"Ich dachte du hast vielleicht Lust in Ruhe zu Frühstücken?!" meinte er. Ich nickte und wir stiegen aus...
Ich bestellte mir zwei Croissants und einen großen Kakao, da ich wirklich Hunger hatte. Dad offenbar nicht. Ich dachte nicht länger darüber nach. "Möchtest du noch irgendwo hin?" fragte er mich, als mein Essen kam. Ich biss einmal ab und überlegte... "Ich möchte noch einmal zum Friedhof und zum... Haus!" sagte ich und meine Stimme zitterte leicht. Er nickte. "Jane und Alec haben sich, aber schon um deine Sachen gekümmert. Die sind heute Morgen schon in Volterra angekommen", erklärte er. Samstag, 10.09 Uhr zeigte mein Handy an. "Können wir bitte trotzdem nochmal dort hin?" fragte ich bittend. "Wenn du das möchtest, dann ja!" lächelte er. Ich nickte und trank einen Schluck. Der Kakao war der absolute Hammer. Er war nicht zu süß und nicht zu bitter. Er schmeckte unglaublich schokoladich. "Und du bist sicher, dass du noch einmal zum Friedhof möchtest?" fragte Dad besorgt. Ich seufzte. "Ja,..." nickte ich und aß weiter... Es war schön mit ihm hier zu sitzen. Ich genoss seine Anwesenheit, seine Sicherheit und die Ruhe...
~~
Hier stand ich nun. Vor unserem Haus. Das Tor war offen, doch ich wollte nicht rein. Ich ging lediglich einmal um die Villa herum. Doch das reichte schon aus, um meine Tränen zu aktivieren. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Dad tat mir den Gefallen und wartete am Auto. Ich wollte mich allein von dem Haus verabschieden. Das tat ich auch...
Als ich aus dem Tor trat sah mich Dad besorgt an. "Liv-", begann er. Doch ich schüttelte den Kopf und stieg ein. Ich wollte jetzt nicht. Ich brauchte einige Zeit für mich. Er sah mich mit purer Besorgnis an, doch nickte. Dafür war ich ihm im Moment so dankbar. Dafür, dass er mich nicht zwang. Dafür, dass er mir Freiheit ließ. Auch, wenn es unglaublich schwer für ihn sein musste. Und dafür war ich ihm doppelt so dankbar...
Am Friedhof stiegen wir beiden aus und gingen hinein. "Dad?" fragte ich und blieb am Eingang stehen. Er sah mich sorgenvoll an. "Kannst du-... Kannst du hier warten und in einer halben Stunde kommen?" fragte ich ihn mit gesenktem Blick. "Dass du kurz für dich bist und dich allein verabschieden kannst? Klar. Aber wenn du in einer halben Stunde weinend da sitzt, dann nehme ich dich in den Arm und trage dich ins Auto!" stellte er die Bedingung auf. "Einverstanden. Danke Dad!" sagte ich und drehte mich um. Ich startete und rannte den bekannten Weg entlang zum Grab. Bei Mum angekommen starrte ich eine Minute nur auf die Schrift. Dann fiel ich auf die Knie ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Wieder begann ich an diesem Tag zu weinen. Wieder brach die Traurigkeit über mir zusammen, wie die Wolken bei Gewitter. Wieder machte ich mir Vorwürfe. Wieder wusste ich nicht weiter. Wieder wollte ich mein altes Leben zurück. Wieder wünschte ich mir, dass Mum bei Dad geblieben wäre. Wieder wünschte ich mir, wie jeder andere auch, in einer normalen Familie aufgewachsen zu sein. Wieder wünschte ich mir, dass alles glatt gelaufen wäre...
Wieder war ich am Ende meiner Kräfte...
Wieder konnte ich nicht anders und schrie vor Verzweiflung...
Eine kalte Hand wurde mir auf die Schulter gelegt. Kurz darauf drehte mich jemand um und nahm mich in den Arm. "Die 30 Minuten sind um!" vernahm ich Dads Stimme. Und das brauchte ich jetzt auch. Ich krallte mich an seinem Anzug fest und drückte mich mit aller Kraft an ihn. "Dad!" schluchzte ich. "Ja Liebling, ich bin hier!" versicherte er mir. "Dad, ich kann nicht mehr!" wisperte ich erschöpft. "Liebling ich weiß! Alles wird gut. Glaub mir!" flüsterte er und strich mir über den Kopf. "Dad, ich kann das nicht mehr!" schluchzte ich. "Doch Liv, du kannst! Du bist stark! Du schaffst das!" redete er mir Mut zu...
"Dad?" fragte ich unter Tränen nuschelnd. "Ja Liebling?" fragte er aufmerksam. "Dad bringst du mich nach Hause? Ich kann das hier nicht mehr!" schluchzte ich. Er hielt kurz inne und dachte nach. "Na klar! Komm her Prinzessin!" flüsterte er und hob mich hoch. Doch festhalten war überflüssig, auch wenn er es tat. Denn ich hatte mich so fest an ihn geklammert, dass es nicht dringend notwendig war. "Alles wird gut Liv... Alles wird gut!" sagte er leise und trug mich ins Auto. Doch ich wollte nicht auf die Rückbank. Also krallte ich mich noch mehr an ihn fest. "Dad, ich will bei dir bleiben!" schluchzte ich in seine Halsbeuge. "Okay. Einverstanden. Du kommst zu mir nach vorne!" sagte er und öffnete die Tür zum Beifahrersitz. Dad setzte mich auf den Sitz, doch ich ließ immer noch nicht locker. "Süße?!" bat er mich. "Nenn mich nicht Süße! Das erinnert mich an Caius und seine schlechten Sprüche!" brummte ich, musste aber kurz lachen. Dad begriff und schmunzelte. Ich ließ ihn los, sodass er mich, ehe ich reagieren konnte, anschnallte und die Tür schloss. Als er ebenfalls sicher saß, startete er den Motor und fuhr los. Auf nach Volterra!... Auf nach Hause!...Ich schaute aus dem Fenster und sah zu, wie meine erste Heimat vorbei huschte. In meinen Augen bildeten sich Tränen. Ich versuchte erfolglos das Schluchzen zu unterdrücken. "Hey Liv, Liebling!" sagte Dad und legte mir seine Hand auf mein Bein. "Ich weiß, dass es schwer ist. Aber du wirst es verstehen!" versicherte er mir und schenkte mir ein wundervolles aufmunterndes Lächeln. Ich nickte leicht und sah aus dem Fenster. Doch als ich raus blickte, konnte ich mich nicht beruhigen. Ich brauchte Halt! Ich brauchte Geborgenheit! Ich brauchte Beistand! Panisch griff ich mit meiner linken Hand nach seiner Rechten, die auf meinem Bein lag und verschränkten sie miteinander. "Ganz ruhig bleiben Liv! Spanien läuft dir nicht davon! Du kannst jederzeit hier her kommen... Ich bringe dich jederzeit hierher!" sagte er und drückte leicht meine Hand. Ich nickte und sah aus feuchten Augen auf unsere Hände...
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Back to Volterra {1}
FanfictionLivs Leben war perfekt. Sie hatte ihre Mutter und mehr brauchte sie nicht. Doch der Krieg zieht seine Spuren durch das Militär. So auch in Spanien... Liv lernt ihren Vater kennen, der sie aber alles andere als interessiert. Während der sie mit nach...