Rettungsmission

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“Also, leider hatten wir dieses Jahr nicht so viel Kontakt, aber ich bin für dich da, wenn du mich brauchst.“, spricht Ethan ins Handy. Jeder von uns versuchte seit Tagen Tara zu erreichen. Seit sie nicht mehr an der Akademie war, weil sie bei einem fremden Arzt war, hatte ich wieder eine Freundin verloren. Sie fehlte mir, auch wenn ich kurz sauer auf sie war. “Bella möchte auch noch was sagen.“ Ethan reichte mir sein Handy, also fing ich an zu sprechen. “Hey, hoffentlich geht es deinem Rücken besser. Ich hatte übrigens mehr Punkte als du in der Vorentscheidung, aber... Tara du bist im Finale. Wir beide sind es und ich vermisse dich. Mach's gut.“ Dann gab ich Ethan das Handy wieder und widmete mich dem Tanzen. Manchmal gibt es nichts mehr zu sagen. Man möchte einfach nur allein sein. Und der einzige Mensch, von dem man was hören möchte, schweigt.

“Wusstet ihr, dass es hier eine gruselige Geheimdiktatur gibt, von der wir keine Ahnung haben?“, fragte Kat beim Mittagessen.
“Eh ich muss los.“, sagte Sammy und nahm seine Sachen. In letzter Zeit passierte das ständig. Sobald Christian und Kat zusammen saßen, ging er einfach. “Was macht er denn für ein Gesicht?“, fragte Kat irritiert.
“Ich mache kein Gesicht.“, widersprach Sammy.
“Doch. Es ist dein Ich-muss-aufs-Klo-Gesicht.“, meinte Christian belustigt. “Nein, unsinn.“ Er ertrug es nur nicht die beiden zu sehen, weil es Tara dadurch schlecht ging. “Hat er wieder grünes Curry gegessen?“, fragte Kat. “Das ist nicht mein Curry-Gesicht. Okay? Es ist... Seit Wochen benutzt ihr mich als Vorwand, um ohne schlechtes Gewissen zusammen abzuhängen.“ Sammy war genervt. “Glaubst du, wir hätten kein schlechtes Gewissen?“ Seufzend schob ich meinen Teller zur Seite. “Kat, ich bewerte das gar nicht. Nein, eigentlich doch. Wenn ihr zwei zusammen sein wollt, gut von mir aus. Ich will nur nicht dabei sein und zusehen.“ Und schon war er weg. “Was war das eigentlich für ein Kuss zwischen dir und Ethan?“, fragte Kat an mich gerichtet. Christian sah mich entsetzt an. “Echt jetzt, Ethan?“ Ich verdrehte die Augen und nahm meine Sachen. “Von eurem Kuss habt ihr auch nichts erzählt, also wieso soll ich von meinem erzählen?“, sagte ich und ging in die selbe Richtung wie Sammy.

“Merkwürdig, dass du die besondere Spannung zwischen uns immer noch leugnest.“, stellte Ethan fest, als wir den Gang entlang
liefen. “Bis zu meinem letzten Atemzug.“, sagte ich frech und er fing an zu lachen. “Und doch kannst du nicht von mir lassen.“ Ethan lehnte sich gegen den Spind und beobachtete mich, wie ich ihn öffnete. Lachend schüttelte ich den Kopf. “Du bist ein Idiot.“, sagte ich.
“Das sagst du ziemlich oft.“, bemerkte er schmunzelnd.
“Bruder, du bist genetisch verpflichtet mit mir zu reden.“, sagte Kat, als sie in unsere Richtung kam.
“Können wir das tun, während ich neue Bewerbungen schreibe? Die Company hat heute entschieden, dass ich neue Erfahrungen machen soll.“ Kat sah ihn an. “Äh, autsch. Ich will nicht egoistisch sein, aber du suchst hier in der Gegend Arbeit?“, fragte Kat nach. Ethan zögerte, bevor er antwortet. “Äh Impression wollte sich mein neues Demo ansehen.“, erklärte er, was mich aufhorchen ließ.
“Die Spanier.“, kommt es von Kat. “Genau.“ Ethan blickte zu mir, aber ich wandte mich dem Spind zu. Er hatte mit keinem Wort erwähnt, dass er nach Spanien wollte. “Schlechter Zeitpunkt, aber...“ Ethan tippte mich an, weshalb ich zu ihm schaute. Er deutete an, dass ich ihn anrufen sollte und ging. Kat sah mich wissend an. Aber wenn Ethan in Spanien war, konnte sie das sowieso vergessen.

Um mich abzulenken verbrachte ich den Nachmittag im Studio. Beziehungen sind kompliziert. Egal ob es Freundschaften sind oder Liebesbeziehungen. Am Ende sind sie immer kompliziert. Ethan und ich waren auch kompliziert. Ich war so vertieft in das Tanzen, dass ich erst spät merkte, dass Ethan im Raum war. Er stand an der Wand gelehnt und sah mir zu. Schnell schnappte ich mir die Fernbedienung und machte die Musik aus. “Du musst nicht beweisen, dass du mir widerstehen kannst.“ Lachend sah ich ihn an. “Ich habe viel zu tun. Ich arbeite an ein paar zeitgenössischen Soli, denn du bist ja nicht mehr hier, um das Finale zu choreografieren.“, erklärte ich ihm. “Willst du damit sagen, dass du mich vermissen wirst, Isabella?“ Lächelnd kam er auf mich zu. Dieses verdammte Lächeln. “Nein.“, sagte ich, machte die Musik an und tanzte weiter. Diesmal war es mir egal, ob er da stand und mir zusah. Zur Abwechslung wollte ich es sogar. Und vielleicht wollte ein kleiner Teil von mir, dass er gar nicht erst ging.

Als ich 12 war, hatte ich einen Streit mit meinen Eltern. Ich war wütend auf sie und bin von Zuhause weggelaufen, um es ihnen zu zeigen. Ich blieb stundenlang oben auf dem Hügel, aber niemand hat nach mir gesucht. Ich war mir ganz sicher, dass ich recht hatte, aber ich habe mich auch noch nie so einsam gefühlt. Als würde die Welt ohne mich weiter machen. Irgendwann habe ich meinen Stolz runtergeschluckt, lief wieder nach Hause und gehörte wieder zur Welt. Ich brauchte keinen, der mich rettet. Ich hatte mich selbst gerettet.

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