Stolz und Trotz

467 7 0
                                        

“Zach? Ich habe einen Zahnarzttermin.“, sagte ich mit Blick auf die Uhr. Zach nickte, weshalb ich meine Sachen nahm und den Raum verließ. Ich log nicht gern. Aber die Probe für das Musical fiel nunmal genau in meine Ballettstunde bei Zach. “Isabella, ein neuer Probenplan.“, sagte Finn, als ich den Probenraum betrat und reichte mir einen Zettel. “Nein, nein. Keine Proben mehr am Tag. Ich sagte doch, am wichtigsten ist mein Ballett.“, stellte ich klar, doch Finn schien mir nicht so richtig zuzuhören. “Gut, gut. Komm zum einsingen. Komm.“ Also sang ich mich mit den anderen ein und dann begannen die Proben. Und sie machten mir immer mehr Spaß. Mit jeder Probe wurde ich selbstbewusster in dem,was ich da tat.

Zurück in der Akademie, begegnete ich Kat. “Also, du hattest sechs Zahnarzttermine in drei Wochen. Ich wittere einen Jungen.“, lachte sie und ging an mir vorbei. Lachend verdrehte ich die Augen. “Isabella, gut. Ich habe dich schon gesucht.“, hustete Miss Raine und kam auf mich zu. “Warte in meinem Büro auf mich. Ich muss mit dir über deine Fehlzeiten reden.“ Nervös ging ich in ihr Büro und wartete dort. Um mir die Zeit zu vertreiben, schaute ich mir die Fotos in Raum an. Es gab welche von Miss Raine und auch welche mit Grace. Als der Laptop ein Geräusch von sich gab, erschrickte ich. Neugierig sah ich nach, was es war. Doch als ich eine Mail entdeckte,stockte ich.

“Ihr habt die E-Mail gekriegt. Jetzt holt euch ein T-shirt und protestiert mit.“, sagte Ben, als ich am nächsten Morgen durch den Flur kam.
“Welche E-Mail?“, fragte Grace.
“Wie die Lehrer unsere Chancen beim Wettbewerb einschätzen. Ist durchgesickert.“, erklärte Sammy. Ich hatte die Mail gesehen, und ich hatte sie verschickt. Nur wusste es niemand. “Oh, Drama.“, lachte Grace.
“Die Favoriten mit einem dicken Häckchen, Miss Tara Tiara.“, sagte Ben und warf ihr ein Shirt mit einem Haken zu. Er selbst trug eins mit einem Fragezeichen. “Und Miss Grace. Und unser persönlicher Superstar, Reedo.“
“Das ist doch albern.“, bemerkte Christian.
“Keine falsche Bescheidenheit, bitte.“
“Du bist sicher kein Fragezeichen, Ben.“, sagte Tara. “Und wie war dein Bluttest?“
“Weiße Blutkörperchen. So wie sie sein sollen. Und nun, nicht mehr im Rennen, unser leistungsschwacher Liebermeister.“ Sammy fing das Shirt mit dem großen X auf.
“Ich reservier uns das Studio jede freie Minute. Wir beweisen das Gegenteil.“, sagte Ollie aufmunternd.
“Meinst du? Ehrlich?“
“Abigail, es wird Zeit dein inneres Kreuz zu umarmen.“ Ben reichte ihr das Shirt und dann gab er mir meins. Das mit dem großen X. Seufzend nahm ich es entgegen und zog es mir über.

“Es ist völlig indiskutabel, dass ein Student das Privateigentum von Lehrern missachtet. Und wenn ich feststellen sollte...“, begann Miss Raine wütend. Zach stand neben ihr und sah uns ebenfalls sauer an. “Sekunde, wir sind also die Bösen,weil Sie Ihre Lieblinge bevorzugen?“, unterbrach Sammy sie.
“Es war eine private E-Mail zwischen Ausbildern.“ Ihre Stimme war kratzig. Sie war definitiv erkältet.
“Und ihr reißt es aus dem Zusammenhang.“, fügte Zach hinzu.
“Wie funktioniert denn sowas mit einem Fragezeichen?“, fragte Ben.
“Die E-Mail drückte aus, wie wir euch Ende letzter Woche eingeschätzt haben. Es kann noch viel passieren zwischen heute und dem Finale.“
Genervt ging ich Richtung Tür.
“Isabella, dein Kurs beginnt in fünf Minuten.“, sagte Miss Raine.
“Was bringt das noch? Sie haben mich doch schon abgeschrieben.“, sagte ich und verließ den Raum. Dabei knallte ich die Tür zu.
Auf dem Weg nach draußen rief ich Finn an. “Finn, ich bin's. Ich kann heute doch zur Probe kommen. Also, ich bin schon unterwegs.“ Dann legte ich auf. Ein Kratzen machte sich in meinem Hals bemerkbar, weshalb ich hustete. “Isabella! Du bist doch nicht etwa krank, Schatz?“ Irritiert drehte ich mich um und entdeckte meine Stiefmutter. “Laurel.“ Lachend umarmte ich sie.
“Wir müssen dir gleich Multivitamine besorgen, Süße.“, sagte sie.
“Was machst du denn hier? Wo ist Dad?“, fragte ich neugierig.
“Dein Dad arbeitet. Aber ich bin jetzt hier und zu allem bereit, dich in allem zu unterstützen im nationalen Wettbewerb. Wo gehen wir hin?“
“Nirgendwo hin.“, sagte ich schnell. “Nur zur Apotheke.“

Während meinem Training schaute Laurel mir zu. “Ich dachte, du tanzt Amor? Don Quijote“, stellte sie irritiert fest.
“Nein, Zach hat das letzte Woche geändert.“, erklärte ich ihr und tanzte weiter.
“Du kriegst das Bein doch höher bei den Sprüngen.“, motovierte Laurel mich.
“Sagen Sie es ihr, Mrs Johnson.“, rief Grace, was mich sofort zum Aufhören bewegte. “Sie hat immer Probleme bei den Entante Sprüngen, non non.“
Laurel erhob sich sofort von ihrem Stuhl und sah sie an.
“Laurel, das ist Grace.“, stellte ich sie vor. “Sie ist geschädigt, weil ihr Vater nie Zeit für sie gehabt hat.“
Grace reichte meiner Stiefmutter die Hand.
“Schön dich kennenzulernen.“, sagte sie und sah Grace zu, wie sie ihre Sachen nahm und wieder ging. Sie musste sie hier vergessen haben. “Das Solo wird dir nicht gerecht.“
“Laurel, die Akademie hat diese Variation schon genehmigt.“
“Ja, aber du solltest etwas machen, dass du richtig gut kannst. Du solltest dein Talent zeigen.“
Laurel verstand nichts von Ballett, aber ihr etwas ausreden wollte ich nicht. Und vor allem konnte ich ihr nicht sagen, dass ich ein X war.

Verwirrt schaute ich Grace draußen an,die ein Auto wusch. Beim genaueren Hinsehen, stellte ich fest, dass es Zachs Auto war. “Die Strafarbeit. Für das Weiterleiten der Mail.“, erklärte Grace, als sie meinen Blick bemerkte.
“Das ist ja komisch. Ich dachte, ich war das?“, fragte ich und zog eine Augenbraue in die Höhe.
“Aber du hattest ein Kreuz. Wow, Bella, das ist echt masochistisch.“
“Ja, so wie eine Strafarbeit, die du nicht verdient hast.“, sagte ich und verdrehte die Augen.
“Zugeben musst du das nicht. Ich bin dir wohl noch was schuldig.“, sagte Grace und wusch weiter das Auto.

Kat versprach mir sich um Laurel zu kümmern, solange ich bei den Proben war. Sie dachte, ich würde mich mit einem Jungen treffen und ahnte nicht, dass ich meine Zeit dem Musical widmete. Hustend betrat ich den Raum und legte meine Tasche ab. “Sorry, gestern ging es nicht. Meine Stiefmutter...“, begann ich.
“Vielleicht solltest du eher ins Bett.“, sagte Finn und musterte mich besorgt.
“Nein, ich möchte jetzt hier sein.“, widersprach ich lächelnd und stellte mich zu der Gruppe, um Gesangsübungen zu machen.
Danach ging es dann zu den richtigen Proben. “Heute kannst du den Text nur sprechen, okay? Versuch nicht zu singen.“, sagte Finn und ich nickte. Ich ging nach vorne und setzte mich auf den Stuhl. “Also Mia, wieso möchtest du bei uns mitspielen?“, fragte Misty mich in ihrer Rolle.
“Wenn einer mich ansieht, denkt jeder ich wäre nur die Summe meiner Teile. Ein farbloses Gesicht bewegt sich im Licht und rührt die Menschen eine Weile. Aber hört es von mir“ Mein Blick blieb an Laurel hängen, die mich mit verschränkten Armen ansah. “Schaut hinein in mich, dann lest ihr den Anfang der Zeile. Gibt mir eine Stimme, lasst mich sprechen und ihr lauscht dem Glück der Seele vom schönen Wort berauscht. Ich hab es so gewollt.“
“Ach, Bella. Das war herrlich.“, sagte Finn. Seufzend sah ich Laurel an. Doch in ihrem Blick lag Leere.

“Ein Musical?“, fragte Laurel sauer. “Dein Vater und ich haben dich immer unterstützt, wenn es um die Akademie geht. Und nun wirfst du das weg für ein Musical?“
“Das mache ich nicht. Ich tanze weiterhin.“, widersprach ich trotzig.
“Und das in einem Musical.“ Laurel warf die Arme in die Luft und sah mich wütend an.
“Na und?“
“Na und? Wir zahlen viel Geld für diese Akademie!“
“Laurel, die Akademie hat mich längst abgeschrieben!“, sagte ich und sah sie entsetzt an. Laurel schwieg für einen Moment. Vermutlich musste sie erstmal verdauen, was sie nun erfahren hatte. “Die Akademie hat die Chancen im Wettbewerb für jeden von uns eingeschätzt. Laut ihnen hab ich keine Chance.“
“Das stimmt nicht. Du bist eine tolle Tänzerin.“, widersprach sie mir.
“Laurel, vielen Dank, dass du hergekommen bist, aber ich brauche dich hier jetzt nicht. Also fahr nach Hause und ich ruf dich in ein paar Tagen an.“ Laurel verschränkte die Arme vor der Brust.
“Du bist ein talentiertes Mädchen. Nur, weil du gerade ein Tief hast, solltest du nicht alles wegwerfen.“
“Laurel...“
“Nein.“, sagte sie und legte mir die Hände auf die Schultern, um mich eindringlich anzusehen. “Niemand hat gesagt, dass es leicht werden würde. Aber dein Dad und ich glauben an dich. Ansonsten würden wir dir die Akademie nicht bezahlen.“ Traurig senkte ich den Kopf.
“Deine Mum würde wollen, dass du weiter machst und nicht aufgibst. Beweis der Akademie, dass du im Wettbewerb mithalten kannst.“

Erfolg ist 90% harte Arbeit, 10% Talent. Ich bin kein Kreuz. Ich bin ein Häkchen. Falls ich nicht nachlasse, falls ich mich weiter konzentriere, würde ich es schaffen. Das musste ich einfach. Beim Training sagte ich Miss Raine schnell, dass ich meinen Hustensaft nehmen müsste. Ich hatte mich erkältet genau wie sie und auch Ben. Vor der Tür aber, nahm ich keinen Hustensaft. Stattdessen nahm ich mein Handy aus der Tasche und wählte Finns Nummer. “Finn, hi, ich bin es. Ihr müsst euch bitte einen Ersatz suchen. Die Sache hat mich zu sehr abgelenkt. Mach's gut.“ Schnell legte ich auf, ohne eine Antwort abzuwarten. Diesmal musste ich mich auf den Wettbewerb konzentrieren. Ohne jede Ausnahme. Diesmal ließ ich mich nicht von Ethan ablenken. Ich meine natürlich, vom Musical.

Dance Academy Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt