Negative Muster

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Muster. Wenn man genau darauf achtet, findet man sie überall. In jedem Song, in jedem Ballett. “Bitte, Ladys. Eure Bourrés im zweiten Akt waren durchgehend träge und ich betone noch einmal, die Ausrichtung muss Millimeter genau sein für die Gala Matiné. Tara? Deine Arabesques sind immer noch fünf Zentimeter tiefer als alle anderen. Und Grace, Sir Jefrey bittet dich, dass du dich vertraut machst mit den Ellipsen.“, sprach Rebecca und reichte Grace eine Karte. Lächelnd nahm sie diese entgegen. “Heißt es das, was ich glaube?“, fragte sie Isabel.
“Gratuliere, Schatz!“, rief Isabel fröhlich und umarmte Grace.
“Ich geh mit auf Tournee!“, quietschte Grace. Und es gibt unsere negativen Muster. Im Verhalten. Die nervigen Hamsterräder, in denen wir festhängen. Inzwischen kenne ich meine typischen selbstzerstörerischen Verhaltensmuster sehr gut. Zum Beispiel, ich kann mich nie richtig freuen über das, was ich habe. Bis ich es verliere. Und dann fehlt es mir so sehr, dass ich es kaum ertragen kann. Wenn wir unsere negativen Verhaltensmuster erkennen, haben wir leider meist keine Ahnung, wie wir sie ablegen können.

“Das Zeug riecht ja wie super scharfes Chili.“, sagte Kat angewidert und schmierte die Creme auf Taras Rücken. “Ja, mein Rücken ist dran gewöhnt, aber wasch dir dann die Hände.“, sagte Tara. “Also, die Fachliteratur meint, wir sollten deine Trackerpunkte durch Ablenkung ersetzen. Was hälst du denn von Bogenschießen?“ Schmunzelnd nahm ich meinen Blick vom Handy und hörte auf zu tippen.
“Tara, danke für deine Unterstützung, aber du musst dich auf die Gala konzentrieren.“, meinte Kat. “Falls ich dein hübsches Gesicht vorher nochmal sehe, dann übergebe ich mich schon aus Trotz.“
“Bulimie Humor, lustig.“, lachte Abigail, während sie ein paar Sit-ups machte.
“Lustig, und das tut gut.“, ergänzte Kat selbstsicher. “Und hör auf mit Ethan zu schreiben und rede mit uns!“ Kat bewarf mich mit einem Kissen, das mich am Kopf traf. Empört sah ich sie an. “Hör auf, sonst sag ich ihm, dass er sich öfter bei dir melden soll.“, lachte ich und streckte ihr die Zunge raus. Die Tür zum Zimmer öffnete sich und Ollie kam herein. “Ähm, die Filmcrew ist für morgen gebucht. Hilfst du mir Tänzer ranzuholen?“, fragte er an Abigail gewandt. “Wir gehen jetzt richtig ab.“
Abigail setzte sich begeistert auf.
“Das gilt auch für euch. Tara, ich glaub, du kannst mir den Babysitter überlassen.“, sagte sie.
“Ja, das ist perfekt.“, warf ich ein und legte mein Handy beiseite.
“Hey, hört mal bitte. Können wir auch mal ganz normal reden? Nennt mir lieber Probleme mit Jungs zum Nachdenken.“
“Da weiß ich nichts.“, entgegnete Tara und sah in ihr Heft. Überrascht blickten wir sie an.
“Was? Nicht mal das, was man so hört über Saskia und Ben?“, fragte Abigail.
“Ich hatte einen tollen Jungen mit einem Herzen so groß wie der ganze Hafen, aber den hatte ich nicht verdient. Und ich hab's versiebt. Schon wieder.“, erklärte Tara.
“Eigentlich brichst du doch dann sämtliche Rekorde, um dich wieder dranzuhängen.“
“Dieses Mal akzeptiere ich, dass er weg ist und tue überhaupt nichts. Nicht mehr so wie früher.“
Sprachlos blickte ich sie an. Vor uns saß eine neue Tara.

Christian und Ben kamen deutlich zu spät zum Unterricht, was natürlich nicht unbemerkt und unkommentiert blieb. “Oh, Glückwunsch meine Herren. 40 Minuten zu spät.“, sprach Zach, während er auf die Uhr blickte.
“Ich hatte ein Arbeitsfrühstück.“, erklärte Ben und stellte sich an die Stange neben mich.
“Da hängt noch Lippenstift an der Wange.“, sagte ich schmunzelnd.
“Saskia, lass uns enger tanzen.“, sprach Grace und blickte Ben amüsiert an.
“Ich will gar nicht wissen, wie du das meinst.“, entgegnete Zach. “Was ist mit dir, Christian?“
“Ich komm mit der Schlummertaste nicht klar.“, sagte Christian.
“Na schön, aber tu mir einen Gefallen und zieh deine Hose hoch, ja?“
“Gibt es auch eine Meinung zu uns, Zach? Über die, die wirklich trainieren?“, warf Ollie ein.
“Nun heul mal nicht. Ladys nutzt den Raum!“ Lachend drehte ich mich weg. Wie gesagt, das dritte Jahr war hart.

Verwirrt betrat ich den Umkleideraum der Company und sah wie die Mädchen sich am Körper kratzten und aus dem Raum an mir vorbeistürmten. “Ähm, Ethan? Ich schätze, es gibt hier ein Problem. Ich ruf dich zurück.“, sprach ich ins Telefon und legte auf.
“Sieht das schrecklich aus. Ich bin so froh, dass ich nicht tanze.“, sagte Grace und ging. Tara blickte auf den Tisch und stockte. “Grace, jetzt bist du wirklich irre geworden.“, meinte Tara. Geschockt nahm ich die Tube Wärmecreme von Tara. “Du meinst, es war deine Wärmecreme? Das würd ich aber nicht zu laut sagen. Ist das leichtsinnig die so liegen zu lassen.“, entgegnete Grace. Genervt legte ich die Tube weg. Grace war ganz die alte.

Beeindruckt sah ich zu, wie Ben auf der Bühne sein Solo tanzte. Er war großartig, was auch ein Company-Mitglied merkte. Als Saskia auf die Bühne trat, als schwarzer Schwan verkleidet, musste ich feststellen, dass auch das ziemlich großartig war. Als er Saskia allerdings fallen ließ, lachte der Typ aus der Company auf. Ben hielt Saskia die Hand hin, die sie dankend annahm. Dann rutschte sie jedoch wieder aus, was mich stutzig machte. So rutschig war die Bühne doch gar nicht. Saskia lief von der Bühne und Ben tanzte alleine weiter. Verhaltensmuster abzulegen ist vielleicht ein bisschen so wie 3D-Bilder anzuschauen. Man muss die Dinge aus einem bestimmten Winkel betrachten. Meine Augen weiteten sich, als Tara kurzerhand die Bühne betrat und sich zu Ben gesellte, um Saskias Rolle zu übernehmen. Ich bin ständig darauf fixiert, was ich fühle. Was ich tun muss. Dabei sollte ich mich mehr darauf konzentrieren, was andere vielleicht von mir brauchen. Unsere Gefühle sind so tief verwurzelt, sie scheinen uns zu kontrollieren, ohne dass es uns bewusst ist. Wenn wir einen Trennschalter hätten, könnten wir verhindern, dass aus einem leisen Beben gleich ein Erdrutsch wird. Wir könnten auf das Bedürfnis ein Star zu werden verzichten. Umkehren und uns unseren Dämonen stellen. Verhaltensmuster abzulegen kann Unordnung bringen, aber nur so kann sich auch ein neues Muster bilden. Eines an dem man unbedingt festhalten möchte.

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