. Vermutlich glaubte sie ihr nicht, aber ich dachte, sie sollte Tara eine Chance geben. "Hat Abigail die Liste auch ans dritte Jahr geschickt?", fragte Tara neugierig.
"Er hat es gelesen.", entgegnete Kat kalt und ging los. Tara warf den Kopf in den Nacken.
"Ich bin so gut wie tot."

Dass wir eine Stunde bei Patrick hatten, freute mich. Ich wusste, dass ich mich dort genauso anstrengen musste wie bei Miss Raine, aber zumindest war er nicht so streng oder angsteinflößend wie sie. Das war immerhin ein Luxus. "So, ich habe eine Frage.", begann Patrick, als er den Raum betrat. Alle sahen ihn erwartungsvoll an. "Wer kennt die wahre Bedeutung des Pas de Deux?" Abigail war die erste die sich eifrig meldete.
"Pas de Deux bedeutet Tanzschritt zu zweit.", sagte sie dann ohne Aufforderung und strahlte Patrick an. "Gut, das ist die wörtliche Übersetzung. Aber was heißt das eigentlich? Was bedeuten diese drei französischen Wörter bildhaft gesprochen?" Abigails Gesichtsausdruck änderte sich von einer Sekunde auf die andere. "Pas de Deux. Zwei Körper, eine Seele. Ein Junge und ein Mädchen lassen gemeinsam tanzend ein reines Gefühl entstehen. Darum geht es in der heutigen Stunde.", erklärte Patrick weiter, als sich keiner meldete. Die Freude konnte man deutlich raushören. Es war nicht das erste Mal, dass ich mit einem Jungen tanzte. Doch es war das erste Mal, dass ich mit einem Jungen Ballett tanzte. "Ich habe noch nie mit einem Jungen getanzt.", erzählte uns Tara aufgeregt, woraufhin Kat sie entgeistert ansah. "Ehrlich. An meiner alten Schule gab es nämlich keine Jungs.", erklärte sie und spielte mit ihren Händen.
"Keine Angst. Anfängerjungs sind verschwitzte Wesen, die dir auf die Füße trampeln.", sagte Kat und entlockte mir damit ein Lachen.
"Es gibt drei Voraussetzungen beim Pas de Deux. Das Vertrauen." Patrick warf Christian ein Ei zu, das er sofort fing. "Gut. Wirf es weiter.", sagte Patrick und Christian warf ihn zu mir. Sofort fing ich das Ei, erleichtert darüber, dass ich es nicht fallen ließ. Dann warf ich das Ei weiter. "Gut. Weiter werfen. Zweitens, die Einheit. Und das wichtigste beim Pas de Deux ist die Kommunikation." Abigail warf das Ei in Taras Richtung, doch diese war scheinbar so abgelenkt von etwas, dass sie nichts mitbekam. Das Ei landete auf dem Boden und zerbrach. Die meisten von uns fingen sofort an zu lachen. Patrick nahm belustigt das Handtuch von seiner Schulter, um die Sauerei wegzuwischen. "Denn, wenn es die nicht gibt, naja... Unsere Stars aus dem dritten Jahr werden uns unterstützen. Ethan, Isabelle. Schön, dass ihr da seid." Ich blickte zu den beiden Tänzern, die ihre Taschen abstellten und wusste nun, wieso Tara so abgelenkt war. "So und nun bildet Paare.", befahl Patrick. Somit suchten wir uns jeweils einen Partner zum Tanzen. Da mich Zach gefragt hatte, ob wir ein Paar bildeten, stimmte ich zu. "Denkt immer dran. Um Einheit zu finden sind Vertrauen und Kommunikation nötig. Konzentriert euch auf euren Partner. Alles andere ist nebensächlich.", erklärte Patrick während der Stunde. Während es bei Zach und mir ganz gut lief, lief es bei den anderen weniger gut. Christian schien überhaupt keine Lust zu haben, Kat war genervt von Sean und Abigail kritisierte Sammy wegen jeder Kleinigkeit. Irgendwann ging Ethan zu Tara und Christian. "Lass mich mal." , sagte er, so dass Christian zur Seite ging. Ethan stellte sich hinter Tara und machte einen Moment für Christian weiter. Während Tara ziemlich erfreut darüber war, sah Isabelle so aus, als würde sie Ethan jeden Moment umbringen. So viel zu Ich werde mich von ihm fernhalten.

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