Der entscheidene Tag

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Einen Tag vor dem Prix, schlenderte ich durch den Gang und entdeckte, dass das Licht im Zimmer von Sammy und Christian noch brannte. Vorsichtig öffnete ich die Tür und warf einen Blick auf Sammy, der komische Bewegungen machte. Christian hingehen schlief tief und fest. “Wieso schläfst du nicht?“, flüsterte ich und setzte einen Fuß ins Zimmer. Drinnen machte ich mich sofort auf die Suche nach Kleidung für meinen besten Freund.
“Ich bin der Kandidat, der es nie zum internationalen Prix hätte schaffen dürfen.“, sagte er leise.
“Eine Hose.“, murmelte ich und warf sie ihm zu.
“Aber mein modernes Solo ist völlig inhaltslos. Deshalb finde ich mich nicht darin.“
“Du wirst eine Jacke brauchen.“, sagte ich leise und warf ihm die Jacke zu. Verwirrt nahm es sie entgegen.
“Wieso, wo wollen wir hin? Es ist höchstens fünf...“, begann er, doch ich deutete an leise zu sein. Ich blickte zu Christian, der seelenruhig schlief.
“Er nicht, nur wir. Zieh dich an.“

Kat hatte die Idee, etwas völlig Verrücktes zu tun bevor der Prix losging, also standen wir auf dem Aussichtspunkt der Brücke, bekleidet in blauen Overalls. “Irgendwie geht es um einen größeren, philosophischen Zusammenhang. Wieso habe ich mich für das Solo entschieden ergo, wieso tanze ich eigentlich?“, fragte Sammy. Seine Sorgen über den Prix verschwanden einfach nicht.
“Um den Prix de Fonteyne zu gewinnen.“, antwortete Tara einfach.
“Nein, Schätzchen. Du tanzt, um zu fliegen und du tanzt, weil...“, sagte Kat, doch ihr fiel nichts ein. Wissend sah Sammy sie an. “Siehst du. Denn ich tanze eben nicht mehr aus Protest gegen meinen Vater.“
“Hört zu, Leute. Ab morgen vertretet ihr zwei unser ganzes Land. Und wir sind wahnsinnig stolz darauf das dritte und vierte Bein von diesem Freundschaftsstativ zu sein. Also bitte, hört auf zu reden und genießt es einfach.“, machte Kat weiter. Grinsend zog ich alle in eine Gruppenumarmung.

“So, jetzt wo ihr alle hier seid...“, begann Sammy, als er ins Wohnzimmer kam. Zu meiner Überraschung war sogar Grace da. “Wird das wieder so ein Coming Out?“, fragte Ben.
“Nein, also ich habe festgestellt, dass ich am besten tanze, wenn ihr auch da seid. Also, für mein modernes Solo, möchte ich, dass ihr alle mit mir auf die Bühne kommt.“
“Wie, dann wird aus deinem Prix Solo eine Gruppenaktivität?“, fragte Kat verwirrt.
“Ja, ja genau.“
“Aber, das ist doch gegen die Vorschriften.“, warf Tara ein.
“Na ich ehm... ändere nichts an der Choreografie. Ich bin ganz vorn und ihr seid nur dabei, damit ich gut rüberkomme.“
“Nein, Sammy, wir sind ja nicht ohne Grund beim Vorentscheid rausgeflogen, klar?“, sagte Christian.
“Es ist bloß ein Gag. Und auch Selbstsabotage.“, fügte Abigail hinzu. Zustimmend nickte ich.

“Isabella, Wendy trägt einen Kampf aus, aber sie ist immer noch Wendy. Ich möchte das Liebliche sehen, das Verletzliche, ja?“, merkte Zach bei den Proben an. “Sammy, wie ich weiß, hast du im Studio jetzt nichts zu suchen. Was ist los?“, fragte er ohne seinen Blick von mir und Ollie abzuwenden.
“Ich häng ziemlich in der Luft.“
“Na gut, dann mach dich nützlich. Schnapp dir die Kamera und nimm es für mich auf.“
Sammy trottete widerwillig zur Kamera. Er schien niedergeschlagen zu sein. Vermutlich wegen dem, das wir gesagt hatten.
Wenig später waren Christian und Kat dran, doch seit sie kein Paar mehr waren, liefen die Proben nicht besonders gut. “In drei Tagen geht der Vorhang hoch und ihr seid leider noch nicht so weit.“, sagte Zach streng. Dann machte er die Musik aus. “Etwas Spannung ist ja interessant. Ihr zwei wirkt eher wie gestört. Geht nach draußen und klärt die Sache.“
Genervt stampfte Kat aus dem Raum. Christian folgte ihr. Wenn auch nur widerwillig.

“Grace hat mich das ganze Jahr manipuliert und jetzt erwartet sie, dass ich das einfach so hinnehme.“, beschwerte sich Tara. Abigail und ich saßen auf dem Sofa und nähten unsere Spitzenschuhe.
“Ach Sekunde, ihr seid doch Freundinnen. Du weißt nicht, ob sie was angestellt hat.“, antwortete Ben.
“Sie ist von der Royal geflogen, weil eine ihretwegen einen Nervenzusammenbruch hatte. Sie ist zu allem fähig.“, warf Abigail ein.
“Ich sollte also zu den Richtern gehen, weil sie jemanden verletzt hat, um ins Team zu kommen.“
“Du willst doch sicher gewinnen.“, bemerkte ich und sah Tara an. Tara schien nachzudenken. Natürlich wollte sie das.

Bei den Proben für Peter Pan, blieben meine Gedanken nur an Tara und Sammy hängen. Ich wollte unbedingt, dass jemand von den beiden gewinnt. Das hatten sie mehr als verdient. Doch mitten in den Proben, kam Miss Raine in den Raum. Ihr Gesicht war blass, was mir ein mulmiges Gefühl bereitete. Und dieses Gefühl verwandelte sich in Ungläubigkeit, als Miss Raine uns mitteilte, dass Sammy einen Unfall hatte. Er war auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben. Nun standen wir im Wohnheim und mein Körper zitterte. Tränen liefen mir über das Gesicht und meine Welt hörte einfach auf sich zu drehen. Miss Raine versuchte Kat etwas zu beruhigen, doch sie war völlig aufgelöst. “Wir müssen doch ins Krankenhaus.“, weinte Kat und atmete schwer.
“Ich weiß, es ist hart, aber die Liebermans möchten lieber allein sein.“, sagte Miss Raine vorsichtig.
“Wir sind seine Familie.“
Als Tara in den Raum kam, ging sie sofort auf Kat zu und nahm sie in den Arm. “Abigail...“, murmelte ich leise und sah meine Freundinnen an. Schnell suchten wir sie und fanden sie in der Dusche. Sie hockte auf dem Boden und war wie versteinert. Das Wasser prasselte auf sie herab. Schnell zogen wir sie aus der Dusche und legten ihr ein Handtuch um. Völlig aufgelöst ließ sie sich in meine Arme fallen und weinte.
Am Abend beschlossen wir alle gemeinsam in einem Raum zu übernachten. Nur schwer fiel es mir meine Augen zu schließen und zu schlafen. Doch irgendwann fielen sie einfach zu. Und in meinen Träumen sah ich Sammy glücklich die Gewinnermedaille annehmen.

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