Neue Regeln

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Es ist ja kein Geheimnis. Ich hab davon geträumt, mir viel Stress gemacht und hart dafür gearbeitet. Und jetzt gehörte ich dazu. Zur Company. Sicher, es war nur vorübergehend, aber trotzdem. Es war ein großer Schritt. Ich nahm diese Erfahrung ganz souverän und locker. Ich war nicht wie das Kaninchen vor der Schlange und ziterrte, weil ich hier neben meinen Helden tanzen durfte. Ich genoss es nur, dass ich dazugehörte. “Bitte, versuch uns nicht zu sehr zu blamieren.“, wandte sich Grace an Tara, bevor sie die Umkleidekabine betrat. Langsam folgten wir Grace in die Garderobe. Die Mädchen hielten sich Zeitschriften vor das Gesicht, auf denen Grace auf der Titelseite zu sehen war. “Okay“, begann Grace verwirrt. Lachend nahmen die Mädchen die Hefte runter. Als ich Isabel, Ethans Exfreundin, entdeckte, schluckte ich. “Sorry, ich dachte, die weltbeste Balettschülerin kann Spaß verstehen.“, sagte sie lachend.
“Total. Ja, ich lache eher so nach innen.“, erwiderte Grace.
“Tara, Bella.“, begrüßte uns Isabel und umarmte uns kurz.
“Hey, Isabel.“, sagte Tara und lächelte.
“Ist ja unglaublich, dass ihr hier aushelfen dürft. Wie geht es Ethan?“ Isabel sah mich erwartungsvoll an.
“Sag bloß, sind das die beiden, die dir deinen Freund weggeschnappt haben?“, fragte Isabels Freundin. Geschockt sah ich sie an.
“Das ist aber schon sehr lange her.“, merkte Tara an und blickte mich dann an. Schweigend schaute ich zu Boden. Bei mir war es eher weniger lange her. “Ach, ich hätte sowieso schluss gemacht wegen diesem irren Motorcross Typen.“ Als ich Schreie wahrnahm, ging ich durch die Tür und landete in einer weiteren Garderobe. Ben stand oberkörperfrei da und schnappte sich seine Sachen, während die Mädchen versuchten sich zu verdecken. “Es war nirgendwo Platz. Ich versteh nicht, wie das hier läuft.“, verteidigte sich Ben. Amüsiert prustete ich los, während er eilig den Raum verließ. Das würde noch durchaus lustig werden.

Im Hühnerkostüm ging ich über die Bühne, wo Sir Jeffrey schon auf uns wartete. Fröhlich empfing er uns mit offenen Armen. “Da kommen ja unsere jungen Hühner. Kommt, ich nehm euch unter meine Fittiche und habt Spaß an meinen bäuerlichen Wortspielen. Wo fangen wir an, Rebecca?“, sagte er und blickte sich nach Rebecca um. “Ganz von vorne.“, antwortete diese ohne von ihrem Klemmbrett aufzuschauen.
“Wunderbar. So ihr Mädchen. Achtet schön auf das andere Federvieh und steigt ein, wenn ihr es kapiert habt.“
Vom Rand aus beobachteten wir den Tanz. Ich versuchte mir die Schritte einzuprägen, so gut es ging. Grace war die erste, die mit einstieg. Wenige Sekunden später ging ich auch auf die Bühne und machte dieselben Schritte, die Isabel machte. “So stopp, bitte.“, rief Sir Jeffrey und blickte zu Tara, die sich noch nicht von der Stelle bewegt hatte. “Tara, die nächste Vorstellung ist schon morgen Abend.“
“Verzeihung, darf ich fragen, was die Hühner motiviert?“, fragte Tara. Entgeistert schaute ich zu ihr und runzelte die Stirn. “Es ist so. Ich bin auf einer Farm aufgewachsen und wir hatten eine Hänne, Miss Fleckhühnchen. Die hat sich immer mit Dreck geputzt. Etwa so.“ Tara machte es vor, was mich belustigt die Lippen aufeinanderpressen ließ.
“Ist das ein Vorschlag zur Änderung der Choreografie?“, hakte Rebecca nach. Tara schüttelt sofort den Kopf.
“Nein, natürlich nicht. Die ist meisterhaft. Ich dachte nur, meine Motivation wäre vielleicht Hühnerhygiene.“
“Na dann zeig es uns.“, sagte Sir Jeffrey. Die Musik wurde abgespielt und Tara kam zu uns auf die Bühne. Alles verlief gut, doch dann machte Tara Fehler, die Sir Jeffrey bemerkte. “Tara, Hühner haben zwar ein Erbsenhirn, aber sie sollten doch im Takt tanzen.“, wies er an. Doch Tara stolperte und fiel hin. “Ich nehme an, das gehörte nicht zu deiner Hygieneidee. Das Landvolk auf die Bühne bitte.“

“Tara, öffentliche Bloßstellung ist kein Grund Kleider zu zerfetzen.“, sagte Kat, als wir die Küche betraten. Tara zerschnitt mit einer Schere ein türkises Oberteil, während Ben etwas aß. “Aber die Company Girls tragen morgens im Unterricht, was sie wollen. Ich weiß, ich soll mich nicht einlassen auf ein Beliebtheitswettbewerb, aber... was soll ich mir vormachen. Ich bleib doch die Loser-Neue.“, entgegnete Tara niedergeschlagen.
“Ich find dich cool.“, warf Ben ein.
“Du irrst dich.“, begann Abigail. In ihrer Hand hielt sie eine Videokamera. “Abigail, Kat sagt, du bewirbst dich bei Companien.“, sagte ich und schnappte mir einen Apfel.
“Für 'ne Siegesparty ist es zu früh. Hättest du mich nicht noch ungünstiger aufnehmen können?“, fragte Abigail an Kat gewandt.
“Oh, da kann jemand nicht objektiv sein. Wir sehen uns dann noch. Lass mich sehen, was ich im Schnitt zaubern kann und du treibst noch das Zusatzmaterial auf. Den Lebenslauf, Referenzen von anerkannten Autoritätspersonen...“, zählte Kat auf und nahm sich ihre Sporttasche. In letzter Zeit machte sie ziemlich viel Sport. “Musst du dich nicht auf deine Idee konzentrieren, das zweite Jahr schneller zu schaffen?“, fragte Abigail.
“Weißt du, seit ich wieder da bin, bist du... du bist meine Tanzpiration.“ Kat nahm ihr die Kamera aus der Hand und ließ Abigail verdutzt stehen. “Ist das 'ne Kombination von Tanz und Inspiration oder Transpiation?“

“Sollten wir mal abends ausgehen, borg ich mir deine Armwärmer aus.“, sprach Isabel amüsiert an Grace gewandt. Ich stand hinter Grace an der Stange und wärmte mich auf. “Danke, aber wir denken, wir wissen alle, wer hier modisch den Ton angibt.“, entgegnete Grace und sah Tara wissend an. Tara ließ sich nich beirren und machte einfach weiter mit den Übungen. Die Musik verstummte und ich blickte nach vorne zu Sir Jeffrey. “Gut, Giselle. Mancher von euch kennt es das Ballett dessen Problem nächste Woche beginnen. Oder als das, für das die Hauptrolle noch nicht besetzt ist. Also, dann gestattet mir jetzt eine kleine dramatische Enthüllung. Ich habe eine der größten Persönlichkeiten unserer Company zurückgewonnen. Ah wenn man vom Teufel spricht.“ Ich folgte seinem Blick zur Tür und erstarrte, als ich Saskia sah. Die anderen klatschten, doch Tara und ich waren wir versteinert.

Am Abend bereiteten wir uns hinter der Bühne auf unseren Auftritt vor. Ich setzte mir den Hühnerkopf vorsichtig auf. “Viel Glück.“, sagte Tara zu Grace, was mich überraschte.
Grace schien ebenfalls überrascht zu sein und schwieg. Als sie sah, dass Tara den Hühnerkopf falsch aufsetzte, half sie ihr lachend. Als der Vorhang sich öffnete, begannen wir zu tanzen.
Nach dem Hühnerauftritt, zogen wir uns um für den nächsten Akt. Tara schien jedoch nicht besonders gut gelaunt zu sein. “Du warst echt gut. Ein vollkommen akzeptabler Hühnertanz.“, warf Ben ein.
“Ich musste dauernd an Saskia denken. Erst das komische Geschenk aus schlechtem Gewissen und sie meint, ich soll nicht mein bestes geben. Ich meine, ich spiele ein Landmädchen und Tara Webster kennt Landmädchen.“, erzählte sie.
“Ja, dann tanz dein Ding.“, erwiderte ich und lächelte sie an. Ben klebte einen goldenen Stern an die Tür der Besenkammer, was ich verwirrt beobachtete. Als die Jungs aus der Company durch den Flur kamen, fing Ben an zu sprechen. “Achtung, entschuldigung. Die Besenkammer ist für unbefugte verboten. Bensters Reich allein.“ Lachend schüttelte ich den Kopf und ging zur Bühne.
Während des gesamten Auftrittes beobachteten Saskia und Sir Jeffrey uns, doch Tara machte einfach, was sie am besten konnte. Ein Landmädchen sein. Sie schien völlig zufrieden zu sein. Als der Vorhang sich schloss, verließen wir lächelnd die Bühne. “Äh, Miss Fleckhühnchen komm bitte her.“, sagte Sir Jeffrey. Tara ging sofort zu ihm. Aus der Ferne beobachtete ich, wie die beiden sprachen. Doch er schien wenig zufrieden zu sein. Er kritisierte sie, dass ich dachte, Tara könnte jeden Moment zusammenbrechen. “Ach lass es doch gut sein.“, schaltete sich Saskia ein. “Wir haben alle mal angefangen. Sie macht es das nächste mal besser.“ Überrascht öffnete ich den Mund. Hatte sie Sie Jeffrey tatsächlich die Stirn geboten und Tara verteidigt? Diesmal war ich nicht von der Wirklichkeit enttäuscht. Es war ja die Company und die war zu wichtig.

“Wenigstens ist Saskia auf deiner Seite.“, sagte Ben zu Tara, als wir das Gebäude verließen. Tara lachte.
“Ist es deshalb weniger ungewöhnlich?“, fragte ich. Wir blieben stehen,als ein kleines Mädchen auf uns zukam. “Entschuldigung. Kannst du mir ein Autogramm geben?“, fragte sie Tara und reichte ihr mit ihren kleinen Händen ein Notizbuch. Lächelnd nahm Tara es entgegen. “Ja, sehr gern. Bist du auch Tänzerin?“, fragte sie.
“Ja.“, antwortete das Mädchen lächelnd, während Tara unterschrieb. Es wird Zeit, das mal andersherum zu sehen. Saskia hatte vielleicht recht. Sie musste sich selbst inspirieren. Ich glaube, ich werde jetzt Tagebuch führen in diesem Jahr. Über das Gute und das weniger Gute. Das auf und ab. Auf die Art halte ich nichts, von dem das passiert für selbstverständlich.

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