51. Kleiner Ausraster

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"Wer hatte Recht?" murmelte Marcus zu sich selbst, bevor er nach meinem anderen Arm Griff und mich festhielt. "Liv!" warnte er...

"Nein, Marcus! Ich will da nicht rein!" schrie ich schon halb und versuchte um mich zu schlagen. Er seufzte und zog mich in seine Arme. Doch selbst da konnte ich mich nicht beruhigen. "Liv!" rief Marcus und hielt mich sehr stark fest. Ich schrie, doch es brachte nichts. "Liv!" sagte eine andere Stimme. Mein Vater! "Lass mich los Marcus! Ich will da nicht rein!" schrie ich. "Marcus trage sie am besten rein. Ich klär den Rest!" sagte Dads Stimme. "NEIN!" schrie ich und zappelte rum. Doch es brachte nichts. Marcus hob mich problemlos hoch und trug mich rein. Vorbei an Dad. Ich sah ihn jedoch nicht an, zu sehr war ich mit Marcus beschäftigt. "ALTER MARCUS! WAS SOLL DAS?" schrie ich. "Liv beruhige dich!" sagte er, ließ mich runter, hielt mich jedoch noch fest. Sehr fest. "ICH BERUHIGE MICH HIER GAR NICHT!" schrie ich. "Marcus es ist besser, wenn du uns alleine lässt!" meldete sich die Stimme meines Vaters von der Tür. "NEIN! Marcus! Du kannst mich jetzt hier nicht alleine lassen! Bitte! Bitte tu mir das nicht an!" rief ich panisch. "Liv, du schaffst das. Denk an meine Worte! Vertrau uns!" flüsterte er und strich mir über die Wange. "Nein, Marcus..." schluchzte ich und sah ihn flehend an. "Doch Liv. Vertrau mir!" flüsterte er und ging durch die Tür, die Dad ihm aufhielt. Wie versteinert stand ich hier mitten im Raum und starrte meinem Bruder hinterher. Dad schloss die Tür. Und zwar richtig. Mit abschließen! Den Schlüssel ließ er in seine Hosentasche gleiten. "Liv!" sprach mein Vater und kam auf mich zu. "Lass mich! Fang einfach an!" schluchzte ich und wischte mir die Tränen weg. "Nein Liv!" sagte er und hielt mich am Handgelenk fest, als ich in die letzte Reihe gehen wollte. "Fass mich nicht an!" zischte ich und wollte ihm meine Hand entziehen. Wie gesagt, wollte. Denn er war weitaus stärker als ich, wie es schien. So hielt er mich problemlos fest. "Ein anderer Ton junges Fräulein!" knurrte er. "Du kannst mich Mal!" murmelte ich und zerrte immer noch an seinem festen Griff. "Wie. Bitte?" knurrte er und verstärkte diesen. Zusätzlich nahm er noch mein Kinn zwischen Zeigefinger und Daumen und Zwang mich ihn anzusehen. "Entweder hast du mich verstanden oder nicht. Ich wiederhole mich nicht!" meinte ich und versuchte nun auch vergebens mein Kinn aus seinem Griff zu befreien. "Liv, wann lernst du es?", fragte er streng, "Benimm dich mir gegenüber ordentlich. Ich erwarte keine Beleidigungen, Schimpfwörter oder Ähnliches. Und deine Sprüche behältst du bei dir!" Ich biss mir auf die Zunge, wo schon der Nächste bereit stand. "Haben wir uns verstanden?" knurrte er und zog mich näher zu sich ran. Ich schnaubte und kein Ton verließ meinen Hals. "Liv! Ich habe dich was gefragt!" knurrte Dad. "Man ey, ja! Is gut. Hab's verstanden!" sagte ich. Seine festen Griffe waren sehr stark und man konnte sich nicht aus ihnen herauswinden. "Was habe ich gesagt?" warnte er mit drohendem Unterton. Scheiße, da war was! "Tschulidge. War nicht so gemeint!" gab ich zu und senkte meinen Blick. "Geht doch", sagte Dad und seine Stimme klang weich und sanft. "Liv bitte sieh mich an!" bat Dad mich. Zögernd sah ich ihn an. Unsicher und ängstlich. Ich wusste nicht, was als Nächstes auf mich zukommt. "Schatz, ich liebe dich über alles! Ich hoffe du weißt das!" sagte er. Ich gab keine Reaktion von mir. Was sollte ich darauf auch groß antworten? Ich wollte ihn ja schließlich auch nicht anlügen. "Ich würde es dir gerne alles genauer erklären, aber dafür bin ich heute noch nicht bereit. Verstehst du?", fragte er, "Ich brauche auch noch etwas Zeit!" Die fiese Bemerkung verkniff ich mir nur schwer. Dad gab mir immer solche Steilvorlagen. "Am besten fangen wir einfach mit Latein an, so wie du es wolltest. Okay?" fragte er. Ich nickte und setzte mich, auf seine Anweisung hin in die erste Reihe. Er begann und ich versuchte nicht einzuschlafen...

Endlich Schluss! Schnell packte ich meine Tasche und wollte rausrennen, doch die Tür war abgeschlossen. Stimmt ja! Dad hatte sie zugeschlossen. Ich schnaubte leise und drehte mich dann um. Dad stand an seinen Schreibtisch gelehnt und beobachtete mich intensiv. "Liv!", begann er ruhig und stieß sich von seinem Schreibtisch ab, "Du kannst doch im Unterricht aufpassen. Warum nicht gleich so?" Warum? Weil ich deine Visage nicht sehen will! Den Kommentar verkniff ich mir nur sehr schwer. Stattdessen biss ich mit auf die Unterlippe. Leider war das mein scharfer Eckzahn, der dafür sorgte, dass ich sofort blutete. Dad musterte das herunterlaufende Blut besorgt und kam mir immer näher. Ich wollte zurückweichen, doch stieß gegen die Tür. Fluchend rieb ich mir den Kopf, nach diesem Zusammenstoß. Dad streckte eine eiskalte Hand nach mir aus. Ich wollte mein Gesicht weg drehen, doch da hielt er schon mein Kinn. Dad hob es leicht an, um meine Lippe genauer in Augenschein zu nehmen. "Du musst deine bissigen und frechen Kommentare unbedingt unter Kontrolle bringen Liv!" seufzte er. Mit großen Augen sah ich ihn an. Woher wusste er das bitte? "Ich würde vorschlagen, dass Marcus sich das anschaut. Sicher ist sicher!" sagte er. "Steck dir dein 'sicher ist sicher' sonst wo hin. Das Einzige, was ich möchte ist Ruhe!" zischte ich, bereute es aber sofort wieder, als er mich mit einem strafenden Blick ansah. "Hüte deine Zunge, Liebling!" sagte er streng und verfestigte den Griff um mein Kinn. Das macht er offenbar gerne. Mein Kinn malträtieren. "Tut mir Leid!", wisperte ich und sah nach unten. "Warum nicht gleich so?" fragte er, doch ich gab ihm keine Antwort. Ich wusste es ja selber nicht so richtig. "Du wirst morgen zum Unterricht erscheinen. Wenn nicht, muss ich mir eine angemessene und harte Strafe ausdenken. Haben wir uns verstanden?" fragte er mit warnendem Unterton. Ich murmelte: "Ja, haben wir!"

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