Ich steckte meinen Kopfhörer wieder zurück ins Ohr und hörte weinend weiter...
Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich schon hier auf dem Bett lag und Musik hörte. Ich hatte sämtliches Zeitgefühl verloren. Ob Minuten, Stunden, Tage oder Wochen. Keine Ahnung! Mein Vater kam ab und zu rein und setzte sich zu mir. Er sagte immer was, war dann still und ging nach einiger Zeit wieder. Marcus kam auch schon. Aber er schaffte es meine Aufmerksamkeit zu erlangen. Denn er war ruhig und saß einfach nur da. Er fragte nichts oder versuchte mich nicht zum Reden zu bringen. Nein! Er setzte sich einfach zu mir aufs Bett und schaute in die Leere. Irgendwann sah er mich dann an. Und breitete seine Arme einladend aus. Ich zog meine Kopfhörer raus, schaltete die Musik aus und krabbelte zu ihm. Er zog mich zu sich auf den Schoß. Und wir weinten gemeinsam. Er trocken und bei mir kamen wirklich Tränen. Keine Ahnung warum er nicht richtig weinen konnte, aber das war mir egal. Wir trauerten gemeinsam... Caius brachte mir ab und zu Essen und setzte sich zu mir. Er streichelte meinen Rücken und redete beruhigend. Meistens schlief ich dann ein...
Heute hatte ich unglaubliche Kopfschmerzen. Dennoch versuchte ich sie zu ignorieren. Ich zog mir das Gleiche an, wie an dem Tag, an dem ich hier angekommen bin und hörte Musik. Doch die Trauer wandelte sich bei mir heute in Wut um. Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Sie hatte mich allein gelassen! Sie hatte ihr Versprechen gebrochen! "ARGHH!" schrie ich und sprang auf. Ich schmiss die Kommode um und trat darauf. Ununterbrochen verließen Wutschreie meine Lippen. Als die Kommode komplett zerstört war, schlug ich mit geballten Fäusten auf den Schrank ein und kippte ihn um. Ich riss die Regale von den Wänden und zerschlug den großen Spiegel. Ich hörte Rufe und Personen rannten im Schloss schnellen Schrittes umher. "WARUM?" schrie ich und zerschlug den Tisch. Durch das Adrenalin nahm ich keinen einzigen Schmerz war, der eigentlich von meinen pochenden Händen und meinem zerkratzen Gesicht kommen sollte. "DU HAST ES VERSPROCHEN!" schrie ich und ein Stuhl zerbrach, "WARUM HAST DU MICH ALLEIN GELASSEN?" Ich schlug auf die Wand ein und schrie wütend. Plötzlich hielt jemand meine Faust fest und verhinderte den erneuten Schlag auf die Wand. Ich versuchte mich diesem festen Griff zu entwinden, doch erfolglos. "Liv sieh mich an!" forderte die strenge Stimme meines Vaters. Ich kniff die Augen zusammen und sah in die andere Richtung. "Liebling sieh mich bitte an!?" bat er mich nun mit besorgter Stimme. Ich biss mir auf die Unterlippe, sodass nun auch diese begann zu bluten, und sah aus meinen tränenden Augen auf. Ich sah in die rote Iris meines Vaters. "Ich kann verstehen, dass du wütend bist. Es ist Okay. Es ist normal. Aber du tust dir weh!" sagte er und drehte mich zu sich um. Bevor ich reagieren konnte lag ich schon in seinen Armen. Ich versuchte mich zu wehren, doch das Adrenalin ließ langsam nach und erschwerte die ganze Sache. "Liv beruhige dich! Es wird alles gut! Wir können dir helfen. Ich kann dir helfen, wenn du mich lässt! Aber dazu musst du mir vertrauen", flüsterte er. Ich hörte auf, auf ihn einzuschlagen und begann verzweifelt zu weinen. Er war sichtlich überrascht. "Liv, ich bin immer für dich da! Vergiss das nicht!" sagte er. Ich brauchte unbedingt eine Umarmung, also erwiderte ich die meines Vaters und vergrub schluchzend mein Gesicht in seiner Halsbeuge. "Hey ganz ruhig! Beruhige dich, Liebling! Alles wird gut!" flüsterte er. Ich schluchzte und krallte mich an seinem Umhang fest. Die Tür sprang auf und ich hörte, wie 2 weitere Personen das demolierte Zimmer betraten. "Fuck!" entfuhr es einer der beiden. Caius! "Liv", sagte eine besorgte Stimme. Marcus! Beide kamen auf uns zu. Ich schluchzte immer noch stark und hatte mein Gesicht in Vaters Halsbeuge gedrückt. "Marcus, ich denke du solltest sie dir mal ansehen. Ihre Fingerknöchel und ihr Gesicht bluten!" flüsterte Vater zu Marcus, während er mir beruhigend über den Rücken strich. "Ich sehe es. Am besten schnell. Bevor es sich großartig entzünden kann!" sagte dieser. "Caius sorgst du bitte dafür, dass hier alles aufgeräumt wird?" fragte Vater den blonden Schönling.
"Selbstverständlich!" sagte Angesprochener. "Alles wird gut Liv! Sch... Alles wird gut!" flüsterte er zu mir. Vater hob mich hoch und trug mich, während ich immer noch weinte und mich an ihm festhielt. Er redete beruhigend auf mich ein und streichelte meinen Kopf und Rücken...Ich wurde auf eine Liege gelegt, doch ich konnte meine Fingerknöchel nicht mehr großartig bewegen. Es tat unglaublich weh. Noch schlimmer, als mein Kopf und mein Fuß zusammen. "Liv, du musst mich loslassen. Sonst kann dir Marcus nicht helfen?!" sagte er und sah mich aufmunternd an. Doch ich schüttelte panisch den Kopf. Vater nahm meine warme Hand in seine kalte Hand und schien zu überlegen...
"Marcus sie kann ihre Knöchel nur noch unter Schmerzen bewegen!" sagte Vater plötzlich und sah mich mitleidend an. Woher wusste er das? Ich hatte ihm nicht mal was in der Art gesagt oder angedeutet!? "Alles wird gut!" erklärte er. "Das sieht übel aus", riss mich Marcus aus meinen Gedanken. "Es geht!" log ich eher um es mir selbst einzureden. "Das geht auf gar keinen Fall Liv!" sagte Vater empört. "Es tut nicht weh!" versuchte ich es erneut, doch auch dieser Versuch scheiterte. "Ich weiß, dass du starke Schmerzen hast! Und nicht nur an den Fingerknöcheln!? Aber um das kümmern wir uns später!" sagte Vater. Mit großen Augen sah ich ihn an. Woher weiß er, was ich denke? Doch weiter überlegen konnte ich nicht, denn da schrie ich schmerzerfüllt auf. Unzählige salzige Tränen rannen mir über meine Wangen. Als ich aus meinen wässrigen Augen schaute, sah ich den Grund für diese Schmerzen. Marcus hatte meine Hände mit einem Ruck von Vater entfernt. Ich schluchzte. Die Tränen ließen nicht nach. Vater strich mir über die Wange und besah mein Gesicht besorgt...
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Back to Volterra {1}
FanfictionLivs Leben war perfekt. Sie hatte ihre Mutter und mehr brauchte sie nicht. Doch der Krieg zieht seine Spuren durch das Militär. So auch in Spanien... Liv lernt ihren Vater kennen, der sie aber alles andere als interessiert. Während der sie mit nach...