Ballettfieber

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Wie viel man auch gibt, beim Ballett ist es nie genug. Anna Pawlowa war eine der größten Tänzer aller Zeiten. Nach einer Vorstellung, während die anderen sich amüsierten oder erschöpft in ihre Betten fielen, ging sie zurück in den Ballettsaal und übte weiter. Um richtig gut zu werden, muss das Tanzen dein Leben sein. Alles andere lenkt dich nur ab. “Abigail, bist du das da unten?“, fragte Kat mich. Ich saß auf einer Yoga-Matte neben dem Sofa, in einen Spagat, und schaute mir das Video der Tanzstunde an. “Was?“, fragte ich. Kat hockte sich zu mir, nahm ihren Lolly aus ihrem Mund und betatschte mein Gesicht. Genervt schlug ich ihre Hände weg und sah weiter auf den Bildschirm. “Die Haut sitzt fest, aber ihr Außerirdischen habt fiese Verwandlungstricks drauf.“,lachte sie.
“Hör auf. Ich muss die Brisés drauf haben bis Morgen. Wenn ich diesen Rhythmus nicht...“, meckerte ich. Normalerweise war ich nicht so. Aber ich wollte, dass Miss Raine mich endlich auch bemerkte. Ständig korrigierte sie Tara, aber mit mir hatte sie kaum Worte gewechselt. Manchmal hatte ich das Gefühl, sie schaute mich nicht einmal an. “Oh, ja dann würde wahrscheinlich die Welt untergehen.“, sagte Kat theatralisch. “Ja, ganz genau.“ Meine Welt würde zumindest zusammenbrechen.

Auch wenn Kat dachte, ich würde zu Abigail mutieren, war mir das egal. Ich war nicht Abigail. Mir war das Tanzen einfach wichtig  Deshalb war ich an der Akademie. Nicht um einfach nur Spaß zu haben. Mein Traum war es Profitänzerin zu werden. Aber dafür musste ich perfekt sein. “Die Aufführung morgen ist für uns die Gelegenheit dem Stiftungsrat und den ITB zu zeigen, dass sie eine der besten Tanzakademien der Welt unterstützen. Ein kritischeres Publikum als dieses könnt ihr nicht haben. Sie sind große Kenner des Balletts. Und sie erwarten Perfektion.“, erklärte Miss Raine. “Höher Tara, dann bist du im Rythmus.“ Tara tat wie ihr befohlen, dann verpasste ich aber meinen Einsatz. Miss Raine griff nach der Fernbedienung und schaltete dann die Musik aus.
“Was ist mit dir?“, fragte Miss Raine. “Ich war abgelenkt, entschuldigung.“, entschuldigte ich mich. “Konzentration ist das A und O. Das gilt für das gesamte Ensamble und sowie für die Solisten. Wir proben morgen weiter.“ Sammy sah Miss Raine verwirrt an. “Wir sind aber noch nicht fertig. Der Durchgang für die Zweitbesetzung.“, merkte er an. “Für eine Extraprobe fehlt die Zeit.“, sagte Miss Raine.
“Es ist nur wegen... ich schwimm da noch etwas an der Stelle nach den Jetés.“ Miss Raine blickte ihn an. “Du hast Seans Rolle?“ Dann schaute sie zu Sean. “Sitzt die Choreografie?“ Sean nickte.
“Ja, die sitzt. Vollkommen.“,antwortete er.
“Du hast die DVD und Zeit bis morgen. Das sollte genügen.“

Nach der Stunde hatten wir uns draußen auf die Treppen gesetzt. Es war ziemlich warm, weshalb ich mir Luft mit der Hand zufächerte. “Wusstet ihr, dass Anna Pawlowa auf dem Sterbebett ihr Schwanenseekostüm nochmal berühren wollte?“, fragte ich in die Runde. Kat schaute mich verdattert an. Womöglich, weil sie sowas eigentlich von Tara gewöhnt war und nicht von mir. “Stell dir vor, das habe ich nicht gewusst.“, sagte Kat. “Eskimokuss?“, fragte Abigail Sammy. Die beiden turteln zu sehen war irgendwie süß, aber irgendwie auch nicht. Nachdem sie sich nach dem Footballspiel in aller Öffentlichkeit geküsst hatten, waren sie offiziell ein Paar. “Korrekt heißt das Inuit.“, korrigierte Sammy seine Freundin. “Wisst ihr was, ich habe Lust Menschen kennenzulernen. Ziehen wir los und unternehmen wir was.“, sagte Kat eifrig.
“Da ist deine Mum. Unternimm doch was mit ihr.“, sagte Abigail sarkastisch und deutete auf Natascha, die neben Mr Kennedy her lief. Ich blickte zu den beiden rüber und merkte, dass sie sich stritten. Es ging wohl um die Sitzung. “Schätzchen.“, trällerte Natascha und gab Kat ein Küssen links und rechts. “Wie heute schon, ich dachte, diese Sitzung wäre erst morgen.“, sagte Kat.
“Ist es so schlimm, wenn deine Mutter dich besucht?“, fragte Natascha. “Naja, ich wäre gern darauf vorbereitet.“
Natascha musterte ihre Tochter von oben bis unten. “Ach erklärst du mir, was du da anhast?“, fragte sie. Kat schaute an sich hinunter. Sie trug eine Jogginghose und ein Neongrünes Shirt. “Wir haben gleich Hip-Hop wissen Sie.“, antwortete Tara.
“Oh, ich dachte schon, du siehst gern hässlich aus.“, lachte Natascha und wir lachten mit. Kat dagegen lachte gequält auf und warf dann ihren Kopf in den Nacken. Die Mutter des Jahres würde Natascha wohl nicht werden.

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