Perfektion

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Meine Feindin in der Grundschule war Stephanie Maxwell. Sie hatte einen langen glänzenden Pferdeschwanz und hat mich immer geärgert, weil ich den nicht hatte. Ich habe mich bei meiner Mum ausgeweint. Sie meinte dann, wahre Schönheit kann auch unvollkommen sein. Sie ist eben nie auf einer Tanzschule gewesen. Um hier aufgenommen zu werden, muss man zu den besten Ballettschülern des Landes gehören. Im Laufe der dreijährigen Ausbildung werden einige wegen Verletzungen ausscheiden. Andere weil sie einfach nicht gut genug sind. Und manche werden das harte Training nicht durchhalten und wieder ein normales Leben führen wollen. Nur zwei Mädchen können auf einen Vertrag mit der Company hoffen. Aus einer Generation von Tänzerinnen wird nur eine Primaballerina. Ich würde sagen das sind 0,001% aller Mädchen, die Ballett lernen. Statistisch gesehen ist es also so gut wie ausgeschlossen. Wir sind natürlich alle überzeugt, dass wir die Ausnahme sind. “Leute, die Company ist wieder da.“, rief uns Sammy zu, als wir durch den Flur kamen. Ich schaute durch das kleine Fenster und beobachtete die Tänzer. “Drei, vier, fünf, sechs...“, zählte Tara die Drehungen eines Jungen.
“Das geht doch eigentlich gar nicht.“, sagte Sammy lachend.
“Hey ihr wisst, dass es neun ist, oder? Mir persönlich ist das ja egal, aber ihr wollt doch nie zu spät kommen, also...“, begann Kat. Ich tauschte ein paar Blicke mit Tara und Sammy und lief dann schnell zum Unterricht.
“Ich darf euch heute eine außergewöhnliche Gastdozentin vorstellen, die sich großzügig bereit erklärt hat ein paar Tage ihrer kostbaren Zeit für euch zu opfern. Die Solotänzerin des National Ballett und weltberühmte Primaballerina-“, begann Miss Raine, als wir den Raum betraten, doch als Tara sah, wer vor uns stand, weiteten sich ihre Augen und sie unterbrach Miss Raine sofort. “Natascha Willis.“ Natascha schaute Tara an und hinter mir fingen ein paar Mädchen an zu tuscheln.
“Ich hoffe ihr macht das beste daraus.“, beendete Miss Raine ihre Rede streng und wir applaudierten.
“Süße, ich hab dich schon den ganzen Morgen gesucht.“, sagte Natascha fröhlich an Kat gerichtet. Meine Augen weiteten sich, als sie Kat umarmte und einen Kuss auf ihre Wangen hauchte. Im Gegensatz zu Tara, war Kat weniger erfreut. “Hey, Mum.“

“Erst diese seltsame Nachricht von Mia und dann Funkstille. Sowas ist gar nicht ihre Art.“ Der arme Sammy sprach wieder über seine angebliche Freundin, doch aus irgendeinem Grund war ich davon überzeugt, dass es sie nicht wirklich gab. “Ja? Oh ja deine Freundin, richtig. Hör gut zu Sammy. Es kommt die Zeit, wo unsere imaginären Freunde einfach nicht mehr mit uns reden wollen.“, meinte Kat belustigt, doch Sammy verdrehte die Augen.
“Sie ist in Israel.“, erklärte er. “Tara, du hast Mias Foto gesehen, sag es ihr.“ Doch Tara interessierte sich nicht für Mia, sondern viel mehr für Natascha. “Deine Mutter ist Natascha Willis?“, fragte sie eifrig. Mir war es lieber sie sprach über Natascha als über Ethan. “Interessant, nur jetzt nicht. Nein wir waren eigentlich-“, begann Sammy, doch wurde wieder von Tara unterbrochen, die ihn einfach ignorierte. “Wieso hast du das für dich gehalten?“ Kat sah sie verdutzt an. “Das habe ich nicht. Das wissen viele Leute.“, antwortete sie.
“Aber sie ist 'ne Ballettlegende. Du weißt, ihr Foto hängt in meinem Schrank.“ Leise lachte ich.
“Ich dachte, das wäre ironisch gemeint, Tara. Was, du wusstest tatsächlich nicht, dass...“ Tara schüttelte den Kopf.
“Mach dir nichts draus. Ich wusste es auch nicht.“, mischte ich mich ein. “Wow, ich hätte schwören können, dass ihr bloß cool seid.“ Ich winkte ab.
“Ich bin doch nie cool. Das wisst ihr.“, sagte Tara und wir nickten.
“Ja.“
“Aber eine Mutter zu haben, die wirklich versteht, was wir tun. Sie könnte dir beim Training zusehen. Dir Tipps geben.“,schwärmte Tara weiter.
“Wir tauschen uns aus und massieren uns die Füße gegenseitig.“, meinte Kat zuckersüß und wir wussten, dass sie das nicht ernst meinte. “Hey!“, rief Ethan und lief auf Kat zu. Wir begrüßten ihn kurz und sahen ihn dann erwartungsvoll an. “Ich bin für heute Abend verhaftet worden. Ich vermute du...“, begann Ethan, doch Kat unterbrach ihn.
“Geteiltes Leid.“ Ethan seufzte und ging. Fragend sah ich Kat an.
“Was ist denn los?“
“Wir müssen zu so einem albernen Prämierendings. Ihr wollt nicht vielleicht mit, oder? Das kann echt brutal sein. Spießige Promis, ewige Warterei hinter der Bühne, eigentlich würde ich es gut verstehen, wenn-“, meinte Kat. Ehe sie zu ende reden konnte, umarmte Tara sie schon stürmisch.
“Ich liebe dich!“, sagte sie lachend. “Da wir zufällig nichts vorhaben, können wir dich begleiten.“, sagte ich. “Darf ich mal?“ Abigail zwengte sich an uns vorbei und ging genervt den Gang entlang.
“Sollen wir Abigail fragen? Sie würde sich doch sicher freuen.“, schlug Sammy vor. Verwirrt sah ich ihn an. “Oh, hast du dir den Kopf gestoßen, mein Schatz?“, fragte Kat wie eine fürsorgliche Mutter und tätschelte seinen Kopf.
“Sammy!“ Als ich mich umdrehte erkannte ich ein Mädchen, das auf uns zu kam. Sie hatte braune lockige Haare und hatte ein Blümchenkleid an. Als sie Sammy einfach küsste, stand ich sprachlos da und starrte die beiden an. Beide lösten sich voneinander und strahlten.
“Leute, das ist Mia.“, stellte Sammy sie fröhlich vor.
“Du bist echt.“, stellte ich fest und fasste als Beweis ihren Arm an. Tara neben mir war ebenfalls sprachlos. “Heute ist ein seltsamer Tag.“

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