1. Abschied,...

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Ich wurde von eine melodischen und allzu bekannten Stimme aus dem wunderschönen Schlaf gerissen. "Liv aufwachen!", flüsterte Mum mir ins Ohr und ließ sich auf meine Bettkante sinken. Heute war es wieder so weit. Heute würde sie wieder auf einen ihrer Aufträge gehen. Also erschwerte ich es ihr nicht unnötig und öffnete murrend meine Augen, als ich mich aufsetzte. "Morgen Mum!", brummte ich verschlafen. "Morgen Schatz!", sagte sie und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Sie ging runter ins Erdgeschoss, da mir die 2. Etage gehörte. Ich erhob mich mühselig und schlitterte inklusive Bettdecke ins Bad. Dort machte ich mich im Schneckentempo fertig. Ich zog mir so eine Militärs Hose, wie Mum jeden Tag, wenn sie im Einsatz war an, weil es mich dann ständig mit ihr verband und mir Sicherheit gab. Außerdem noch Doc Martens und ein weißes enges T-Shirt, wodurch man mein Six-Pack sah. So ging ich jeden, wirklich jeden Tag, wenn Mum auf einem Spezialeinsatz war, zur Schule. Meine blonden Haare band ich zu einem lockeren geflochtenen Zopf zusammen. Meine Bettdecke schmiss ich zurück aufs Bett. Ich schnappte mir noch meinen Militärs Rucksack, den Mum mir zu meinem 12. Geburtstag geschenkt hat. "Egal was passiert Liv... Ich bin immer bei dir! Der Rucksack und die Hose zeigen, dass Kämpferblut in dir fließt vergiss das nie!", hatte sie gesagt. Ich bin stolz auf Mum und Mum war stolz auf mich. Ich lernte und war Klassenbeste. Ich war nicht wirklich beliebt, aber das brauchte ich nicht. Ich brauchte keine Freunde. Nur Mum und mich!
Ich lief nach unten und setzte mich an den langen modernen Holztisch auf einen Barhocker. Mum machte gerade mein Lieblingsfrühstück... Crêpes mit Nutella! Das gab es immer nur an besonderen Tagen. So wie heute. Ich wurde wieder traurig, als ich am den Abschied in kurze dachte. "Hey nicht traurig sein. Noch bin ich ja da!", sagte sie, wirkte aber genauso traurig. Das war jedes Mal so...
Um sie nicht noch trauriger zu machen und daran zu erinnern, lächelte ich ihr zu. Es war ein falsches Lächeln, was sie aber zum Glück nicht bemerkte...
Nachdem wir uns unterhielten und gespeist hatten, klingelte es. Wir standen auf und gingen aufmachen. Dort stand Mums glatzköpfiger, muskulöser Freund. Aber sie waren nur Freunde. "Jack!", rief ich froh und sprang in seine Arme. Der Typ war mein Patenonkel und locker zwei Meter groß. Er lachte und sagte: "Morgen Liv!" "Können wir?", fragte er mich. Ich schüttelte den Kopf und drehte mich nochmal zu Mum um, während Jack meinen Rucksack nahm. "Mum, ich will nicht, dass du gehst!", sagte ich traurig. "Ich werde dich vermissen Schatz! Ich schicke dir eine Postkarte!", sagte sie und wir umarmten uns.
"Komm wieder zurück!", schluchzte ich. "Das werde ich!", sagte sie. "Versprochen?", fragte ich. "Versprochen!", versprach sie mir. Nach einer etwas längeren innigen Umarmung und einigen Küssen, winkte ich ihr ich mal zu, bevor ich mit Jack und seinem coolen Mercedes losfuhr. Er brachte mich an solchen Tagen immer zur Schule, weil Mum das nicht schaffte. Wir unterhielten uns und er lenkte mich etwas ab. Aber nur etwas, denn als wir vor der Schule zum Stehen kamen, musste ich auch meinem Patenonkel Tschüss sagen. "Ich hab dich ganz doll lieb, Jack!", sagte ich und umarmte ihn. Er erwiderte sie und sagte: "Ich dich auch!" "Pass auf Mum auf!", sagte ich. "Mach ich, Süße!", sagte er. Nachdem auch das erledigt war, holte ich meinen Rucksack und winkte ihm.
An unserem Gymnasium besuchte ich die 10. Klasse und war die Einzige, bei der die Mutter, oder der Vater, zum Militär ging. Die Lehrer und meine Mitschüler kannten sich schon mit meinem Kleidungsstyl aus. Normal, wenn Mum da war, hatte ich eine schwarze Jeans, weiße Nikes, ein rotes T-Shirt und eine schwarze Lederjacke an. So wie gestern. Doch heute trug ich wie schon beschrieben spezielle Sachen. Einige Lehrer versuchten immer an solchen Tagen, wie heute mich mir zu reden und mich aufzumuntern, doch ich lehnte immer ab. Seit einer Woche haben wir auch zwei neue Schüler. Jane und Alec. Zwillinge. Interessiert mich aber nicht. Ich ging, da ich sehr spät dran war, zu meinem Klassenraum, wo der Unterricht schon begonnen hatte. Ich wusste wie die Lehrer reagierten. Also klopfte ich an. "Herein!", reif meine Klassenlehrerin. Ich öffnete die Tür und trat ein. Jane uns Alec starrten mich verwirrt an. Die Anderen sahen mich teils mitleidig, teils traurig an. "Setzt dich hin, Liv!" sagte meine Klassenlehrerin und sah mich aufmunternd an. Ich nickte nur still und ließ mich auf den letzten freien Platz zwischen den Neuen in der Letzten Reihe nieder. Heute hatten wir den ganzen Tag mit unserer Klassenlehrerin, da ziemlich viele Lehrer ausfielen vor Krankheit...

Als endlich die letzte Stunde vorbei war, rannten alle raus. Heute war Freitag und viele hatten etwas vor. Ich nicht! Meine Sitznachbarn offensichtlich auf nicht, denn sie ließen sich, genauso wie ich, ziemlich viel Zeit beim Einpacken. "Liv!", sagte die Stimme meine Klassenlehrerin. Ich sah auf. Sie stand vor mir. "Liv, du solltest dir Hilfe suchen! Was ist mit deinem Vater? Kann der sich nicht in der Zeit wo deine Mutter nicht da ist, um dich kümmern?", fragte sie. Mir platze der Kragen. "Mir geht es gut, ja?! Es ist bloß immer der erste Tag! Und mein Vater ist ein egoistisches Arschloch! Er hat meine Mutter betrogen und soll da bleiben, wo der Pfeffer wächst! Er hat sich noch nie für mich interessiert!", zischte ich. "Das verstehe ich, aber-", setzte sie an, doch ich unterbrach sie: "Sie verstehen gar nichts! Also lassen Sie es einfach bleiben!" Mit diesen Worten schulterte ich meine Rucksack und rauschte aus dem Raum. Die beiden Neuen hatten alles mitverfolgt und folgten mir nun aus dem Raum. Doch ich ignorierte sie. Bis zu unserem Haus, waren es knapp sieben Kilometer. Ich war sportlich und begab mich zu Fuß auf den Weg, denn Jack und Mum waren schon weg...

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