11. Pause im Wald

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Warum? Das war die einzige Frage, die ich mir immer und immer wieder stellte. Das war die Frage, die ich am sehnlichsten beantwortet hätte...

Die Hand meines Vater blieb auf meinem Knie und er fuhr weiter. Nach einigen Stunden hielt er an einem Rastplatz an. "Hast du Hunger?", fragte er. Ich ignorierte ihn. Schon wenn ich an Essen denke wird mir schlecht! "Also nicht", seufzte er, "Wir machen jetzt zehn Minuten Pause. Du kannst sitzen bleiben oder aussteigen. Wenn du Hilfe brauchst, dann sag mir bitte Bescheid, ja?", fragte er. Ich ignorierte ihn immer noch und stieg einfach aus seinem Auto aus. Es war Mittag und ziemlich bedeckt. Sieht nach Regen aus! Egal, ich sah mich um. Wir waren mitten im Wald auf einer Landstraße. Mein Vater stieg ebenfalls aus und ich spürte seinen intensiven Blick auf mir. Aber den hatte er ja immer! Ich sah im Augenwinkel, dass er sein Handy rausholte und mit einem besorgten Blick, der immer noch auf mir ruhte, wieder telefonierte. "Marcus! Caius!... Ich bins... Ja wir sind unterwegs... Ich mache gerade eine Pause und Liv sieht sich um... Gegen Abend hin... Naja schon... Ich weiß es nicht, ich frag sie mal... Liv wie geht es deinem Bein?", fragte er mich. Doch ich schenkte ihm immer noch keine Aufmerksamkeit, sondern sah mich weiter um. Es gab einen kleinen Pfad. Ich beschloss ihn einfach mal lang zu gehen und ignorierte die Rufe meines Vaters. Also eigentlich humpelte ich... Immer tiefer und tiefer...
So langsam begann ich zu frieren und zu zittern. Es war schon ziemlich kalt und mein Bein tat immer mehr und mehr weh. Doch ich wollte nicht zurück. Ich wollte weg von all dem Stress. Ich wollte weg von all dem Unbekanntem. Ich wollte frei sein!

"Liv, um Himmels Willen!", rief seine Stimme und er holte mich ein. "Liv dein Bein ist wieder angeschwollen! Du kannst nicht so weit laufen! Das ist viel zu gefährlich!", sagte er. Ich ging einfach weiter und würdigte ihn keines Blickes. "Liv!", rief er und zog mich zu sich ran. Ich wehrte mich heftig, doch das störte ihn nicht im geringsten. "Sch.. Sch Liv es wird alles gut... Sch... Beruhige dich!", sagte er und hielt mich fest in seinen Armen. Komischerweise beruhigte mich das irgendwie schon und war angenehm, aber irgendwie auch nicht. "Lass mich los!", schluchzte ich, denn mir kamen die Tränen wieder hoch. "Nein... Sch! Liv es wird alles gut!", flüsterte er und verfestigte seine Umarmung. Ich beruhigte mich zu meiner eigenen Überraschung ziemlich gut. Doch ich wehrte mich immer noch heftig und giftete ihn an: "Lass mich los!" "Nur wenn du aufhört dich zu wehren, dich beruhigst und mir versprichst, dass du ohne Theater mit zum Auto kommst!", sagte er. Ich wollte schon was sagen, als ein kalter Windzug kam und mich erzittern ließ. Ich war definitiv unterkühlt. Und das Wehren kostete auch nur unnötige Kraft. Also hielt ich still und musste aufpassen, dass ich nicht zusammen sackte, weil mir alles wehtat. "So ist gut!", sagte er und lockerte seinen Griff. Doch das war der Moment, wo ich keine Kraft mehr hatte und zusammen brach.
Mein Vater aber reagierte sehr schnell und fing mich gerade so noch auf. "Du bist unterkühlt Liv! Und Kraft hast du auch keine mehr! Wir fahren jetzt weiter. In wenigen Stunden sind wir Zuhause und dann kann dir Marcus helfen!", sagte er liebevoll und hob mich sanft hoch. Ich hatte wirklich keine Kraft mehr und so konnte ich mich auch nicht wehren. Also lag ich erschöpft in seinen Armen, während er mich trug...
Am Auto angekommen öffnete er die Tür und setzte mich vorsichtig rein. Doch als er mich los ließ kippte ich zur Seite. Mir tat alles weh, was wehtun konnte. Gerade rechtzeitig hielt er mich wieder fest. Vorsichtig drückte er mich gegen die Lehne und schnallte mich an. So ging es. Ich atmete schwer und mit liefen immer noch stumme Tränen die Wange runter. Mein Vater sagte irgendetwas zu mir, aber ich verstand nicht was. Alles verschwamm. Ich sah nichts mehr außer Schwärze. Ich bekam nichts mehr mit...

Ich wurde noch circa vier Stunden wieder wach. Wir fuhren immer noch. Müde öffnete ich meine Augen. Und ich saß immer noch in seinem Auto. Ich hatte ja wenigstens einen Funken Hoffnung, dass das alles nur ein Traum war. ABER NEIN! Toll! Wirklich toll! Ironie lässt grüßen! "Liv, Liebes, wie geht es dir?", fragte er. Ich ignorierte ihn und schaute stattdessen aus dem Fenster. Baum, Baum, Baum, Baum, Baum, Baum... Busch! Das war ja mal spannend hier... Nicht!
"Liv, hör mir zu-". Und ab da hörte ich nicht mehr zu. Wenn so etwas kam, dann hatte das immer was Negatives. Und das möchte ich nicht. Also: Tschüss! Ich holte meine Kopfhörer und mein Handy raus. Ich machte meine Playlist von Linkin Park an und hörte Musik.
Mein Vater endete mit seinem Molog und schaute mich fragend an. Dann begriff er offensichtlich, dass ich ihm nicht zugehört hatte. Er seufzte und richtete seinen Blick wieder auf die Straße.
Nach einigen Minuten schlief ich gegen die Scheibe gelehnt ein, während meine Musik weiter lief...

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